Biographie

Komma, Karl Michael

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Komponist
* 24. Dezember 1913 in Asch/Böhmen
† 23. September 2012 in Memmingen

Einer der verdienstvollsten Sachwalter böhmisch-deutscher Musiktradition überschreitet gegen Ende des Jahres 1983 die Schwelle zum achten Jahrzehnt seines schaffensreichen Lebens. So bereicherte er als schöpferischer Musiker mit einer großen Zahl von Kompositionen das musikalische Erbe seiner böhmischen Heimat. Daneben entstanden zahlreiche musikwissenschaftliche, vorwiegend musikgeschichtliche Arbeiten, die zum größten Teil dem Musikleben seines böhmischen Heimatlandes und ihren schöpferischen Musikern galten.

Die Vermittlung seines musikalischen Könnens und des Wissens um die Musik an junge Menschen begleiten beinahe das gesamte Lebenswerk bis in die Gegenwart. Karl Michael Komma wurde am 24. Dezember 1913 in Asch/Böhmen geboren. Von gemeinsamen Vorfahren stammt auch Max Reger ab. Schon frühzeitig zeigte sich bei dem Schüler die starke musikalische Begabung, die bewirkte, daß er sich während seiner Gymnasialzeit zielstrebig auf das Musikstudium vorbereitete. 1932-1934 studierte er an der Deutschen Akademie für Musik in Prag bei Franz Langer Klavier und bei F. F. Finke Komposition, einem Lehrer also, der einer ganzen Generation deutscher Musiker aus Böhmen und Mähren den Weg zum schöpferischen Werk gewiesen hat. Gleichzeitig studierte er Musikwissenschaft an der Deutschen Universität in Prag bei Prof. Becking und belegte dazu Anglistik. 1934 wechselte er zur Universität Heidelberg, um das musikwissenschaftliche Studium bei Prof. Besseler fortzusetzen. 1936 schloß er diese Studien mit der Promotion ab. Das Thema seiner Dissertation lautete: Johann Zach und die tschechischen Musiker im deutschen Umbruch des 18. Jahrhunderts. Gedruckt erschien sie 1938 in der Reihe „Studien zur Heidelberger Musikwissenschaft“ im Verlag Bärenreiter -Kassel. Es folgten drei Jahre musikwissenschaftlicher Arbeit als Assistent Bresselers in Heidelberg. Nach schwerer Krankheit baute er ab 1940 die Musikschule Reichenberg auf, die 1943 den Charakter einer Landesmusikschule bekam, und weitete seine Aufbauarbeit auf das Musikschulwerk des gesamten Sudetenlandes aus.

Als Komponist trat er seit 1936 hervor. Er schrieb Lieder, Chormusik, Kantaten, Kammermusik, Konzerte, Orchestermusik. Der größere Teil der bis 1945 geschaffenen Kompositionen ging durch die Vertreibung verloren. Durch Aufführungen in Donaueschingen, Breslau, Heidelberg, Teplitz und Prag hatte Komma in diesen knapp zehn Jahren nachdrücklich auf sich aufmerksam gemacht. Nach dem Kriege arbeitete er zunächst im Musikarchiv des Fürsten zu Oettingen-Wallerstein in Bayern und entfaltete dabei eine rege Vertrags- und Konzerttätigkeit. 1954 wurde er als Dozent an die Staatliche Musikhochschule Stuttgart berufen, lehrte zunächst Musikgeschichte, bald auch Tonsatz und Formenlehre. Schließlich wurde er 1960 zum Professor ernannt. Seit 1957 vertrat er die Musik auch an der Technischen Hochschule in Stuttgart.

Schon in den Kriegsjahren war er für seine Kompositionen mit Preisen ausgezeichnet worden, so 1943 mit dem Dittersdorf-Preis, Nach der Vertribung 1944 mit dem Prager Peter-Parler-Preis.

