Biographie

Georg Wilhelm

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Kurfürst von Brandenburg
* 13. November 1595 in Cölln/Spree
† 1. Dezember 1640 in Königsberg i.Pr.

Als Georg Wilhelm im Dezember 1619 im Alter von 24 Jahren die Regierung antrat – der Vater, Kurfürst Johann Sigismund, hatte 1616 einen schweren Schlaganfall erlitten und starb vier Jahre später -, besaß er trotz einer fünfjährigen Statthalterschaft in Jülich-Kleve kaum politische Erfahrung. In den Rheinlanden hatte der Katholik Adam Graf Schwartzenberg hohen Einfluß auf den calvinistisch erzogenen Kurprinzen gewonnen, der den Grafen später nicht nur zum Präsidenten des Geheimen Rats ernannte, sondern ihm schließlich auch zentrale Staatsgeschäfte eigenverantwortlich überließ. Während Schwarzenberg immer unverhüllter auf eine aktive Parteinahme Brandenburgs zugunsten der katholischen Reichsstände und des kaiserlichen Hofes drängte, versuchte Georg Wilhelms Mutter Anna, Tochter Herzog Albrecht Friedrichs in Preußen, den Schulterschluß mit dem lutherischen Schweden zu erzwingen. Nicht nur gegen den ausdrücklichen Willen, sondern auch ohne Wissen des Kurfürsten verheiratete sie dessen Schwester, Marie Eleonore, im Jahre 1620 mit König Gustav Adolf von Schweden, um Georg Wilhelm auf diese Weise an die Seite der protestantischen Union und deren politische Linie zu binden. In dieselbe Richtung drängte seine Gemahlin Elisabeth Charlotte, eine Schwester Kurfürst Friedrichs V. von der Pfalz, der unmittelbar vor dem Regierungsantritt Georg Wilhelms zum König von Böhmen gewählt worden war und den Mittelpunkt der antihabsburgischen Koalition bildete.

Georg Wilhelm, der sich von seiner nächsten Umgebung stark beeinflussen ließ, fürchtete sowohl die schwedische als auch die kaiserliche Dominanz. Sein Schwanken zwischen beiden Lagern und die Unfähigkeit, einen eigenen politischen Kurs zu steuern, zeigten sich nach der Niederlage der böhmischen Stände am Weißen Berg bei Prag 1620 in aller Deutlichkeit. Als Friedrich V. die Flucht ergreifen mußte und dem aus der brandenburgischen Kurlinie stammenden Markgrafen Johann Georg, Herzog von Jägerndorf, durch Reichsacht das schlesische Fürstentum entzogen wurde, fügte sich Georg Wilhelm widerstandslos dem kaiserlichen Verbot, die flüchtigen Glaubensgenossen in seinen Landen aufzunehmen.

Andererseits ließ sich Georg Wilhelm, aus Furcht, vom scharfen Vorgehen Kaiser Ferdinands II. gegen die protestantischen Reichsstände bald selbst betroffen zu sein, von seinen reformierten Geheimen Räten zu einer gewagten Frontstellung hinreißen. Er widersetzte sich nicht nur der Übertragung der pfälzischen Kurwürde an den Herzog von Bayern, sondern unterstützte auch alle Ansätze, nach dem Zusammenbruch der protestantischen Union einen neuen, um Dänemark, Schweden und seinen Schwager Gabriel Bethlen, Fürst von Siebenbürgen, erweiterten Bund aufzurichten. Als sich im Jahre 1625 daraufhin der Reichskrieg nach Norddeutschland verlagerte, wurden die kurfürstlichen Territorien zum Durchgangsland und Kriegsschauplatz und hatten so unter den Söldnerheeren beider Parteien schwer zu leiden. Als Folge dieser riskanten Neutralitätspolitik wurden die rheinischen Gebiete Kurbrandenburgs von kaiserlichen Truppen besetzt, und fünf Jahre nach dem Entzug des Fürstentums Jägerndorf gingen auch Magdeburg und Halberstadt verloren.

