Der Limburger Bischof Ferdinand Dirichs hatte als Vertriebenenbischof für den 31. März 1948 zu einer Besprechung über Fragen der katholischen Flüchtlingshilfe nach Limburg geladen. Angezielt war eine Absprache und Arbeitsteilung unter den Organisationen, die im Bereich der Vertriebenenarbeit in der katholischen Kirche tätig waren. Das Gespräch kam zu dem Ergebnis, dass sich die Flüchtlingshilfe der katholischen Kirche in vier Bereiche gliedere, nämlich die Seelsorge, die Caritas, einschließlich Auswanderung, die Volksgruppenarbeit und die Selbsthilfe und Siedlung. Die Gesprächsteilnehmer schlugen die Vorbereitung eines Katholischen Flüchtlingsrates vor, „dem in der Mehrheit namhafte Flüchtlinge aller Stämme und Stände angehören sollen“. „Gegenüber den bereits bestehenden Einrichtungen und Flüchtlingsausschüssen soll der Katholische Flüchtlingsrat das Flüchtlingsproblem in allen seinen Beziehungen und in seiner ganzen räumlichen Ausdehnung selbstverantwortlich mitberaten und mittragen.“ Die Berufung in den Flüchtlingsrat, so wollte es die Runde, sollte auf Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft für katholische Flüchtlingshilfe in Verbindung mit den landsmannschaftlichen Gruppen durch den Beauftragten der Fuldaer Bischofskonferenz erfolgen. Generalvikar Wosnitza, der in Frankfurt die Aufgabe übernehmen sollte, einen Fachausschuss für caritative Flüchtlingshilfe aufzubauen, wurde gebeten, die vorbereitenden Arbeiten für die Bildung eines Flüchtlingsrates zu übernehmen.
Am 23. August 1948 traf sich erstmals der Katholische Flüchtlingsrat in Frankfurt am Main, dann am 7. Dezember 1948 in Köln-Hohelind.
Die konstituierende Sitzung des KFR hatte am 23.8.1948 stattgefunden. Das Gremium diente der Beratung, der Vernetzung, der Koordination. Der Präsident des Rates wurde vom Vorsitzenden der DBK, damals noch „Hoher Protektor des Flüchtlingswesens“ berufen. Die ca. 30 Mitglieder wurden vom Präsidenten des KFR in Absprache mit dem Vertriebenenbischof berufen – es wurde darauf geachtet aus unterschiedlichen Berufsgruppen und entsprechend den Herkunftsregionen die Mitglieder auszuwählen: sie sollten in ihren jeweiligen Wirkungsfeldern breit verankert und akzeptiert sein, viele repräsentieren und erreichen.
Zentrale Themen wurden teils hitzig diskutiert, Argumente ausgetauscht, aber auch Strategien entwickelt, Wege zur effizienteren Durchführung dringender Aufgaben überlegt.
Im Protokoll der Sitzung am 7.12.1948 wurde festgehalten, dass die Kirche ihre „weitbeachtete Autorität bewahrheiten“ müsse und diese Akzeptanz und Autorität voll einsetzen müsse, um die soziale Lage der Vertriebenen zu bessern. In der vertriebenen Bevölkerung habe sich die Stimmung breit gemacht, ungerecht behandelt zu werden. Kirche muss sich für nachhaltig wirksame Maßnahmen ebenso einsetzen wie auch zur Beruhigung der Bevölkerung beitragen.
Der Flüchtlingsrat stellte sich gegen die Gründung einer eigenen Flüchtlingspartei, da dies eine Zersplitterung der konstruktiven politischen Kräfte mit sich brächte. Einflussnahme in den bestehenden Parteien, also auch Netzwerkbildung sei der chancenreichere Weg.
Die Fronten zwischen Einheimischen und Flüchtlingen haben sich versteift, da will der KFR Sprachrohr, Verstärker sein.
Dem Flüchtlingsrat stand – zeitlich beinahe parallel zur Amtszeit des Hildesheimer Bischofs Heinrich Maria Janssen als Vertriebenenbischof (1957-1982) – Peter Paul Nahm vor, eine zentrale Gestalt in der (kirchlichen) Vertriebenenintegration.
Auf der Tagung des Katholischen Flüchtlingsrates am 28. und 29. November 1960 in Köln-Hohenlind übertrug Josef Kardinal Frings von Köln, der Protektor der Vertriebenen, nach dem Tod des früheren Bundesvertriebenenministers Hans Lukaschek (1885-1960) Peter Paul Nahm das Amt des Präsidenten des Katholischen Flüchtlingsrates, jenes Koordinationsgremiums der katholischen kirchlichen Vertriebenenarbeit, das die Bischöfe in den einschlägigen Themen beraten sollte, „unter großem Beifall der Teilnehmer“, wie das Protokoll ausdrücklich vermerkt.
Als langjähriger Präsident des Katholischen Flüchtlingsrates unterstützte und förderte er das Engagement der Laien, deren Mitarbeit in den Parteien und in den kirchlichen Gruppen und Organisationen. Den Einsatz gerade der christlich orientierten Politiker für die Entspannung der sozialen Lage der jungen Bundesrepublik durch das zähe, aber auf Ausgleich bedachte Ringen um die entsprechende Gesetzgebung würdigte Nahm nicht zuletzt in seinen ‚Skizzen zur Lage, Haltung und Leistung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Eingesessenen nach der Stunde Null‘.
Der KFR kam in der Regel zweimal jährlich zu einer Sitzung, resp. Tagung zusammen. Dabei wurden Informationen ausgetauscht, Themen und Veranstaltungen koordiniert, Schwerpunkte gebildet, die entsprechend argumentativ aufbereitet in die Bischofskonferenz mitgegeben oder über die Organisationen im vorpolitischen Raum in den politischen Prozess eingebracht werden sollten – wo möglich auch direkt durch anwesende Mandatsträger. Vorab wurden Schwerpunktthemen herausgeschält, zu denen aus den eigenen Reihen referiert oder von außen Experten zum Vortrag eingeladen wurden. So wirkten die Sitzungen in politische Gremien, in die katholischen Vertriebenenorganisationen, in die landsmannschaftlichen Gruppierungen, die man gern durch eine differenziertere Argumentation, v.a. in den Bereichen Lastenausgleich, Heimatrecht, Europa und Versöhnung mit den Nachbarländern aus der Tendenz zur Radikalisierung holen wollte.
Quellen und Lit.: Kommission für Zeitgeschichte Bonn, Bestand Königstein 3074 und 2016. – Rainer Bendel: Peter Paul Nahm (1901-1981), in: Michael Hirschfeld u.a. (Hrsg.): Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 7. Münster 2006, 227-231. – Peter Paul Nahm: … doch das Leben ging weiter. Skizzen zur Lage, Haltung und Leistung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Eingesessenen nach der Stunde Null. Köln, Berlin 1971
Rainer Bendel