Biographie

Preußen, Heinrich Prinz von

Beruf: Politiker, Feldherr
* 18. Januar 1726 in Berlin
† 3. August 1802 in Rheinsberg

Prinz Heinrich von Preußen gehört sicher nicht zum Kreis der bekannteren Persönlichkeiten der Hohenzollernmonarchie, deren Andenken sich bis heute im allgemeinen Bewußtsein erhalten hätte. Doch schon im Jahre 1861 konnte Theodor Fontane im ersten Band seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, nachdem er das Schicksal des Prinzen mit dem einer verschütteten Statue verglichen hatte, über die Ursache dieses Vergessens raisonnierend, bemerken: „Das harte Los, das dem Prinzen bei Lebzeiten fiel, das Geschick, ‚durch ein helleres Licht verdunkelt zu werden’, verfolgte ihn auch im Tode noch.“ Dabei war Prinz Heinrich eine der schillerndsten und faszinierenden Gestalten der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts und galt vielen als die Personifikation des europäischen Rokoko.

Geboren am 18. Januar 1726 im Berliner Stadtschloß als dreizehntes und damit vorletztes Kind des „Soldatenkönigs“ Friedrich Wilhelm I. und seiner Gemahlin Sophie Dorothea deutete zunächst alles darauf hin, daß Prinz Friedrich Heinrich Ludwig, so sein voller Name, nie über eine marginale Rolle auf der politischen und dynastischen Bühne Europas hinauskommen würde. Die überdurchschnittlichen Fähigkeiten und Anlagen, gefördert durch eine seit dem Thronwechsel vom 31. Mai 1740 in Richtung einer stärkeren Akzentuierung geistiger Elemente modifizierte Erziehung, ließen Heinrich jedoch bald das Mittelmaß vieler nachgeborener Prinzen von Geblüt übersteigen.

Noch in den beiden ersten Schlesischen Kriegen lediglich als einer unter vielen in der Umgebung des Königs teilnehmend, war es das folgende Friedensjahrzehnt, das die weitere Entwicklung Heinrichs durch das nun in Preußen herrschende Klima kultivierter geistiger Freiheit ungemein beflügelte. Der Prinz betrieb eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien, widmete sich dem aufblühenden kulturellen Leben in Berlin und Umgebung und trat auch direkt in Kontakt zu Vertretern der französischen Aufklärung. Erste Frucht dieses geistigen Reifungsprozesses war eine Folge in den Jahren 1753–1755 in Schloß Rheinsberg, seit Heinrichs Vermählung 1752 mit Prinzessin Wilhelmine von Hessen-Kassel ständiger Wohnsitz des Prinzen, entstandener Denkschriften, die unter dem Pseudonym eines „Maréchal Gessler“ abgefaßt wurden.

Diese glücklicherweise vollständig erhaltenen Papiere geben einen aufschlußreichen Einblick in die militärtheoretische und politische Gedankenwelt des Prinzen und sind Zeugnis seines erstaunlich scharfsichtigen Urteilsvermögens und seiner geistigen Unabhängigkeit. Bereits hier begegnet man Heinrichs „System“, das, mit nur geringen Modifikationen, bis an sein Lebensende Bestand haben und sein gesamtes späteres Wirken auf dem internationalen Parkett prägen sollte.

Der Prinz setzt mit einer Analyse von Politik und Kriegführung Friedrichs des Großen von dessen Thronbesteigung bis zum Jahre 1753 ein und spart nicht mit Kritik, sowohl an einzelnen militärischen Fehlleistungen als auch insbesondere am bündnispolitischen Verhalten Preußens während der Schlesischen Kriege. Die ambivalente Haltung Friedrichs des Großen zu Frankreich und seine lediglich auf kurzfristige Erfolge hin ausgelegte Politik hätten Preußen der Bourbonenmonarchie entfremdet, insgesamt die Bündnisfähigkeit Preußens erschüttert und würden die Gefahr einer internationalen Isolation Preußens in sich bergen. Nur im engen Bündnis mit Frankreich als der stärksten Landmacht Europas sei es Preußen jedoch möglich, auch langfristig seine Ziele auf dem Kontinent durchzusetzen.

