Biographie

Koerber, Nordewin von

Herkunft: Westpreußen
Beruf: Landwirt, Volkstumspolitiker
* 29. März 1885 in Konitz/Westpr.
† 13. Februar 1943 in Altblumenau bei Lessen, Kr. Graudenz

Der Landwirt und Deutschtumspolitiker war der Sohn des Landrats Viktor von Koerber in Konitz. Seine Jugendzeit verlebte er auf der Insel Rügen, und in Stettin besuchte er das Gymnasium. Danach erlernte der spätere Politiker auf größeren Gütern in Pommern, Sachsen und Westpreußen die Landwirtschaft. Es folgten ein Jurastudium in Heidelberg, Berlin und Greifswald, die Promotion 1907 in Heidelberg und 1909 die Übernahme des väterlichen Rittergutes Koerberrode (rd. 750 ha) im Kreis Graudenz. Ersten Weltkrieg war der Jurist und Landwirt Reserveoffizier bei den Demminer Ulanen. Er wurde mit dem Eisernen Kreuz 1. 2. Klasse ausgezeichnet und zum Rittmeister der Reserve befördert. Nach Kriegsende sah er seine westpreußische Heimat gefährdet und begann sich politisch zu betätigen. 1918 bis 1920 gehörte er der Deutschnationalen Volkspartei an. Zusammen mit seinen Freunden gelang ihm noch vor Abtretung der betroffenen westpreußischen Kreise an Polen und gegen zum Teil erheblichen Widerstand anderer politischer Gruppen wie Zentrum und Sozialdemokratie die politische Einigung der bürgerlichen Parteien durch Gründung der „Deutschen Partei – Vereinigung des deutschen Volkstums in Polen“, auch Vereinigung der deutschen Volkstumsbünde oder kurz Volkstumsbund genannt. Als seine Heimat im Januar 1920 an Polen kam, war der Koerberroder Gutsherr in Deutschland. Er kämpfte ein halbes Jahr, bis ihm die Wiedereinreise ins Kulmer Land gestattet wurde. Koerberrode lag drei nur Kilometer jenseits der neuen Reichsgrenze. Vom Familienbesitz Koerberrode aus entwickelte er eine intensive Tätigkeit im Graudenzer Deutschtumsbund. Nordewin von Koerber wurde Aufsichtsratsmitglied der polnischen Roggenbank und später des Kreditverbandes Weichselgau. Er sorgte für die Errichtung unabhängiger deutscher Bankinstitute und Genossenschaften und vorsorglich für die Überführung der bodenständigen deutschen Versicherungen auf eine italienische Großversicherung mit Sitz in Dirschau. Ihm ging es um die Erhaltung des Deutschtums im abgetretenen westpreußischen Landesteil. Daher war er gegen die Wahrung der im Versailler Vertrag garantierten Optionsmöglichkeit, weil sich daran in der Regel die Zwangsübersiedlung in das Reich anschloß.

1920 kandidierte Nordewin von Koerber auf der deutschen Liste ohne Erfolg für den Warschauer Sejm. Ausweisungsbestrebungen der polnischen Behörden konnte sich der gelernte Jurist in langwierigen Prozessen widersetzen, die bis zum Internationalen Gerichtshof in Genf führten. Der Deutschtumspolitiker war 1923 auch erfolgreich, als er gegen die Aberkennung seiner polnischen Staatsangehörigkeit vorging. Als der Deutschtumsbund 1924 aufgelöst wurde, verlagerte sich die Deutschtumsarbeit stark auf den „Landbund Weichselgau“, eine berufsständische Organisation, der der Koerberroder Gutsherr vorstand.

