Biographie

Kleinschmidt, Paul

Herkunft: Pommern
Beruf: Maler, Graphiker
* 31. Juli 1883 in Bublitz/Pommern
† 2. August 1949 in Bensheim

Der Maler und Graphiker Paul Kleinschmidt wurde am 31. Juli 1883 in Bublitz in Pommern geboren. Einen Teil seiner Jugend verbrachte er in Halle an der Saale, wo sein Vater seit 1890 als Variétédirektor tätig war. Seine Mutter war Schauspielerin. Sicher haben die aus diesem Milieu empfangenen Eindrücke die spätere Themenwahl des Malers Kleinschmidt mit beeinflußt. Szenen vom Theater, Zirkus, Ballett, Caféhaus, Barbetrieb nehmen einen gewichtigen Platz in seinem Lebenswerk ein. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg sind solche Themen als hintergründige zeitkritische Metaphern bei Beckmann, Grosz, Dix und anderen Künstlern zu finden. Kleinschmidts Darstellungen der zwanziger Jahre lassen sich durchaus dazu in Parallele setzen, doch dem schonungslosen Seziermesser eines Dix weiß Kleinschmidt positivere Aspekte entgegenzusetzen, für ihn bildet die viele Künstler faszinierende Welt von Theater und Variété nicht allein ein Zeitgleichnis, sondern ist ihm nicht zuletzt aufgrund persönlicher Vertrautheit gleichzeitig eine Welt voll echter Vitalität und Sinnlichkeit. In ihrer Art, differenziert, zuweilen auch ein wenig verfremdet, manchmal mit einem Schuß ins Groteske gesehen, eine Welt voll praller Lebenslust, in der sinnlich gerundete, mächtige Damen, meist nah gesehen, die Königinnen sind – keineswegs nur der Nacht. Durch Stilisierung, Vereinfachung unter Wahrung eines Zuges ins Monumental gewinnen Kleinschmidts Frauendarstellungen etwas Archaisches, Elementares, Matronales. Nicht kritische Distanz, sondern Sympathie kennzeichnet Kleinschmidts Verhältnis zu seinen Geschöpfen. „Was mich verlockte, was Corinth zu sonderbar enthusiastischen Äußerungen hinriß, ist die Wärme des Menschen in Kleinschmidt“, schreibt 1925 der bekannte Kritiker Julius Meier-Graefe. Es nimmt nicht wunder, daß diese Tendenz zur inneren Monumentaliät auch Bilder mit anderer Thematik erfaßt, Landschaften, Städtebilder, selbst Stilleben. Bei einem Aufenthalt 1934 in New York entstehen einige eindrucksvolle, großzügig gemalte Städtebilder. Dominierend bleiben jedoch figürliche Darstellungen.

Neben der Malerei hat sich Kleinschmidt auch als Graphiker einen Namen gemacht, vor allem als expressiver Radierer. Auch hier beschäftigen ihn die gleichen Motive wie in den Gemälden. „Kleinschmidt ist ebenso fern von Romantik wie von Neusachlichkeit“, schreibt Kurt Leonhard in einem Katalogvorwort, „und fast ebenso nahe am Kubismus wie am Impressionismus. Er bewahrt die differenzierte naturgerechte Technik der Impressionisten, verbindet sie mit der bedrängenden Nahsicht, der vordergründigen Tastbarkeit eines kubistischen Körpergefühls. Aber er verwirft sowohl die impressionistische Verflüchtigung als auch die kubistische Zertrümmerung der Gegenstandsform. Seine Methode ist eher die expressive Übertreibung der kompakten Körperlichkeit, und zwar auf Kosten des Raumes. Man vergleiche die Brücke von Arles, wie sie Kleinschmidt malt, mit dem berühmten Bild von van Gogh: beim einen ist alles Enge, Nähe, Gedrängtheit, wo beim andern noch eine fast romantische Weiträumigkeit war. Für Kleinschmidt gibt es keine Flucht in die Ferne – oder gar in die Unendlichkeit –, sondern nur das zwingende Hier und Jetzt. Seine Gestalten sind gleichsam in die Malfläche eingemauert.“

Zum Lebensgang des Künstlers ist noch nachzutragen, daß Kleinschmidt von 1902 bis 1904 in Berlin und München studierte und dann in Berlin seßhaft wurde. Lovis Corinth beeindruckte ihn hier wohl am stärksten. 1923 fand die erste entscheidende Ausstellung statt, die dem Künstler die volle Anerkennung brachte. 1925 folgt bereits die zweite, diesmal in der renommierten Galerie Gurlitt. 1932 verläßt Kleinschmidt Berlin und siedelt sich bei Ulm an. Unter dem wachsenden politischen Druck emigriert der Künstler mit seiner Familie 1936 nach Basel und von dort nach Holland. Er unternimmt mehrere Reisen nach Südfrankreich und bleibt in Frankreich wohnhaft. 1941 Internierung und 1943 zwangsweise Repatriierung nach Deutschland, wo der Künstler seit 1937 zu den von den Nazis verfemten „entarteten Künstlern“ zählt und Malverbot erhält. In Bensheim, wo er nunmehr wohnt, wird Kleinschmidt noch kurz vor dem Ende des Krieges ausgebombt und stirbt dort vier Jahre später am 2. August 1949.