So war für Prinz Heinrich der Siebenjährige Krieg dann auch ein Kampf mit verkehrten Fronten. Trotzdem kam er seinen militärischen Pflichten ohne Zögern und mit vollstem Einsatz nach. Zuerst in subalterner Position tätig, rückte er nach 1758 zum Befehlshaber der nach der des königlichen Bruders zweitstärksten preußischen Streitmacht auf und hatte vor allem die Aufgabe, auf dem sächsisch-böhmischen Kriegsschauplatz der vereinten österreichischen und Reichsarmee Paroli zu bieten sowie den Kontakt zu den am Niederrhein operierenden Truppen des Prinzen Ferdinand von Braunschweig aufrecht zu erhalten.

Im Gegensatz zu Friedrich dem Großen, der, als Anhänger der „Niederwerfungsstrategie“, mit einzelnen harten Schlägen in offener Feldschlacht eine Entscheidung und damit die Phalanx numerisch weit überlegener Gegner aufzubrechen suchte, war Heinrich eher ein Verfechter der „Ermattungsstrategie“, die darauf abzielte, angesichts der ungünstigen Kräfteverhältnisse zunächst ein möglichst großes Territorium zur Versorgung der eigenen Truppen zu halten, um bis zur Änderung der politischen Situation zu eigenen Gunsten ausharren zu können. Weniger durch direkte Konfrontation in einer Schlacht als vielmehr mittels geschickter Positionierung der Einheiten an strategisch wichtigen Stellen und kleine Nadelstiche, z.B. durch Zerstörung von Transportverbindungen oder Nachschubbasen im Zuge unerwarteter Operationen beweglicher Streifscharen, sollte der Gegner in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt und an der Entfaltung seiner vollen Kampfkraft gehindert werden, um ihn dann schrittweise ausmanövrieren zu können.

Auf diese Art und Weise gelang es Heinrich während des gesamten Ringens, kriegsökonomisch wichtiges Terrain zu behaupten und in seiner Armee eine Art allgemeiner Reserve zu unterhalten, derer sich Friedrich der Große, oftmals zum Unmut des Prinzen, nach weniger erfolgreichen eigenen Unternehmungen bedienen konnte. Schließlich war es dann aber ausgerechnet Heinrich, dem am 29. Oktober 1762 bei Freiberg ein Sieg in der letzten Schlacht des Krieges gelang, ein Erfolg, der maßgeblich Anteil am dann raschen Abschluß des Friedens zu Hubertusburg am 15. Februar 1763 hatte.

In den Jahren nach dem Waffengang betrat Prinz Heinrich die diplomatische Bühne Europas. Wieder zunächst mit begrenzten Missionen, etwa 1768 in den Niederlanden oder 1770 am schwedischen Hof zu Stockholm betraut, gelang es dem Prinzen anläßlich eines von ihm selbst initiierten Besuches bei Zarin Katharina II. von Rußland in St. Petersburg, die im Zuge des seit 1768 tobenden russisch-osmanischen Krieges auf dem Balkan gefährlich gestiegenen Spannungen durch Lancierung des Projektes der Ersten Polnischen Teilung abzubauen, indem er das Augenmerk der drei im Osten involvierten Mächte Preußen, Rußland und Österreich vom eigentlichen Konfliktherd abzulenken und ihre Ansprüche durch Erwerb von Territorien des polnischen Staates zu kompensieren verstand.

Ein zweiter Besuch in Rußland 1776 festigte die guten Beziehungen zum Zarenreich und verschaffte Preußen die notwendige Rückendeckung im 1778/79 geführten Bayerischen Erbfolgekrieg gegen Kaiser Joseph II. Auch in diesem Konflikt erfüllte Prinz Heinrich treu seine militärischen Verpflichtungen, obgleich er weit davon entfernt war, die reichspolitischen Konzeptionen seines Bruders mitzutragen. Ihm schwebte vielmehr die Aufteilung des Reiches in eine preußische und eine österreichische Interessensphäre in bilateralen Gesprächen vor, die er persönlich, dieses Mal allerdings vergeblich, noch vor Kriegsausbruch zu initiieren suchte.

