Ereignis vom 4. Februar 1723

Gründung der Ostpreussischen Kriegs- und Domänenkammer zu Königsberg und die Einrichtung einer Kammerdeputation für Gumbinnen

König Fridrich Wilhelm I von Preussen (1688-1740)

Die Ostpreußische Kriegs- und Domänenkammer zu Königs-berg wurde am 4. Februar 1723 im Zuge der Neuorganisation der Verwaltung in allen Teilen der preußischen Monarchie gegründet, um im Hinblick auf die Machtzentralisierung eine größere Transparenz und Effektivität für die Wirtschafts- und Finanzverwaltung des Staates durchzusetzen, ein Schritt zur Bildung moderner Finanzministerien. Nach ersten Versuchen unter Friedrich I. leitet Friedrich Wilhelm I. die Verwaltungsreform 1714 ein, deren Ziel in der Vereinigung der provinzialen Steuer- und Domänenverwaltung lag. Der Landesherr schuf die neue Verwaltung gegen die überkommenen Ansprüche der adligen Stände, deren Interessen weiterhin von der Preußischen Regierung, der ehemaligen herzoglichen Oberratsstube, vertreten wurden. Karl Heinrich Erztruchsess Graf zu Waldburg stellte nach Untersuchung der Steuer- und Wirtschaftsverfassung des Landes die Ungerechtigkeit des bisherigen Steuersystems her-aus und schlug in seiner Denkschrift 1714 vor, eine Generalhufenschoßsteuer verpflichtend für alle einzuführen und besondere Steuern, wie Kopf- und Viehsteuern, abzuschaffen, um dadurch die kleinbäuerliche Landbevölkerung zu entlasten. Unter seiner Leitung – als Präsident der obersten Steuerbehörde des Landes, dem Kriegskommissariat – nahm die Generalhufenschoßkommission die Neueinschätzung des gesamten Grundbesitzes vor. Im Ergebnis der Arbeit wurde der Adel künftig stärker belastet. Voraussetzungen für die wirtschaftliche Förderung des Landes und eine sozial gerechtere Steuer-verwaltung waren geschaffen (s. OGT 1989, S. 239-243).

Die Vorgängerbehörden der Kriegs- und Domänenkammer, die Amtskammer, welche sich aus der bei der Provinzialregierung bestehenden Rechnungskammer verselbständigt hatte, und das Kriegskommissariat, entsprachen den zweifachen Finanz-quellen des Staates. Sie agierten mit weitgehender Unabhängigkeit, so dass die preußische Regierung in Wirtschafts- und Finanzfragen nicht mehr unmittelbar zuständig war. Die agrarisch-patriarchalischen Interessen der Kameralisten, in den Traditionen der Territorialverwaltung, standen der merkantilistisch fortschrittlichen Tendenz der Kommissariate gegenüber. Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Behörden der provinzialen und zentralen Ebene wurden mit der Gründung des General-Oberfinanz-, Kriegs- und Domänendirektoriums, kurz Generaldirektorium genannt, 1723 in Berlin aufgehoben. Als zuständige Oberbehörde führte das Generaldirektorium die Aufsicht über die regionalen Kriegs- und Domänenkammern. Die Kammern hatten jährlich im März die Spezialetats der Provinzen für das kommende Rechnungsjahr, ab 1. Juni, ein-zusenden, die als Grundlage für den Gesamtetat dienten. Die Aufgaben der Kriegs- und Domänenkammer lagen hauptsächlich im Finanzbereich, und zwar in der Aufsicht über den landesherrlichen Grundherrschaftsbereich, um somit die Domäneneinnahmen und die Leistungen der abhängigen Bauern zu sichern, und in der Steuerverwaltung (Kontribution und Akzise). Neben dem finanziellen Interesse mit militärisch-politischer Zielsetzung war das Interesse für die wirtschaftlich-soziale Wohlfahrt des Landes bestimmend.

Auf örtlicher Ebene unterstanden der Kammer die Domänenämter. Die Domänenämter, als Nachfahren der alten Kammerämter, wurden neu geschaffen zur Verwaltung des königlichen Besitzes. Sie wurden in Generalpacht für jeweils 6 Jahre an (nichtadelige) Amtleute vergeben. Der adlige Besitz unterstand weiterhin den Hauptämtern. Den (adligen) Haupt-leuten wurde seit 1721 die Aufsicht über die wirtschaftlichen Angelegenheiten in den Ämtern entzogen. Die Amtleute hatten alle Lebens-bereiche der Einwohner des gepachteten Amtes zu kontrollieren und die Wirtschaftsführung der Bauern zu beaufsichtigen. Beamte der Kriegs- und Domänenkammer visitierten in Ab-ständen einiger Jahre die Ämter. Die Verfassung der Kammer basierte auf dem kollegialischen Prinzip. Zum Präsidenten war Johann Friedrich von Lesgewang ernannt worden, der aus einer alten preußischen Familie stammte. Er hatte seine fachliche Qualifikation als Mitarbeiter der Generalhufenschoßkommission unter Erbtruchseß Graf zu Waldburg unter Beweis gestellt. Das Kollegium bestand aus dem Präsidenten von Lesgewang, dem Direktor Geheimrat von Rosey, der den Vorsitz im Kollegium führte, zwei oberen Forstbeamten, 14 Räten, denen verschiedene Departements unterstanden, und einem Auskultator. Der 15. Rat hielt sich als beständiger Kommissar für Angelegenheiten der polnischen Ämter in Neidenburg auf. Vortrag hielten im Kollegium der Direktor und die Räte. Jeder Bericht und jedes Schriftstück bedurfte der Unterschrift des Präsidenten, des Direktors und der Räte. Bei Abstimmungen im Kollegium verfügte jedes anwesende Mitglied, auch der Präsident, über eine Stimme.