Nach der Vertreibung konnte sich Komma in seinemkompositorischen Schaffen weiter entfalten. Wieder reiht sich Werk an Werk. Dabei sind fast alle Gattungen und die ganze Breite der Besetzungsmöglichkeiten instrumentaler und vokaler Art vertreten. Lediglich das große Bühnenwerk fehlt. Sonst jedoch finden sich die Sinfonie und das Instrumentalkonzert bis zum Solostück für Querflöte oder für Blockflöten, für Klavier oder Orgel, das Sololied mit Klavier bis zur großräumigen Kantate oder zum Oratorium in seinem Werkverzeichnis. Und immer noch entsteht Komposition nach Komposition. Es fällt nicht leicht, aus dieser Fülle Höhepunkte herauszugreifen. Hingewiesen sei auf die Psalmenkantate, die 1958 für die Kathedrale in Reims im Auftrage des Kulturkreises im Bundesverband der deutschen Industrie entstand, auf die Matthäuspassion 1965 für A-capella-Chor, auf das deutsche Requiem 1970, auf die Weihnachtsgeschichte nach Lukas 1970, das Orchesterwerk „Signale“ 1972 für großes Orchester, in dem in besonders deutlicher Weise die ganze Breite der kompositorischen Mittel hervortreten, die Komma einzusetzen versteht, von der Pentatonik bis zur seriellen Technik. Neben den großformatigen Werken stehen seine zahlreichen Orgelkompositionen, aber auch seine kammermusikalisch besetzte Suite „Solitude“ 1979 oder sein Streichquartett 1980 und immer wieder Lieder mit Klavier oder mit Begleitung von Instrumenten bis zur orchestralen Besetzung. Im letzten Schaffens Jahrzehnt stehen das Lied, Chormusik, besonders geistlichen Inhalts, und Orgelmusik im Vordergrund.

Neben vielen geistlichen Texten, die vor allem aus der Hl. Schrift entnommen sind, durchzieht das dichterische Werk Hölderlins in den liedhaften und chorischen Vertonungen das gesamte Lebenswerk.

Neben Lehrtätigkeit und kompositorischem Schaffen, die zusammengenommen ein Leben ausfüllen könnten, besteht aber noch ein erstaunlich reiches Ergebnis musikwissenschaftlicher Arbeit. Vieles davon ist auf die Darstellung der Musikgeschichte seiner alten Heimat gerichtet. Das war mit dem Thema seiner Dissertation bereits begonnen worden, setzte sich fort mit der Schrift „Das böhmische Musikantentum“ Kassel 1960 in der Reihe „Die Musik im alten und neuen Europa“ und dokumentiert sich in einer großen Zahl von Aufsätzen in Zeitschriften und Lexika, vor allem in den mehr als 20 Beiträgen über böhmische Musiker und Städte in der großen Enzyklopädie. „Die Musik in Geschichte und Gegenwart“. Dazu treten Arbeiten mit weiteren musikgeschichtlichen und interpretatorischen Themen: Musikgeschichte in Bildern, Stuttgart 1961; Gruppenkonzerte der Bachzeit, in der Reihe „Das Erbe deutscher Musik“, 1962 im Neudruck; Lieder und Gesänge nach Dichtungen von Friedrich Hölderlin, Tübingen 1967 in Schriften der Hölderlin Gesellschaft. Die Klaviersonate As-Dur op. 110 von L. v. Beethoven, Beiheft zur Faksimile-Ausgabe, Stuttgart 1967. „Vom Wesen der Musik“, ausgewählte Aufsätze von Arnold Schering, hrsg. und eingeleitet von ihm, Stuttgart 1974. Zudem ist Komma Herausgeber der neuen „Zeitschrift für Musiktheorie“ seit 1970, in der auch Arbeiten von ihm selbst erschienen sind.

Insgesamt stellt sich das bisherige Lebenswerk Kommas in einer erstaunlichen Breite und Fülle dar, trotz der Verluste durch die Vertreibung. Es ist durch eine rastlose Schaffenskraft begründet; erwachsen aus dem überquellenden Reichtum böhmischer Musikalität, geformt durch einen Geist, der durch wissenschaftliches Denken geschult und diszipliniert ist und aus der Tiefe einer vielhundertjährigen Musiktradition zu schöpfen weiß. Auf Grund dieser Voraussetzungen darf man noch manches reife Werk erwarten.

Lit.: Artikel „Komma“ in „Die Musik in Geschichte und Gegenwart“ Bd. VII, Sp. 1421/22 (mit Werkverzeichnis bis ca. 1970); Riemann Musiklexikon, Bd. A-K und Ergänzungsband A-K; die wichtigsten Werke sind auf Corona Schallplatten, Tübingen, erschienen; einzelne Werke bei „audite“, Stuttgart.