Josef Turmler wurde am 21. Oktober 1887 als jüngstes von sechs indem des Mathias Tumler und seiner Frau Monika geb. Daniel auf dem seit über einem Jahrhundert in Familienbesitz befindlichen Hof „Kopf am Egg“ in Nördersberg bei Schlanders im Vintschgau (Südtirol) geboren. Durch die Förderung eines Priesters konnte er ab 1899 das Bozner Franziskaner-Gymnasium „Johanneum“ besuchen. Der wenig ältere Novize Fr. Arbogast Reiterer bewog ihn 1903 zum Eintritt in den Deutschen Orden, wo nach einjährigem Noviziat die einfache, 1909 die ewigen Gelübde ablegte. Im Folgejahr empfing er nach Abschluß des Theologiestudiums in Brixen im dortigen Dom durch Fürstbischof Dr. Josef Altenweisel die Priesterweihe.
Neben der Tätigkeit als Kooperator in Burgstall bei Lana legte er 1915 als Externer die Reifeprüfung in Bozen „mit Auszeichnung“ ab und studierte anschließend an der philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck Geschichte und Geographie, neben gleichzeitiger Pfarrarbeit in Sarnthein bei Bozen und Unterricht am Institut der Englischen Fräulein in Meran, erschwert durch die neue Grenzziehung infolge des Ersten Weltkrieges. 1922 promovierte er mit einer – leider verlorenen – Arbeit über „Das Hospiz zu Lengmoos“.
Der Archivar des Ordens in Wien, Dr. Vinzenz Schindler, veranlaßte 1923 die Berufung Turniers nach Wien als Vikar der damals noch selbständigen Ordenspfarre St. Elisabeth (neben dem Stephansdom) und gleichzeitig als zweiten Archivar. 1925 wurde er zum Prosynodalrichter der Diözese Wien ernannt, gleichzeitig zum Großkapitular des Ordens gewählt, ein Jahr später zum sachlichen Beirat des in Österreichisch-Schlesien residierenden Hochmeisters P. Dr. Norbert Klein ernannt, 1930 zum 2. Generalrat des Ordens gewählt, 1933 dann zum 1. Generalrat und damit Hochmeisterstellvertreter.
In diesen Funktionen war er maßgeblich beteiligt nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie an der Umwandlung des Ritterordens in einen klerikalen Orden ab 1923, der 1929 abgeschlossenen Neufassung der Regeln für Brüder und Schwestern des Ordens sowie der Bewältigung der gerade die umfangreichen Ordensbesitzungen in Österreichisch-Schlesien (Freudenthal, Troppau) hart treffenden Weltwirtschaftskrise, was zusätzlich auf dem Hintergrund des deutsch-tschechischen Gegensatzes in der jungen CSR zu sehen ist; seit dem Ersten Weltkrieg wirkte der Orden in vier Nachfolgestaaten des habsburgischen Reiches! Gleichzeitig leistete er als Wissenschaftler wichtigste Grundlagenarbeit. Das im 19. Jahrhundert begründete Wiener Zentralarchiv des Deutschen Ordens hatte seit der ersten Vorstellung der Urkunden in Regestenform 1887 allein diesen Bestand vervierfacht auf ca. 12000 Urkunden, die er ordnete und regestierte; erst jetzt wird dieses Manuskript zum Druck vorbereitet, doch ist es schon seit langem eine der wichtigsten Arbeitsgrundlagen der Archivbenutzer für alle Ordensthemen einschließlich Preußen und Livland. Daneben verfaßte er eine Geschichte des Ordens bis 1400, die infolge der Kriegsereignisse erst 1955 erschien, aber nach wie vor ein Standardwerk darstellt (Der Deutsche Orden im Werden, Wachsen und Wirken bis 1400, Wien 1955). Eine kurze Gesamtgeschichte des Ordens bis zur Gegenwart erschien 1948 (2. Aufl. 1955), von Udo Arnold völlig überarbeitet in 1. Auflage 1974, in 4. Auflage 1986; es ist die einzige Gesamtdarstellung des Ordens auf neuerem Forschungsstand. Kleinere Arbeiten treten dahinter zurück. Die Aufhebung des Ordens durch die Nationalsozialisten 1938 in Österreich und 1939 in Österreichisch-Schlesien, Verfolgung und Vertreibung des Ordens in der CSSR und in Jugoslawien bedingten nach dem Krieg einen völligen Neuaufbau, den Turnier ab 1948 bis1970 als Hochmeister leitete. Die Wiedereinweisung in den enteignetenösterreichischen Besitz, die Rückkehr nach Deutschland seit der Vertreibung durch Napoleon 1809, der Zusammenhalt des Priester- und des Schwesternzweiges sowie der Aufbau des Familarenzweiges des Ordens sind wesentliche Verdienste für die Ordensexistenz. Die Wissenschaft hat ihm für seine entsagungsvolle Tätigkeit im Archiv und sein Standardwerk zu danken sowie für die unterstützende Zustimmung zur Gründung einer Ordensbuchreihe 1966, von der inzwischen 35 Bände vorliegen (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens).
Nach der völligen Neuredaktion der Ordensregel 1970 trat er zurück, blieb jedoch Mitglied des Generalrats und Kustos der Schatzkammer des Ordens in Wien bis heute. Trotz vieler Ehrungen und persönlicher Jubiläen bot die Verbindung von Amt und Mensch nie ein nach außen sichtbares Problem. Menschenkenntnis und Verständnis, gepaart mit der bodenständigen Form der Lebensbewältigung des „Vintschgers“ und regem Interesse an der Gegenwart und Vergangenheit des Ordens sind noch immer Charaktereigenschaften, die – auch wenn es still um Turnier wurde – ihn in den Augen der Ordensmitglieder und Freunde auszeichnen. Obwohl Südtiroler, sah er den Orden stets als Einheit, in seiner erlebten und mitgestalteten Gegenwart von Troppau bis Rom, in der Vergangenheit von Narwa bis Jerusalem. Man geht sicher nicht fehl, wenn man ihn schon jetzt unter die großen Hochmeister des Ordens einreiht.
Lit.: Karl H. Lampe, In honorem Patris Mariani, in: Acht Jahrhunderte Deutscher Orden, hg. v. Klemens Wieser, Bad Godesberg 1967 (Festschrift zum 80. Geburtstag); Udo Arnold, Anstelle eines Vorworts, in: Von Akkon bis Wien. Studien zur Deutsch-Ordensgeschichte vom 13. bis zum 20. Jahrhundert, hg. v. Udo Arnold, Marburg 1978 Festschrift zum 90. Geburtstag); Gerard Müller, Marian Tumler und die Wiedererweckung des Familiareninstituts 1929-1939, in: ebd.; ders., Die Familiaren des Deutschen Ordens, Marburg 1980 (alle Werke: Quellen und Studien zur Geschichte des Ordens 1. 20. 13).