Gustav Adolf nahm zur selben Zeit den Kampf mit Polen wieder auf. Die Tatsache, daß er dabei im Juli 1626 die Ostseehäfen des herzoglichen Preußens besetzen ließ, wußte der in den letzten Jahren im Hintergrund die Fäden spinnende Graf Schwartzenberg zu nutzen, um den Kurfürsten aufs Neue gegen den Schwedenkönig aufzubringen und ihn Zug um Zug auf die kaiserliche Seite zu ziehen. Während sich der infolge unmäßigen Essens und Trinkens schon früh körperlich gebrechliche Georg Wilhelm, der nur noch in einer Sänfte zu reisen vermochte, 1627 nach Preußen begab, rechnete Schwartzenberg unterdessen in Brandenburg mit seinen politischen und religiösen Gegnern ab. In einer Reihe von Hochverratsprozessen gelang es ihm, namhafte Mitglieder des Geheimen Rats reformierter Konfession unschädlich zu machen oder zumindest einzuschüchtern. Das unablässige Drängen Schwartzenbergs und seine rigorose Personalpolitik blieben nicht ohne Erfolg: Im Mai 1627 erkannte Georg Wilhelm offiziell die Übertragung der Kurwürde von der pfälzischen auf die bayerische Linie der Wittelsbacher an und gestattete die Einquartierung kaiserlicher Truppen in der Mark.

Zu einer geradezu entgegengesetzten Politik sah sich Georg Wilhelm im herzoglichen Preußen gezwungen. Hier stellten sich die Stände unter der Führung Königsbergs ganz auf die Seite Gustav Adolfs und schlossen im Juli 1626 ein für sie vorteilhaftes Neutralitätsabkommen. Erst drei Jahre später kam es auch für Georg Wilhelm, der diese Vereinbarung zwar nicht anerkannte, sich militärisch aber nicht gegen Gustav Adolf durchsetzen konnte, mit dem Waffenstillstand von Altmark zwischen dem polnischen König, Ladislaus IV. Wasa, und dem König von Schweden – er wurde 1635 in Stuhmsdorf um weitere 26 Jahre verlängert – zu einer spürbaren Entspannung. Litt das brandenburgische Kernland in dieser Phase des Dreißigjährigen Krieges in besonderem Maße an den Durchmärschen und Einquartierungen kaiserlicher Truppen, so entspannte sich umgekehrt die Lage in Preußen von Jahr zu Jahr mehr.

Seit dem Jahre 1630, als Graf Schwartzenberg sich nach Preußen abgesetzt hatte und die calvinistischen Kräfte ihren Einfluß auf den Kurfürsten zum Teil zurückgewannen, wandte sich Georg Wilhelm entschiedener den protestantischen Reichsständen zu und unterstützte stärker als zuvor das Vorgehen Gustav Adolfs und des schwedischen Kanzlers Axel Oxenstierna. Erst der vernichtende Zusammenbruch der schwedischen Truppen und ihrer deutschen Verbündeten 1634 bei Nördlingen ließ ihn abermals schwanken. Entgegen dem Gewicht zahlreicher politischer Ratgeber, der Autorität Oxenstiernas und nicht zuletzt der Sympathie der lutherischen Stände und der Landbevölkerung Brandenburgs für die schwedische Seite setzte sich schließlich Schwartzenberg, der 1632 nach dem Tode Gustav Adolfs in die Mark zurückgekehrt war, mit Hilfe von auf den Kurfürsten berechneten Warnungen, Drohungen und Versprechungen durch. Georg Wilhelm trat dem zwischen Kursachsen und dem Kaiser im Mai 1635 ausgehandelten Prager Frieden bei, unterstellte die brandenburgischen Truppen sächsischem Oberbefehl und erklärte wenige Monate später Schweden den Krieg. Schwartzenberg wurde zum kaiserlichen Generallissimus ernannt. Georg Wilhelms mit nur schwachen militärischen und finanziellen Kräften geführter Kampf gegen Schweden, das Brandenburg nach dem Tode des letzten Pommernherzogs, Bogislaws XIV., 1637 das Herzogtum Pommern entgegen dem Erbrecht vorenthielt, hatte katastrophale Folgen. Die Plünderung Perlebergs in der Prignitz im Oktober 1638 beispielsweise überlebten nur etwa 50 Personen, und allein in der Grafschaft Ruppin wurden in jenem Monat 28 Ortschaften von den kaiserlich-brandenburgischen Truppen niedergebrannt.