Vorsitzender in dieser Organisation zu sein, bedeutete, das Deutschtum nicht nur nach außen und gegenüber den Behörden zu vertreten, sondern auch hilfesuchenden Landsleuten mit Rat und zur Seite zu stehen. Fast immer ging es dabei um die Existenz des Einzelnen und den Verbleib in der Heimat. 1928 wurde von Koerber als Kandidat der deutschen Minderheit mit der höchsten Stimmenzahl aller Mandatsbewerber im damaligen Stimmbezirk Pommerellen in den Sejm gewählt. Hier wurde er Mitglied der Sejmkommission für Rechtsfragen. Er engagierte sich als Abgeordneter auch im Block der nationalen Minderheiten (Ukrainer, Juden, Weißrussen, Deutsche u.a.). Bei der Neuwahl 1930 wurde die deutsche Liste im Kr. Graudenz aus formalen Gründen gestrichen. Es wurden in Polen, vor allem infolge einer Wahlkreisänderung, statt 19 und fünf nur noch fünf deutsche Sejmabgeordnete und drei deutsche Senatoren gewählt. In der Weltwirtschaftskrise, die sich bekanntlich stark auch auf die Landwirtschaft im Zwischenkriegspolen auswirkte, half der Abgeordnete von Koerber Wege zu finden, um die deutschen Bauern 1930 auf dem Höhepunkt der Agrarkrise nicht untergehen zu lassen. Das Deutsche Reich kaufte damals in Danzig zu erträglichen Preisen aus Polen nach dort exportierte deutsche Agrarprodukte. Als Polen seine sogenannte Agrarreform zu Lasten des deutschen Grundbesitzes 1929 einleitete, was einer Enteignung gleichkam, und damit verbunden die Fortsetzung der Entdeutschung des Landes, trat von Koerber dem mit besonderem Einsatz entgegen. Dabei gelang es ihm auch, die für Koerberrode vorgesehene Enteignungsfläche von 500 Hektar auf 150 zu reduzieren, weil das Gut durch intensive Bewirtschaftung zu einem anerkannten Musterbetrieb geworden war. Nordewin von Koerber war ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Gefahren für sich und seinen Besitz überall tätig, wo er seinen Landsleuten eine Hilfe sein konnte. Er gehörte der deutschen Kreditkommission für Pommerellen an, war Mitglied im Aufsichtrat der Deutschen Volksbank und im Vorstand der Deutschen Schulvereinigung. Nach dem deutsch-polnischen Nichtangriffspakt von 1934 wurde die Deutsche Vereinigung gegründet und Nordewin von Koerber Vorsitzender für Stadt und Kreis Graudenz. Wer für das Deutschtum eintrat, mußte mit Behinderungen und auch mit gegen ihn angestrengten Gerichtsverfahren rechnen. So wurden gegen Nordewin von Koerber in den Jahren 1934 bis 1939 sechzehn gerichtliche Verfahren eingeleitet, die alle mit Hilfe polnischer Anwälte zu Freisprüchen führten. Das Grenzzonengesetz von 1937 war endlich eine Handhabe für die Behörden, Nordewin von Koerber im Frühjahr 1939 aus der Heimat auszuweisen. Nachts und ohne Gepäck verließ er Koerberrode, um einer Verhaftung zu entgehen. Seine Angehörigen wurden im Sommer 1939 ausgewiesen, zusammen mit der Familie seines Oberinspektors Karl Siebert. Eine polnische Kommission übernahm die Zwangsverwaltung des Gutes.

Bei Kriegsausbruch 1939 betrat Nordewin von Koerber mit den ersten deutschen Truppen wieder seine engere Heimat. Er wurde Landwirtschaftsoffizier beim Wehrbezirkskommando in Graudenz, zuletzt als Major d.R., und erhielt verschiedene Sonderaufträge in anderen Teilen Westpreußens. Dazu gehörte es, aus Westpreußen verschlepptes Zuchtvieh, entführte Pferde und Gerätschaften aufzuspüren und auch die Akten des Landratsamtes Graudenz, die Herdbücher und anderes zurückzuführen. Sein Tod kam für alle überraschend, als er beim Brand des Wohnhauses der ältesten Tochter in Altblumenau bei Lessen/Kr. Graudenz zusammen mit der Feuerwehr die Löscharbeiten leitete und dabei tödlich verunglückte. Die Beerdigung fand am 18. Februar 1943 statt. Trotz Sturms und eisiger Kälte begleiteten mehr als 1000 Landsleute Nordewin von Koerber zur letzten Ruhestätte, der Erbbegräbnisstätte der Familie. Er wurde mit militärischen Ehren am Ende der langen Koerberroder Eichenallee beigesetzt, während fast zur gleichen Zeit einer der vier Söhne in Rußland den Tod fand. Sein alter Freund Ervin Hasbach, bis 1939 als Vertreter der deutschen Minderheit Senator in Warschau, hielt die Grabrede.

Lit.: Nordewin von Diest-Koerber, Gerhart Meißner und Hans-Jürgen Schuch: Die Stadt und der Landkreis Graudenz, Osnabrück 1976. – Wilfried von Koerber: Das Rittergut Koerberrode, in: Der Westpreuße Nr. 3/80. – Hans-Jürgen Schuch: Nordewin von Koerber, Deutschtumspolitiker – Landwirt – Jurist – Sejm-Abgeordneter, in: Der Westpreuße Nr. 6/85. – Von Reval bis Bukarest. Statistisch-Biographisches Handbuch der Parlamentarier der deutschen Minderheiten in Ostmittel- und Südosteuropa 1919- 1945; Bde. l und 2, hrsg. von Mads Ole Balling. Kopenhagen 1991.

Bild: Nordewin von Koerber um 1940.