Biographie

Steinberg, Werner (Udo Grebnitz)

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Schriftsteller, Dramatiker, Lektor
* 18. April 1913 in Neurode, Grafschaft Glatz/Schlesien
† 25. April 1992 in Dessau

Werner Steinbergs Schreibbiographie beginnt im Jahr 1940 mit Unterhaltungsliteratur; als ernstzunehmender Autor wahrge­nom­men wird er erst im erst im vierten Lebensjahr­zehnt: Sein Heine-Roman Der Tag ist in die Nacht verliebt erreicht in beiden deutschen Staaten ein breites Leserpublikum, und in den 1950er und 1960er Jahren gehört Steinberg zu den beliebtesten Autoren in der DDR. Das macht: Die Handlung seiner Romane ist überschaubar und dabei spannend, der Stil flott, ohne „dunkle Stellen“. Man merkt, dass ein medienerfahrener Verfasser am Werk ist, der weiß, was er dem Publikum zumuten kann. Es überrascht, dass in der Bibliographie auch ein Briefwechsel mit Arno Schmidt aus den 1950er Jahren zu finden ist, dessen ästhetische Konzeption der Steinbergsche so völlig entgegengesetzt erscheint.

Aber reich an Gegensätzen ist auch der Lebensweg Werner Steinbergs gewesen:

Der Sohn eines Spediteurs besucht nach dem Tod des Vaters im Jahr 1921 eine Aufbauschule in Breslau. Dort gerät er unter den Einfluss eines linksgerichteten Lehrers, der nicht nur seine Begabung zum Schreiben entdeckt, sondern ihn auch auf die Lehren von Marx und Engels hinweist. Das war etwa 1929. Im Jahr 1933 legt Steinberg die Abiturprüfung ab. Bereits als Schüler schließt er sich einer sozialistischen Schülervereinigung an und wird 1932 KPD-Mitglied. Seine ersten journalistischen Sporen verdiente er sich in linken Publikationsorganen.

Dem Abitur folgte ein Pädagogikstudium zunächst in Elbing. Es wird an der Hochschule für Lehrerbildung in Hirschberg fortgesetzt. In diese Zeit fällt Steinbergs Gestapo-Haft wegen antifaschistischer Aktionen. Er verbüßt dafür drei Jahre Jugendgefängnis in Breslau. Erstaunlicherweise kommt er nach der Haftentlassung bei der Presse unter, arbeitet zunächst als einfacher Büroangestellter, bald schon als Redakteur und Lektor. Da Steinberg von der Wehrmacht ausgemustert ist, kann er sich als literarischer Autor etablieren. Er wird ein erfolgreicher Verfasser von Unterhaltungsromanen – zwischen 1940 und 1944 erscheinen in rascher Folge neun Bücher; vorwiegend in einem Breslauer Verlag.

Steinberg, der seit 1939 verheiratet ist, flieht mit seiner Familie 1945 aus Schlesien nach Schwaben und findet wiederum eine Anstellung als Journalist. Er beginnt im Winter 1948/49 „zögernd mit der Niederschrift jenes Buches, das später unter dem Titel ‘Als die Uhren stehenblieben’ veröffentlicht wurde, eines Buches, mit dem ich zeigen wollte, wie der Faschismus den Menschen erniedrigt und zerstört.“ (Der Prozess um Jutta Münch, Berlin 1960, S. 13). Die Arbeit am Roman zieht sich hin, wird durch einen mehrmonatigen Aufenthalt in einem Lungensanatorium unterbrochen. Dieser Sanatoriumsaufenthalt bildet 1961 die stoffliche Grundlage für den Roman Hinter dem Weltende. Der Breslau-Roman erscheint 1955 in einem Stuttgarter Verlag.

Seine politische Orientierung hat Steinberg offenkundig nicht geändert – er ist wiederum Mitglied der KPD und schreibt seit 1953 für die Deutsche Volkszeitung, ein der Kommunistischen Partei der BRD wie der SED nahestehendes (und aus der DDR finanziell unterstütztes) linkes Blatt. So liegt es nahe, dass Steinberg nach dem KPD-Verbot 1956 nach Leipzig übersiedelt. Hier bekommt er (im Unterschied zu den letzten Jahren in der Bundesrepublik) ideale Publikationsmöglichkeiten. Sein Roman vom Untergang der Stadt Breslau erscheint 1957 im Mitteldeutschen Verlag Halle, der für viele Jahre die verlegerische Heimat Steinbergs bleibt. Lediglich der Heine-Roman Der Tag ist in die Nacht verliebt ist sowohl 1955 in Stuttgart als auch 1959 in Halle verlegt worden, wo er bis 1975 mehr als 17 Auflagen erlebt hat. Gleichzeitig mit der DDR-Edition erscheint in einem Hamburger Verlag eine Lizenzausgabe, die wiederum die Kölner Neue Illustrierte veranlasst, sich um die Rechte für einen Fortsetzungsnachdruck des Romans zu bemühen. Steinberg sagt zu – nicht ahnend, dass sein Text nur „Rohmaterial“ für einen Illustriertenroman mit gänzlich anderer Aussage darstellen soll. Die tendenziöse Bearbeitung von Steinbergs Text mündete in einen langwierigen Rechtsstreit zwischen Autor und Zeitungsverlag, den Steinberg in Der Prozess um Jutta Münch, Schicksal eines Romans (Berlin 1960) dokumentiert. In diesem Sachbuch zeigt Steinberg nicht nur, welche Änderungen in Figurenanlage und Konfliktgestaltung vorgenommen worden sind, sondern erläutert auch ausführlich seine eigene ideologische Position. Insbesondere rechnet er mit dem Antikommunismus der Fälscher ab. Das liest sich dann so: „Der westdeutsche Normalverbraucher weiß tatsächlich nicht, wie weit die Reorganisation des Neofaschismus in Westdeutschland bereits gediehen ist und daß die westdeutschen Faschisten tatsächlich die ideologische Kampftruppe des internationalen Neofaschismus geworden sind.“ Das klingt wie ein Zitat aus dem „Studienmaterial“ zum SED-Partei­lehrjahr und erklärt, warum Steinberg in der DDR schnell zu einem Erfolgsautor geworden ist, dessen Bibliographie für die Jahre zwischen 1957 und 1988 über 20 Titel verzeichnet – darunter auch drei Fortsetzungsromane zu dem Breslau-Buch, die zusammen den Deutschland-Zyklus bilden: Einzug der Gladiatoren (1958) Wasser aus trockenen Brunnen (1962) und Ohne Pauken und Trompeten (1963). In ihnen wird die Vita der weiblichen Protagonistin aus dem Breslau-Roman bis zum Bau der Berliner Mauer fortgeschrieben.

Als Mitglied des „Deutschen Friedenrates“ setzt Steinberg in der DDR sein politisches Engagement fort, gerät allerdings nach der Biermann-Ausbürgerung 1976 partiell in Widerspruch zur kulturpolitischen Linie der SED, ohne jedoch an den öffentlichen Debatten teilzunehmen.

Seit der politischen Wende 1989 tendiert das Leserinteresse an Steinbergs Werk gegen Null. Die letzten Lebensjahre des Autors (der inzwischen von Leipzig nach Dessau gezogen ist und zum vierten Mal geheiratet hat) werden überschattet von Krankheit und finanziellen Problemen.

Bild: Reutlinger Autoren des 20. Jahrhunderts, Wikipedia.

Elke Mehnert