Es hatte sich gezeigt, daß für eine solche Politik die Herstellung eines guten Einvernehmens mit Versailles unerläßlich war, ein zentrales Ziel der ersten Reise des Prinzen nach Frankreich im Jahre 1784. Zwar gelang es ihm schließlich auch hier nicht, das von ihm anvisierte preußisch-französische Bündnis auf den Weg zu bringen, der Prinz konnte aber in geschickter Ausnutzung der „Schelde-Krise“ eine erhebliche Lockerung der Allianz zwischen Wien und Versailles erreichen und darüber hinaus wichtige Kontakte in Paris knüpfen, Kontakte, die er 1788/89 anläßlich seiner zweiten Frankreichreise auszubauen verstand.

Zu diesem Zeitpunkt war Prinz Heinrich in Preußen politisch jedoch bereits weitgehend kaltgestellt. Der Thronwechsel des Jahres 1786 hatte eine neue Generation von Politikern an die Schaltstellen der Macht gebracht, die sich den nun hauptsächlich in Form einer Fülle von Denkschriften artikulierten Ratschlägen und Mahnungen Heinrichs nahezu unzugänglich erwiesen. Nur noch einmal, im Vorfeld des Friedens zu Basel zwischen Preußen und dem inzwischen revolutionären Frankreich 1795, bediente man sich der Kontakte des Prinzen, schloß Heinrich aber von der Führung der Verhandlungen nahezu vollständig aus.

Die letzten Lebensjahre brachte Prinz Heinrich zurückgezogen in Schloß Rheinsberg zu, wo er bereits seit den 1770er Jahren eine Art Musenhof um sich gesammelt hatte, der seit den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts um eine Vielzahl weniger aus politischen als vielmehr humanitären Gründen aufgenommener französischer Emigranten und mit der offiziellen Politik Preußens unter Friedrich Wilhelm II. Unzufriedener ergänzt wurde.

Auf Schloß Rheinsberg ist Prinz Heinrich von Preußen dann am 3. August 1802 auch an den Folgen eines Schlaganfalls verstorben und wurde in einem von ihm selbst entworfenen Grabmal in Form einer kleinen Pyramide im Schloßpark beigesetzt.

Lit.: Adolf vonCrousaz: Prinz Heinrich, der Bruder Friedrichs des Großen. Historisches Gedenkblatt, Berlin 1876. – Chester Verne Easum: Prinz Heinrich von Preußen. Bruder Friedrichs des Großen, (dt.) Göttingen/Berlin/Frankfurt am Main 1958. – Alexander E. Grantham: Rococo. The Life and Times of Prince Henry of Prussia 1726–1802, London/New York 1939. – Richard Krauel: Prinz Heinrich von Preußen als Politiker, Berlin 1902 (Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hauses Hohenzollern, Band IV, Dritte Reihe: Einzelschriften II). – Ders.: Prinz Heinrich von Preußen in Rheinsberg. Zum hundertsten Todestage, in: Hohenzollern-Jahrbuch 6 (1902), S. 12–37. – Christian Graf von Krockow: Die preußischen Brüder. Prinz Heinrich und Friedrich der Große. Ein Doppelportrait, Stuttgart 1996. – Bernhard Mundt: Prinz Heinrich von Preußen 1726–1802. Die Entwicklung zur politischen und militärischen Führungspersönlichkeit (1726–1763), Hamburg 2002 (Studien zur Geschichtsforschung der Neuzeit, Band 27) – Herman Proebst: Die Brüder. Friedrich der Große, August Wilhelm, Heinrich, Ferdinand. Taten und Schicksale der Söhne des Soldatenkönigs, Berlin 1939. – Richard Schmitt: Prinz Heinrich von Preußen als Feldherr im siebenjährigen Kriege, 2 Teile, Greifswald 1885–1897.

Bild: Georg Friedrich Schmidt: Prinz Heinrich von Preußen (1767), Kupferstich nach: Charles Amedée Philippe van Loo: Prinz Heinrich von Preußen (1765), abgedruckt in: Generaldirektion der Stiftung Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci (Hg.): Prinz Heinrich von Preußen in Bildnissen seiner Zeit. Ausstellung im Schloß Rheinsberg- Bibliothek des Prinzen Heinrich 6. Mai bis 19. Juni 1994, Potsdam 1994, S. 11.

Bernhard Mundt