Nach der militärischen und politischen Niederlage von Jena und Auerstedt am 14.10.1806 war Napoleon am 27.10. in Berlin eingezogen. Die preußische königliche Familie hatte unter schwierigsten Umständen bis in den nordöstlichsten Teil des Territoriums ausweichen müssen, wohin der König später nachkam. Preußen war der Willkür Bonapartes preisgegeben, besiegelt dann im harten Tilsiter Frieden vom Juni 1807. Der Staat hatte die Hälfte seines Gebietes und der Einwohner verloren, war feindbesetzt, mußte höchste Kontributionszahlungen leisten, die noch unerträglich vermehrt wurden, als die Franzosen teilweise abzogen.
Aber dort im ,,Ausweichquartier“ der Regierung Königsberg in Ostpreußen begann unter den drückenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen sofort die Weiterarbeit für Wiederaufbau, Reformen und künftige Befreiung. Dies geschah in einem Höchstmaß von Anspannung und Tätigkeit nach dem Grundsatz Friedrich Wilhelms III., der Staat müsse in seiner verzweifelten Situation durch geistige Kräfte das ersetzten, was er an physischen verloren habe. Und so wurde dies ferne Ostpreußen zu einem Kraftzentrum. Nicht nur auf militärischem Planungsgebiet, in dem der König die Reorganisationskommission unter Scharnhorst mit Männern wie Gneisenau und Boyen einsetzte, sondern ganz allgemein auf dem Gebiet mannigfacher Reformen, für die er durch Berufung von Persönlichkeiten wie Stein und Hardenberg den Weg freigab. Vom Refugium aus bereitete man das vor, was dann jeweils zeitgerecht zur Befreiung und zum Wiederaufbau des Staates eingeführt wurde. In diesem Raum spielten sich auch die Verhandlungen mit dem östlichen Korsen und Zar Alexander von Rußland ab, der zunächst Preußen im Stich gelassen hatte, sich dann aber wieder annäherte. Und ein weiteres Mal unter der Regierung Friedrich Wilhelms III. wurde diese Gegend wichtig: In Tauroggen schloß der Führer des preußischen Hilfskorps für Napoleon, der General von Yorck, am 30.12.1812 die Neutralitätskonvention mit den Russen und stellte für dieses eigenmächtige Handeln seinen Kopf dem König zur Verfügung. Dieser mußte ihn offiziell maßregeln, gab aber insgeheim Befehle, die Yorck erkennen ließen, daß sein Verhalten gebilligt wurde. Und so konnte Yorck auch die Stände von Ostpreußen aufrufen, dort Landwehreinheiten aufzustellen, lange bevor der König die „Verordnung über die Organisation der Landwehr“ am 17. März 1813 erließ. Die Planungen dazu sind auf seine Veranlassung ebenso begonnen worden wie die zu anderen, einschneidenden Reformen. Königtum und Regierungsarbeit waren auf ostpreußischem Boden bis zur Rückkehr nach Berlin Dezember 1809 bewahrt geblieben. Man hat Friedrich Wilhelm gelegentlich vorgeworfen, er sei zu wenig aktiv tätig gewesen. Es ist zu fragen, ob in Preußens Lage eine andere Politik zu besseren Erfolgen geführt hätte. Vielleicht ist es geradezu rettend für den Staat gewesen, daß er in seiner Nüchternheit und Bedachtsamkeit den wiederholten drängenden Vorschlägen, frühzeitig gegen Napoleon loszuschlagen, nicht gefolgt ist. Noch war die Situation nicht reif, die Koalitionsfrage ungeklärt. Selbst nach dem Zusammenbruch der Großen Armee in Rußland und dem Beitritt Österreichs bedurfte es noch höchster Anstrengungen, Bonapartes Herr zu werden, und sie mußten nach dessen Ausbruch von Elba wiederholt werden.
Seelische Unterstützung und Antrieb zum Handeln erhielt Friedrich Wilhelm durch die vom Volk hochgeschätzte und geliebte Gemahlin Luise Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, bis der Tod sie 1810 dahinraffte. Sie ermutigte ihn, wenn er zu verzweifeln begann, sie unterstützte geeignete Ratgeber. Wie man sie – auch posthum – verehrte, davon künden die vielen Denkmäler im Lande, die man ihr setzte. Eine zweite Ehe mit der Gräfin Harrach, dann Fürstin Liegnitz, hatte er 1824 nur morganatisch und außerhalb des Hofzeremoniells schließen und führen können.
Viele der unter seiner Regierung eingeführten Reformen haben überdauert, manch anderes wurde zurückgeschraubt. Doch es blieben die Zeugen einer künstlerischen Blüte, verbunden zum Beispiel Männern wie Schinkel, der in ganz Preußen wirkte. Es setzten sich fort die Anstöße und Gründungen im gesamten Bildungs- und Universitätswesen im Sinne Wilhelm von Humboldts. Zukunftsweisende Maßnahmen waren u. a. die Einführung der Gewerbefreiheit 1810, die Zuteilung der staatlichen Rechte an die Juden 1812, der Zusammenschluß der sich früher oft bekämpfenden Lutheraner und Reformierten zur Union, die erfolgreiche Eingliederung der neuen Rheinprovinz nach 1815, der zügige, zielstrebige und solide Aufbau Gesamt-Staatsverwaltung und die Begründung des Zollvereins 1834.
Die in König Friedrich Wilhelms III. Regierungszeit erfolgreich geführten Befreiungskriege 1813/15 und die dabei gebrachten hohen personellen und materiellen Opfer hatten dem preußischen Staatsvolk wieder Selbstvertrauen gegeben. Dadurch und durch die vielfältigen Reformen wurden Untertanen Staatsbürger.
Werke: Siehe Nennung in NDB 5, 1961, S.562f.
Lit. u. a.: ADB 7; Biogr.Wörterbuch d. dtsch. Geschichte, München (1973), Otto Hintze, Die Hohenzollern und ihr Werk, Berlin 1915; Walther Hubatsch (Hrsg.), Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, Bd. 12 Preußen, Marburg 1978; NDB 5; W. Graf Harrach, August Fürstin v. Liegnitz, Berlin 1987; B. v. Knobelsdorff-Br., Briefe aus den Befreiungskriegen, Bonn (Selbstverl.) 1981; Peter Mast, Die Hohenzollern in Lebensbildern, Graz 1988, S. 174-189, Malve Grfn. Rothkirch, Königin Luise von Preußen. Briefe u. Aufzeichnungen 1786-1810, München 1985.
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Wilhelm_III._%28Preu%C3%9Fen%29
Benno von Knobelsdorff-Brenkenhoff