Charlotte Keyser wurde als drittes Kind eines Holzkaufmannes in der Kleinstadt Ruß im Memelland geboren. Die Herzlichkeit, die sie in ihrer Kindheit zu spüren bekam, spiegelte sich später in ihren Werken wider. Nach dem Tod des Vaters (1899) sah sich die Familie gezwungen, die Holzhandlung in Ruß aufzugeben und nach Tilsit zu ziehen, wo Charlotte Keyser nach ihrem Abschluss an der Königsberger Kunstakademie über viele Jahre als Lehrerin an einer Oberschule tätig war. Ihre erste Publikation als Schriftstellerin enthielt plattdeutsche Lieder aus dem Memelland und erschien 1937 unter dem Titel Bi ons to Hus (Bei uns zu Hause). Sowohl die Erzählungen als auch die Lieder aus diesem Buch wurden mehrfach vom Königsberger Rundfunk gesendet. 1944 erhielt Charlotte Keyser in Memel den Johann-Gottfried-von-Herder-Preis für den Familienroman Und immer neue Tage (1939) sowie die Erzählung In stillen Dörfern (1940), die beide wegen ihrer gelungenen literarischen Nachzeichnung der ostpreußischen Landschaft gewürdigt wurden. Unmittelbar nach der Verleihung musste Charlotte Keyser ihre Tilsiter Wohnung in der Roonstraße 2 aufgrund eines Kuraufenthalts verlassen. Im Nachhinein gesehen ein glücklicher Umstand, da sich die sowjetische Armee bereits auf dem Vormarsch in Richtung Ostpreußen befand. Über verschiedene Zwischenstationen gelangte sie schließlich nach Oldenburg, wo sie sich nach dem Krieg mit ihren Erzählungen für die Pflege des plattdeutschen Dialektes einsetzte. Für ihr Engagement wurde Charlotte Keyser später mit der Goldmedaille der Stadt und dem Bundesverdienstkreuz I. Klasse ausgezeichnet. Unter amerikanischer Lizenz und mit einer Auflagenhöhe von 5.000 Exemplaren verlegte der Elwert-Gräfe und Unzer Verlag in Marburg (Lahn) 1948 ihren zweiten großen Familienroman Schritte über die Schwelle, dessen Handlung in der Zeit des Pestausbruchs in Tilsit spielt. Hinzu kamen mehrere Erzählungen, die 1953 unter dem Titel Und dann wurde es hell vom Eugen Salzer Verlag in Heilbronn und vom F.W. Siebert Verlag in Oldenburg gedruckt wurden. Neben Hermann Sudermann gehörte Charlotte Keyser bald zu den bekanntesten und bedeutendsten ostpreußischen Heimatdichtern aus dem Memelland. Immer wieder traf sie in dieser Zeit auf Agnes Miegel, mit der sie bis zuletzt eng befreundet war.
1966 erhielt Charlotte Keyser im Alter von 76 Jahren den Kulturpreis der Landsmannschaft Ostpreußen, den sie allerdings aufgrund einer Erkrankung nicht mehr selbst in Empfang nehmen konnte. Kurz darauf verstarb sie am 23. September 1966 in ihrer Oldenburger Wohnung. Bestattet wurde sie auf dem Gertrudenfriedhof in Oldenburg. Ihren Freunden und den vielen Lesern ihrer Werke hinterließ sie unter anderem ein Malbuch und eine Heimatsammlung mit vielen Liedern und Erinnerungen an das Memelland. Der Nachwelt wird sie als warmherzige Schriftstellerin im Gedächtnis bleiben, die mit ihren Romanen und Erzählungen dafür sorgte, dass die Erinnerungen an Ostpreußen nicht in Vergessenheit geraten.
Werke (Auswahl): Bi ons to Hus, mit einer Einleitung von Walter Ziesemer (1937). – In stillen Dörfern (1939). – Und immer neue Tage. Roman einer memelländischen Familie zwischen zwei Jahrhunderten (1700-1900), (1940, Nachdruck München 1950). – Schritte über die Schwelle (1948, Nachdruck Heilbronn 1966). – Und dann wurde es hell (1953). – Von Häusern und Höfen daheim klingt es nach (1962).
Lit. (Auswahl): Werner Kohlschmidt, Wolfgang Mohr, Paul Merker (Hrsg.), Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, Berlin 2001. – Werner Schuder (Hrsg.), Kürschners Deutscher Literatur-Kalender. Nekrolog 1936-1970, West-Berlin 1973. – Silke Steinberg, Über die Zeit hinaus. Ostpreußens Beitrag zur abendländischen Kultur II, Hamburg 1976.
Marco Wachtel, 2017