Die 1714 eingerichtete besondere litauische Amtskammer, zu-nächst mit Sitz in Tilsit, wurde 1721 mit der ostpreußischen Amtskammer in Königsberg vereinigt. Wegen der Größe des Kammerbezirks und der besonderen Probleme des Retablissements im östlichen Landesteil erfolgte 1724 eine erneute Trennung. Nach der Gründung der Kriegs- und Domänen-kammer Königsbergs wurde für den litauischen Kammerbezirk eine besondere Kriegs- und Domänenkammerdeputation ein-gerichtet unter Leitung von Matthias Christoph von Bredow, einem Kurmärker. Ihr Sitz blieb zunächst Königsberg, ehe 1736 in Gumbinnen eine selbständige Kriegs- und Domänenkammer gegründet wurde. Deren späterer Direktor Ehrenreich Sigismund von Bredow übernahm 1746 die Präsidentschaft der Königsberger Kammer. Die Zuständigkeit der Gumbinner Kammer lag in der wirtschaftlichen Förderung (Retablissement) der östlichen Landesteile. Dazu gehörte die Neugründung von Klein-städten als wirtschaftliche Mittelpunkte und die Ansiedlung von angeworbenen Einwanderern. Um 1740 hatten sich die Kriegs- und Domänenkammern zu homogenen Behörden entwickelt. Bis 1807 bestanden die Königsberger oder ostpreußische Kammer und die Gumbinner oder litauische Kammer. Aus der Königsberger Kammer ging die Königsberger (Ostpreußische) Regierung des 19. Jahrhunderts hervor.

Die Akten der Kriegs- und Domänenkammer wurden 1808 von dem Regierungspräsidenten als Nachfolgebehörde übernommen und sind später ans Staatsarchiv abgegeben worden. Die Repositur 5 Kriegs- und Domänenkammer Königsberg und Repositur 8 Kriegs- und Domänenkammer Gumbinnen des Historischen Staatsarchivs Königsberg enthalten Schriftwechsel mit Landesherr und Generaldirektorium sowie mit den Domänenpächtern und anderen Stellen, verzeichnet in zwei Findbüchern. Die Überlieferung ist durch Verluste vor allem für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts verhältnismäßig gering. Die Amtsbuchreihen, ein Teil der Ostpreußischen Folianten des Königsberger Staatsarchivs, entstanden bei beiden Kammern durch jährliche Einsendungen der Jahresrechnungen über die Generalpacht der einzelnen Domänenämter (Kammerexemplare der Amtsrechnungen) sowie durch Prästationstabellen, welche im Zusammenhang mit den Neuverpachtungen alle 6 Jahre angelegt wurden und die die abgabepflichtige ländliche Bevölkerung der Domänenämter verzeichneten. Daneben gibt es umfangreiche Plankammerbestände beider Kammern, Repositur 201 und 202, mit jeweils rund 5000 Karten. Die Akten über die Einrichtung der ostpreußischen Kriegs- und Domänenkammer sind im Bestand des Generaldirektoriums als umfangreiche Aktengruppe Preußische Kammersachen überliefert, in der Abteilung Ostpreußen und Litauen, II. Materien. Sie enthält Schriftwechsel, Instruktionen, Verordnungen, Berichte, einschließlich Unterlagen über die Abtrennung der litauischen Kriegs- und Domänenkammer, aus dem Zeitraum 1698-1806. Akten über die Bestallungen des Personals beider Kammern sind in der Abteilung Ostpreußen und Litauen, I. Bestallungssachen überliefert. Sie enthalten die Bestallungssachen der Präsidenten, Direktoren, Räte, Referendaren und Assessoren, Registratoren, Kanzlisten, Kopisten, Kalkulatoren aus dem Zeitraum 1723-1806.

Lit.: Acta Borussica (Abt. 1) Die Behördenorganisation, hg. v. G. Schmoller, R. Koser, Bd. 6, 1, Berlin 1901, S. 218 ff. – Rolf Engels: Die preußische Verwaltung von Kammer und Regierung Gumbinnen (1724-1870), Köln und Berlin 1974. – Kurt Forstreuter: Das Preußische Staatsarchiv in Königsberg. (Veröff. der niedersächsischen Archivverwaltung, Heft 3), Göttingen 1955. – Friedrich-Wilhelm Henning: Wirtschaft, Gesellschaft, Bevölkerung im Herzogtum Preußen/Ostpreußen, in: Handbuch der Geschichte Ost- und Westpreußens, hg. v. E. Opgenoorth, Teil II/2, Lüneburg 1996, S. 56 ff. – Bernhart Jähnig: Amts-rechnungen und andere Akten der Kriegs- und Domänenkammern des Historischen Staatsarchivs Königsberg im Kaliningrader Gebietsarchiv, in: Preußenland 32 (1994), S. 16 ff. – Bernhart Jähnig: Die Bestände des historischen Staatsarchivs Königsberg als Quelle zur Bevölkerungs- und Siedlungsgeschichte des Preußenlandes, in: Aus der Arbeit des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, hg. v. J. Kloosterhuis (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, Arbeitsberichte, Bd. 1), Berlin 1996, S. 273 ff. – Meta Kohnke: Zur Ge-schichte des Generaldirektoriums 1712/22-1808, ebenda S. 47 ff. – Fritz Terveen: Gesamtstaat und Retablissement, Göttingen 1954.

Bild: König Fridrich Wilhelm I von Preussen (1688-1740) / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Rita Klauschenz