Biographie

Kraus, Karl

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Schriftsteller, Kritiker, Publizist
* 28. April 1874 in Gitschin/Böhmen
† 12. Juni 1936 in Wien

Er war ein Meister der Sprache. Doch durchlitt er auch Nacht für Nacht oft bis in den frühen Morgen die Qualen schöpferischen Tuns auf der Suche nach dem rechten Wort. Er war ein bienenfleißiger Arbeiter. Die Schärfe seiner Polemik war gefürchtet. Er war ein Fanatiker der Wahrheit. Seine Satiren schonten keinen, nicht die Kirche, von der er sich aus Protest gegen ihre Haltung im Kriege 1923 trennte, nicht das Großbürgertum, auch nicht den damaligen Kulturbetrieb. Das brachte ihm in Wien viele Feindschaften ein. Zweimal wurde Karl Kraus für den Nobelpreis vorgeschlagen, 1925 und 1926. Ohne Erfolg. Mit 3 Jahren schon kam K. nach Wien. Diese Stadt der Gegensätze hat ihn mit geprägt. Er besuchte hier auch Volksschule und Gymnasium. 1892 Aufnahme des Jurastudiums an der Wiener Universität. Bald Wechsel zu Philosophie und Germanistik. Unruhiger Geist, der er war, gab er das Studium bald auf. Er versuchte sich als Schauspieler und scheiterte. Seine Waffe war nicht das gesprochene, wohl aber das geschriebene Wort. Dessen bediente er sich gekonnt, oft bis zur bleibenden Verletzung des Gegners. Dies trug ihm Gegnerschaft bis über den Tod hinaus ein. Willy Haas, nicht weniger scharfzüngig, schrieb noch 1957 eine rachsüchtige Verurteilung, in der er behauptet, Karl Kraus sei ein geborener Sadist gewesen. Kraus, der Jude, konvertierte 1911 zur katholischen Kirche. Sein Glaubensverständnis blieb zwiespältig, wenn auch Gott für ihn der Maßstab aller Werte war. Sein Kampfblatt „Die Fackel“ (1899-1936) blieb das Sprachrohr seiner literarischen Arbeiten. In ihm entwickelte er alle Formen seiner satirischen Begabung. Ab 1911 erschien fast alles, was er schrieb, vorab in der „Fackel“ – außer den Glossen, einer Form der Satire, die seiner Auffassung von Sprache entgegenkam. Kraus sah in vielem eine Deformation auch in der Sprache, ohne deshalb ein Pessimist zu sein. Obwohl lyrisch nicht unbegabt, wird K. immer an seinem essayistischen und aphoristischen Werk gemessen werden. Sein Hauptwerk „Die letzten Tage der Menschheit“, ein Monstrum, das sich jeglicher literarischen Fixierung entzieht, ist eine prophetische Vorwegnahme der Befindlichkeiten unserer Zeit. Karl Kraus mußte sich in seiner oft auch von Haßliebe bestimmten Polemik Feinde zuziehen. Doch galt sie weniger der Person, aber immer der Sache. Die Sprache, der eigentlich Kraus‘ ganze Lebensleistung galt, und deren Verluderung war für ihn gleichzeitig der Zerfall aller Kultur. Karl Kraus, der Satiriker und Dramatiker, bleibt zeitlos aktuell.

Werke: Dramen: Die letzten Tage der Menschheit, 1918-1919; Literatur oder Man wird doch da sehn, 1921; Traumstück, 1923; Wolkenkuckucksheim, 1923; Traumtheater, 1924; Die Unüberwindlichen, 1928; Lyrik: Worte in Versen I-IX, 1916-1930; Epigramme, 1927; Zeitstrophen, 1930; Shakespeares Sonette. Nachdichtungen, 1933. – Essays, theoretische Schriften, Aphorismen: Die Fackel, 1899–1936; Die demolierte Literatur, 1897; Eine Krone für Zion, 1898; Sittlichkeit und Kriminalität, 1908; Sprüche und Widersprüche, 1909; Die chinesische Mauer, 1910; Heine und die Folgen, 1910; Pro domo et mundo, 1912; Nachts, 1918; Untergang der Welt durch schwarze Magie, 1922; Literatur und Lüge, 1929; Die Sprache, 1937; Die dritte Walpurgisnacht, 1955; Briefe an Sidonie Nadherny v. Borutin, 1913–36, 2 Bde, 76. – Bearbeitungen, Übersetzungen: Nestroy, Offenbach, Shakespeare.

Lit.: Weltliteratur im 20. Jahrhundert, Hg. Manfred Brauneck, Hamburg, 1981; J. Mühlberger, Geschichte d. dt. Literatur in Böhmen, 1900-1939, München, 1981. Wagner, Nike: Geist u. Geschlecht – K.K. u. die Erotik der Wiener Moderne. Ffm. 1982. – Schick. P.: K.K. Rbk. 27.-30. Tsd. 1978. – Pfabigan. A.: K.K. u. der Sozialismus. Wien 1976. – Stieg. G.: Der Brenner u. die Fackel. Ein Beitr. zur Wirkungsgesch. v. K.K. Salzburg 1976. – Arntzen. H.: K.K. u. die Presse. Mchn. 1975. – K.K. Hg. v. H. L. Arnold. Mchn. 1975. – Fischer. Jens M.: K.K. Stg. 1974. – Kerry. O.: K.-K.Bibliogr. Mchn. 1970.