Es paßt zu der kraftlosen und schwankenden Politik Georg Wilhelms, daß er sich 1638 ganz in das vom Großen Krieg weitgehend verschonte Preußen zurückzog. Die brandenburgischen Regierungsgeschäfte übertrug er endgültig seinem jahrelangen Günstling, Graf Schwartzenberg, der in der Mark eine autoritäre und rücksichtslose Gewaltherrschaft ausübte. Georg Wilhelm starb im Alter von 45 Jahren an der Wassersucht. Seinem Nachfolger hinterließ der brandenburgische Kurfürst ein trauriges Erbe, das ein Zeitgenosse treffend mit den Worten kennzeichnete: „Pommern ist dahin, Jülich ist dahin, Preußen haben wir wie einen Aal beim Schwanz und die Marken wollen wir auch vermarquetendieren“.

Lit.: B. Erdmannsdörffer: Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, Bd. 1: Berlin 1864 (Einleitung). – T. Hirsch: Georg Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg, in: Allgemeine Deutsche Biographie 8 (1878), S. 619-629. – P. Hüttemann: Kurfürst Georg Wilhelm in seiner Stellung zu König Gustav Adolf von Schweden. Ein geschichtlich-kritischer Streifzug, Witten 1897. – T. Klein: Georg Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg, in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 203-204. – R. Koser: Geschichte der brandenburg-preußischen Politik, Bd. 1: Geschichte der brandenburgischen Politik bis zum westfälischen Frieden von 1648, Stuttgart 1913. – J. Kretzschmar: Der Heilbronner Bund 1632-1635, Bde. 1-3, Lübeck 1922. – P. Mast: Die Hohenzollern in Lebensbildern, Graz/Wien/Köln 1988. – E. Opgenoorth: Friedrich Wilhelm. Der Grosse Kurfürst von Brandenburg. Eine politische Biographie, Bde. 1-2, Göttingen/Frankfurt am Main/Zürich 1971-1978. – R. Seeberg-Elverfeldt: Die Preußischen Stände und Polen unter Kurfürst Georg Wilhelm bis zum Tode König Sigismund III. (1620-1632), in: Altpreußische Forschungen 13 (1936), S. 46-101. – G. Sommerfeldt: Verhandlungen Polens mit dem Kurfürsten Georg Wilhelm im Dezember 1627, in: Altpreussische Monatsschrift 42 (1905), S. 383-396. – C. Spannagel: Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg und der schwedische Reichskanzler Axel Oxenstierna im Jahre 1633, in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 11,2 (1898), S. 11-27. – A. Wandruszka: Reichspatriotismus und Reichspolitik zur Zeit des Prager Friedens von 1635. Eine Studie zur Geschichte des deutschen Nationalbewußtseins, Graz/Köln 1955 (= Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Bd. 17). – H. Wischhöfer: Die ostpreußischen Stände im letzten Jahrzehnt vor dem Regierungsantritt des Großen Kurfürsten, Göttingen/Berlin/Frankfurt am Main 1958 (= Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft, Bd. 29). – O. Zimmermann: Das Defensionswerk im Herzogtum Preußen unter dem Kurfürsten Georg Wilhelm, phil. Diss. Königsberg 1933.

Bild: Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg vor 1619; gefaßte Münze, Berlin, Münzkabinett.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Wilhelm_%28Brandenburg%29

Joachim Bahlcke