Biographie

Schütz, Helga

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Landschaftsgärtnerin, Schriftstellerin
* 2. Oktober 1937 in Falkenhain/ Niederschlesien

Die Schriftstellerin Helga Schütz wurde am 2. Oktober 1937 in Falkenhain/ Bober-Katzbachgebirge geboren, kam aber 1944 zu ihren Großeltern nach Dresden in Sachsen, wo sie aufwuchs und den Bombenangriff britischer und amerikanischer Flugzeuge vom 13. bis 15. Februar 1945 miterlebte. Nach Beendigung der Volksschule 1952 machte sie eine Gärtnerlehre und arbeitete danach als Landschaftsgärtnerin. Von 1955 bis 1958 besuchte sie in Potsdam, wo sie inzwischen lebte, die Arbeiter- und Bauernfakultät, um nach dem Abitur Dramaturgie an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg zu studieren, was sie mit einem Diplom abschloss. Seit 1962 arbeitete sie als Drehbuchautorin für die DEFA, zunächst im Dokumentarfilmsektor.

Seit 1965 arbeitete sie eng mit dem Regisseur Egon Günther (1927-2017) zusammen, der auch ihr Lebensgefährte wurde. Er stammte aus Schneeberg im Erzgebirge und hatte in der kurzen „Tauwetter“-Periode 1956/57 zwei von der Partei heftig kritisierte Erzählungen Dem Erdboden gleich (1957) und Der kretische Krieg (1957) veröffentlicht, worin er seine Kriegserlebnisse verarbeitet hatte. Helga Schütz schrieb 27 Drehbücher für DEFA-Spielfilme und TV-Produktionen wie Lots Weib (1965) und Ursula (1978), die überwiegend von Eberhard Günther realisiert wurden. Seit 1993, nach dem Mauerfall von 1989, hatte sie auch eine Professur an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam inne.

Mit 33 Jahren begann sie, auch Prosatexte zu veröffentlichen. Schon in ihrer ersten Erzählung Vorgeschichten oder schöne Gegend Probstein (1971) schnitt sie das Thema „Schlesien“ an. Am leicht ironischen Titel, der dem Leser Distanz vermittelt, erkennt man, dass sie dort, wo sie lebte, in der DDR, nur so über Schlesien schreiben konnte. Bezeichnend ist, was die Distanz zu Schlesien noch augenfälliger macht, dass sie nach einer Schlesien-Reise ein Polnisches Tagebuch (1972) veröffentlichte, während die Aufzeichnungen ihrer in Meersburg/ Bodensee lebenden Landsmännin Monika Taubitz, geboren 1937 in Breslau, den Titel Schlesien. Tagebuch einer Reise (1973) trugen.

Helga Schütz‘ erste Erzählung spielt in ihrer verlorenen Heimat, im Dorf Spitzbergen, das im Bober-Katzbach-Gebirge liegt, dessen Einwohner wie alle Schlesier 1945/46 vertrieben wurden. Nun wohnen die einstigen Spitzbergener im Harz, aber auf verschiedenen Seiten der innerdeutschen Grenze, sie stehen miteinander in Verbindung, tauschen sich brieflich aus und besuchen einander, wenn es erlaubt ist.

Helga Schütz hat in den Jahren 1971 bis 2017 elf Romane und Erzählungsbände veröffentlicht, in denen Schlesien immer wieder erwähnt wird, wenn auch nur andeutungsweise, zum Beispiel in den Prosatexten Das Erdbeben bei Sangerhausen (1972) und Festbeleuchtung (1974). In ihrer letzten Erzählung Die Kirschendiebin (2017) schildert sie die Wiederbegegnung zweier alter Leute, die vor einem halben Jahrhundert einmal ineinander verliebt waren. Der männliche Held trägt den Nachnamen Falkenhain, so heißt auch der schlesische Geburtsort der Autorin.

Leider ist das literarische Werk der stillen Schlesierin Helga Schütz von der westdeutschen Literaturkritik kaum wahrgenommen worden, obwohl sie in ihrem Staat mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde. So erhielt sie 1968 den Heinrich-Greif-Preis, 1973 den Heinrich-Mann-Preis, 1974 den Theodor-Fontane-Preis des DDR-Bezirks Potsdam, 1992 den Brandenburgischen Literaturpreis, 1991 wurde sie Stadtschreiberin in Mainz, der Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz. Am 26. Januar 2018 wurde sie zur Ehrenbürgerin der Stadt Potsdam ernannt.

Werke: Vorgeschichte oder schöne Gegend Probstein, Ostberlin 1971. – Das Erdbeben bei Sangerhausen, Ostberlin 1972. – Festbeleuchtung, Ostberlin 1974. – Jette in Dresden, Ostberlin 1977. – Julia oder Erziehung zum Chorgesang, Ostberlin 1980. – Martin Luther. Eine Erzählung für den Film, Ostberlin 1983. – In Annas Namen, Ostberlin 1986. – Heimat, süße Heimat, Berlin 1992. – Vom Glanz der Elbe, Berlin 1995. – Grenze zum gestrigen Tag, Berlin 2000. – Knietief im Paradies, Berlin 2005. – Sepia, Berlin 2012. – Die Kirschendiebin, Berlin 2017.

Lit.: Wolfgang Gabler, Helga Schütz, in: Literatur der Deutschen Demokratischen Republik. Einzeldarstellungen, Ostberlin 1987, S. 369-385. – Cornelia Geißler, Helga Schütz: Im Land geblieben, in Emma 335, November/ Dezember 2017, Seite 18f.

Bild: Cover „Die Kirschendiebin“, wie oben.

Jörg Bernhard Bilke