Biographie

Erdmann, Dietrich

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Komponist, Musikpädagoge
* 20. Juli 1917 in Bonn
† 22. April 2009 in Berlin

Man könnte Dietrich Erdmann als modernen „Hofkomponisten“ bezeichnen. „Hofkomponist“ deshalb, weil er nach dessen Vorbild einen Großteil seiner Musik für den Kreis schrieb, in dem er wirkte, für die Schule und die Musikstudenten der Pädagogischen Hochschule und der Hochschule der Künste in Berlin. E war einer der wenigen modernen Komponisten, der neben konzertanten Werken bewußt Stücke für musizierende Laien komponiert, um die zeitgenössische Musik ihnen zugänglich zu machen; sie soll auch für sie technisch und emotional nachvollziehbar sein.

Dietrich Erdmann fühlte sich der schlesischen Heimat seiner Vorfahren väterlicherseits eng verbunden. Die Familie war seit Jahrhunderten in Niederschlesien ansässig, sein Vater, Lothar Erdmann, wurde 1888 in Breslau geboren. In Bonn lernte dieser seine spätere Frau, die Witwe des im Ersten Weltkrieg gefallenen Malers August Macke, kennen. Die ersten musikalischen Anregungen erhielt Dietrich Erdmann auch von ihr, in seinem Elternhaus wurde viel musiziert, und auch für die anderen Künste war er sehr aufgeschlossen (Malerei, Literatur). 1925 zog die Familie nach Berlin. Dietrich Erdmann erhielt Klavier-, Cello- und Querflötenunterricht und nahm als 14jähriger an Gruppenkursen für Musiktheorie der Volksmusikschule Neukölln teil, die von Paul Hindemith und Harald Genzmer durchgeführt wurden. 1934 begann er das Studium an der Berliner Musikhochschule (Dirigieren: Walter Gmeindl, Chorleitung und Komposition: Kurt Thomas), das er 1938 mit der Reifeprüfung abschloß. Schon 1935 hatte er einen „Arbeitskreis für Neue Musik“ gegründet und wagte es, Strawinsky, Bartók und Hindemith aufzuführen, deren Musik von dem damaligen politischen Regime als „entartet“ abgelehnt wurde. Während seines Kriegsdienstes hatte Dietrich Erdmann die Möglichkeit, zwischen 1940 und 1942 bei Paul Hoff er Komposition zu studieren.

Nach dem Krieg war er zunächst als Musiklehrer an der Humboldt-Oberschule in Berlin-Tegel tätig, 1947 bekam er einen Lehrauftrag an der neugegründeten Pädagogischen Hochschule Berlin, wurde zwei Jahre später Leiter des dortigen Musikseminars und sorgte für eine breitangelegte fachliche Ausbildung der zukünftigen Musiklehrer. 1954 wurde er Professor und 1970 Prorektor der PH. Seit 1982 ist Dietrich Erdmann Emeritus der Hochschule der Künste Berlin, an der er zuletzt tätig war.

Neben seiner Lehrtätigkeit engagierte er sich auch als Komponist in verschiedenen Institutionen. Seit 1963 gehörte er dem Vorstand des Verbandes deutscher Musikerzieher und konzertierender Künstler (VDMK) an, 1963/64 war er 1. Vorsitzender des Landesverbandes Berlin. In dieser Zeit gründete er dort ein „Studio für Neue Musik“. 1965-67 führten ihn Vertrags- und Studienreisen nach Südamerika. 1972 gründete er den „Arbeitskreis für Kammermusik“ in Zusammenarbeit mit dem DAAD. Auch diese Aktivitäten zeigen, daß Erdmann bei seiner schöpferischen Tätigkeit immer auch die pädagogische Arbeit im Blick behielt. Seinen kompositorischen Stil kennzeichnete Dietrich Erdmann einmal selbst wie folgt: Elementare Freude am Tänzerischen, kammermusikalische Durchsichtigkeit und Liebe zur Farbigkeit, aber auch zu formaler Klarheit. Abgesehen von Oper und Ballett, sind fast alle musikalischen Gattungen in seinem Werkverzeichnis vertreten: Klaviermusik, Lieder, Kammermusik für Streicher und Bläser-, Gebrauchsmusik (Besetzungen geeignet für Musikschulen), Kantaten, Solokonzerte und Orchestermusiken, überwiegend für Kammerorchester. Daß er gerne Auftragswerke schrieb, um eng mit seinen Interpreten zusammenarbeiten zu können, zeigen seine oft ausgefallenen Besetzungen, beispielsweise seine „Sentenzen, drei Gesänge für Mezzosopran, Klarinette, Fagott u. Schlagzeug“ (1984), deren Uraufführung im November 1985 in Rio de Janeiro stattfand. Dietrich Erdmann war ein Komponist, der wenig von sich reden machte, aber durch rege Kontakte zu Interpreten im In- und Ausland erfuhren seine Werke bei Musikfesten, im Rundfunk und in Schallplattenstudios zahlreiche Aufführungen.

Lit.: Musik in Gesch. u. Gegenwart, hrsg. von F. Blume, Bd. 16, Supplement, Kassel/Basel/Tours/London 1979, Sp. 122/123; Ursula Stürzbecher, Werkstattgespräche mit Komponisten, Köln 1971, 173-182.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Dietrich_Erdmann

Konzert für Bassklarinette und Orchester: https://www.youtube.com/watch?v=F-xkpF1EC8E

Lioba Speer