Fachtagung / Internationale Konferenz / Kolloquium / Tagung, 11. - 14.08.2023

Deutsche Kunst- und Kulturgeschichte in Livland, Estland und Kurland und dessen grenzüberschreiende verbindende Rolle

Künstler als Brückenbauer Vordenker hin zu einem vereinten Europa Grenzüberschreitende Kulturvermittlung als Instrument der Völkerverständigung
Riga, 11. bis 14. August 2023

 

Das Baltikum ist wie keine zweite Region bis hin zur Gegenwart einer wechselvollen Geschichte ausgesetzt. Als Spielball geopolitischer Interessen konnten die drei baltischen Staaten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ihre Unabhängigkeit erringen und wurden Mitglieder der Europäischen Union. Eine Unabhängigkeit, die vom Putinschen Narrativ der Wiederherstellung eines Großrussischen Reiches, einhergehend mit dem Narrativ eines einzig und allein gültigen russischen Kulturaumes, im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine in Frage gestellt wird.

Baltische Länder © Quelle: Die Baltische Rundschau online

Die baltischen Länder verfügen sehr wohl über einen eigenen wissenschaftlich belegbaren Jahrhunderte alten Kulturraum einen Kulturraum der in besonderem Maße mit der im Mittelalter angefangenen Besiedlung durch den Deutschen Orden verflechtet ist. Besonderheit des Baltikums im Hinblick auf diese Wechselbeziehung ist auch, dass im Zuge des mit der Umsiedlung deutscher Siedlungsgemeinschaften im östlichen Europa verbundenen nationalsozialistischen imperialistischen Größenwahns, und in Folge der Deportationen unter Stalin ein großer Teil der heute im Baltikum lebenden deutschen Minderheit aus der heutigen Ukraine, darunter Wolyniendeutsche, stammt.

Die Rolle von Künstlern als Brückenbauer, verstanden als Vordenker hin zu einem vereinten Europa und eine heute, nach dem 24. Februar 2022, aktueller
denn je grenzüberschreitenden Kulturvermittlung als Instrument der
Völkerverständigung soll Inhalt des von der Kulturstiftung ausgerichteten internationalen Kolloquiums sein.

Johann Christoph Brotze © Quelle: University of Latvia Academic Library

Historischer Ausgangspunkt ist Johann Christoph Brotze (17421823), der nicht nur ein herausragender kultureller Vermittler zwischen dem alten deutschen Sprach und Kulturraum und dem Baltikum ist, sondern zugleich eine durchaus einzigartige Gestalt als Pädagoge und Künstler in der baltischen Region und im gesamten Baltikum auch heute noch hoch verehrt wird. Anlässlich seines 200. Todestages, der gebürtigen Görlitzer (damals Niederschlesien / heute Freistaat Sachsen) verstarb 1823 in Riga, soll ein internationales Kolloquium deutscher, lettischer, estnischer und litauischer Wissenschaftler, Vertretern von „Heimatvertriebenen und Heimatverbliebenen“ und weiteren Persönlichkeiten in der Akademischen Bibliothek der Universität Lettlands (LU Akadēmiskā bibliotēka) stattfinden.

Im Rahmen des Kolloquium soll als künstlerischer Ausdruck der lkerverständigenden Kraft der Kultur in der Alten St. Gertrudkirche ein Friedenskonzert mit Chören aus Lettland, Estland, Lettland, Litauen, Deutschland und auch aus der Ukraine stattfinden, die das Liederfest der deutschen Minderheit im Baltikum begehen, und über das die hessische Europaministerin Lucia Puttrich sich bereit erklärt hat die Schirmherrschaft zu übernehmen. Auf diese Weise wird auch vor Ort einer breiteren Öffentlichkeit die baltischdeutschen Kulturkontakte bis hin in die heutige Zeit näher vermittelt.

Gerade die Jahrzehnte um und besonders nach 1800 werden für Litauen, Lettland und Estland oftmals unter dem Siegel des nationalen Erwachens in Kultur und Kunst betrachtet. Das Kolloquium will aufzeigen, dass die engen
Kontakte zum deutschen Sprach und Kulturraum dabei keineswegs abgebrochen wurden, vielmehr fruchtbar weiterwirkten und zwar nicht nur nebeneinander, vielmehr auch Ethnien und Nationalitäten übergreifend. Kunst
und Kultur bzw. Künstler und Kulturproduzenten bauten in der Tat Brücken, die heute noch zwischen Deutschland und den drei baltischen Staaten tragfähig sind. Von 1764 bis 1769 war u.a. auch Johann Gottfried Herder an der Domschule in Riga tätig gewesen und der deutsche Komponist Richard Wagner verbrachte in Riga ab 1837 zwei Jahre als Musikdirektor. Das deutschsprachige Theater in Riga war ein kulturelles Zentrum, hier gastierten in der ersten Hälfte des 19. Jhr. auch Franz Liszt, Clara Schumann, Anton Rubinstein und Wilhelmine SchröderDevrient.

Das Kolloquium wird am Freitag, den 11. August, um 17 Uhr festlich eröffnet. Nach offiziellen Grußadressen folgt eine kurze historische Einleitung in die Tagungsthematik von Dr. Aija Taimiņa, Abteilungsleiterin für seltene Bücher
und Handschriften in der Akademischen Bibliothek der Universität Lettlands (LU Akadēmiskā bibliotēka) und beste Kennerin von Brotze.

Das eigentliche Kolloquium findet am Samstag, 12. August, und Sonntag, 13. August, in der Akademischen Bibliothek der Universität Lettlands (LU Akadēmiskā bibliotēka) statt und ist für eine breite einheimische Öffentlichkeit geöffnet. Am Samstag steht der Vormittag im Zeichen Brotzes: Dr. Taimiņa wird mit einem Vortrag Leben, Wirken und Werk vorstellen und anschließend durch eine eigens für dieses Kolloquium organisierte Ausstellung von Zeichnungen und Manuskripten Brotzes führen. Gerade seine über 2.000 Zeichnungen von Gebäuden und anderen Realien aus dem ehemaligen Livland machen Brotze ja zu einem singulären Zeitzeugen der Region und Brückenbauer im gesamten Baltikum und über dessen Grenzen im Geiste der Völkerverständigung hinaus.

Der Nachmittag des 12. August und der Vormittag des 13. August widmen sich in Vorträgen und einer Podiumsdiskussion deutscher, estnischer, lettischer und litauischer Wissenschaftler den kulturellen Artefakten und damit den verschiedenen Objekten kultureller Erinnerung , die den grenzüberschreitenden, Menschen, ja Völker verbindenden Gedanken in Bildung, Architektur, Musik, bildender Kunst und Literatur der Region
aufgreifen und exemplifizieren werden.

Entstehen soll ein Panorama von Kunst und Kultur der Jahrzehnte um 1800, in dem Lehrer und Künstler wie Brotze, Musiker, Schriftsteller, bildende Künstler und Architekten in ihrer Funktion und Wirkung als kulturelle Vermittler herauszuarbeiten sind. Dabei ist stets zu bedenken, dass der größere Teil dieser heute politisch als Baltikum zusammengefassten Region Europas vom russländischen Zarenreich und in Folge von der Sowjetunion okkupiert war ein Aspekt, der heute leider bewusster geworden ist, seit Putins durch nichts zu rechtfertigenden Angriffskrieges auf die Ukraine, motiviert durch dessen imperialistische geopolitische Interessen, die er aber auch durch das Narrativ russischer Kulturräume zu rechtfertigen versucht.

Den Abschluss des Kolloquiums soll am Nachmittag des 13. August sodann ein Blick in die Gegenwart bieten: In einer offenen Diskussionsrunde u.a. mit dem ehemaligen lettischen Staatspräsidenten
Levits, soll es darum gehen, die Rolle der Erinnerungskultur für die regionalen und nationalen Identitäten der Gegenwart zu betrachten und dabei insonderheit auch die aktuelle Bedeutung von Kunst und Kultur, unter Einbezug der Medien, in den drei eng mit Deutschland verbundenen Staaten an der Grenze zu Russland und Belarus zu reflektieren. Brotze hat schon um 1800 gezeigt, dass Künstler nicht nur Brücken bauen, vielmehr tragen sie entscheidend zur Resilienz von Gesellschaften und zur Völkerverständigung bei.

Die Veranstaltung wird in enger und kooperativer Zusammenarbeit mit dem Verband der Deutschen in Lettland organisiert und durchgeführt.

An der Veranstaltung können Sie auch per Live-Stream teilnehmen: https://bit.ly/kulturstiftungvideo


Bitte beachten Sie den Zeitunterschied zwischen mitteleuropäischer Zeit und der Uhrzeit in den baltischen Ländern – der Unterschied beträgt eine Stunde.

 

 

 

 

 

 

 

Sollten Sie an der Veranstaltung in Präsenz teilnehmen wollen, wenden Sie sich bitte an den Geschäftsführer Thomas Konhäuser: thomas.konhaeuser@kulturstiftung.org

Zum Programm des Internationales Kolloquiums „Künstler als Brückenbauer“ in Riga gelangen Sie hier

 

Die Teilnahme des Chors aus der Ukraine am Friedenskonzert wird finanziell vom Sächsischen Ministerium des Innern gefördert. 

Das Kolloquium wird vom Bundesministerium des Innern finanziell gefördert.