Biographie

Preussner, Eberhard

Herkunft: Pommern
Beruf: Musikwissenschaftler, Musikpädagoge
* 22. Mai 1899 in Stolp/Pommern
† 15. August 1964 in München

Preußner legte am Städtischen Gymnasium in Stolp das Abitur ab und nahm als Kriegsfreiwilliger von 1916 bis 1918 am Ersten Weltkrieg teil. Anschließend studierte er an der Berliner Hochschule für Musik und an der Berliner Universität, wo er 1924 mit der DissertationDie Methodik im Schulgesang der evangelischen Lateinschulen des 17. Jahrhunderts zum Dr. phil. promoviert wurde. Mehrere Jahre hindurch war er dann enger Mitarbeiter von Leo Kestenberg am Berliner Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht. Nach der Zwangspensionierung des Juden Kestenberg im Jahre 1933 übernahm Preußner die Organisation des gesamten deutschen Chorgesangswesens, die er bis 1938 innehatte.

Im Sommer 1939 wurde Eberhard Preußner von Clemens Krauß nach Salzburg verpflichtet; die Berufung erfolgte gegen den Widerstand einiger “Eingesessener” mit dem ironisch-prophetischen Hinweis, die Salzburger würden den “Preußner” bald in “Österreicher” umbenennen. Und so kam es, daß der Pommer auch wirklich aus Salzburg nicht mehr wegzudenken war. Bis 1945 wirkte Preußner am Mozarteum als geschäftsführender Direktor und Lehrer für Musikerziehung. Dieses Mozarteum, eine internationale Stiftung, war bereits eine durch ehrwürdige Tradition geheiligte Stätte (in dem sogenannten Zauberflötenhäuschen vollendete Mozart 1791 die Zauberflöte), allein durch Preußners Wirken wurde sie dann zu einer Musikhochschule von internationalem Rang. Preußner wußte, was Tradition bedeutet und holte deshalb die berühmtesten Sänger der dreißiger und vierziger Jahre als Dozenten an sein Institut: Max Lorenz, Viorica Ursuleac, Julius Patzak und andere. Für die Studenten war Preußner ein durch und durch “unakademischer” Akademieprofessor, seine musisch einfühlsame Art und sein pädagogisches Talent förderten die jungen Leute, woher sie auch immer kamen.

Beim Wiederaufbau am Mozarteum nach dem Zweiten Weltkrieg wirkte Preußner, der 1949 eine außerordentliche Professur erhielt, intensiv mit, unter anderem auch durch die langjährige Leitung des “Musikkreises” (Arbeitskreis zur Pflege NeuerMusik), vor allem jedoch als Leiter der Internationalen Sommerakademie. 1959 wurde er Präsident der Akademie für Musik und darstellende Kunst “Mozarteum”, und im selben Jahr wurde er zum ordentlichen Hochschulprofessor ernannt. “Es ist gewiß viel, diesen hohen Posten zu erringen und dabei aus Stolp in Pommern zu stammen”, witzelte man in Kollegenkreisen.

Als Generalsekretär der “Association Européenne des Academies, Conservatoires et Musikhochschulen” und Organisator der europäischen Direktorenkonferenzen erwuchsen Preußner weitere verantwortungsvolle Aufgaben. Nicht zuletzt war er auch Mitglied des Direktoriums der Salzburger Festspiele. Seine berufliche Tätigkeit teilte er selbst in Praxis, Pädagogik und Organisation ein. Von 1930 bis 1943 gab er unter diesem Aspekt die ZeitschriftenDie Musikpflege und die Musikpädagogische Bibliothek heraus, letztere noch in der Folge der in Berlin 1928 gegründeten Periodika unter Kestenberg. Nicht zu zählen ist die Fülle der Themen, die er auf seinen Reisen als Vortragender, sei es in Hörsälen oder im Rundfunk, aber auch im nichtöffentlichen Rahmen behandelt hat.

Über 40 Jahre war Preußner mit dem Komponisten Carl Orff eng befreundet, er förderte intensiv dessen Schulwerk und schuf dieser musischen Institution eine eigene Heim- und Ausbildungsstätte von singulärer Bedeutung. Preußners Erfolg und Freude war es, noch kurz vor seinem Tod bei den Sommerkursen die “orffische Zwiesprache” zwischen Amerikanern, Japanern, Griechen, Franzosen und Deutschen mitzuerleben. Während ihrer gemeinsamen Schaffenszeit hatten Preußner und Orff davon geträumt, die Ideale Platos einmal in die praktische Tat, d.h. in die Musik, umzusetzen.

Im Jahre 1952 war Preußner Gastprofessor an der Universität von Michigan in Ann Arbor/USA, 1960 wurde er Doctor ofMusic am Oberlin College. Leider liegen die sogenannten“Preußner ex tempore-Reden” nicht mehr vollständig vor, aber glücklicherweise noch die “Rede über das Reden” (gehalten 1954 im Rotary-Club Salzburg). In seiner Gesellschaftskunde der Musik legt Preußner das ihn stets bewegende Verhältnis von Musik und Mensch im Wandel der Geschichte dar, außerdem stammt von ihm eine Biographie von Paul Hindemith. Cesar Bresgen schrieb in dem von ihm 1969 herausgegebenen Band Eberhard Preussner – Schriften – Reden – Gedanken, der “zum Gedächtnis an ihren Präsidenten im Auftrag der Akademie” zu dessen 70. Geburtstag entstand: “…Die pessimistischen, oft auch sarkastischen Züge in Preussners Schriften können nicht darüber hinwegtäuschen, daß hier ein echter Humanist, ein Mann, dem Menschlichkeit auf der Stirn geschrieben stand, am Werke war. Er, selbstgenügsam und anspruchslos, machte den Satz Pestalozzis glaubhaft, den er gerne vor seinen Studenten zitierte: ‘Es ist für den sittlich, geistig und bürgerlich gesunkenen Erdteil keine Rettung möglich als durch die Erziehung, als durch die Bildung zur Menschlichkeit, als durch die Menschenbildung’…”.

Erst 65jährig, wurde Eberhard Preußner mitten aus dem tätigen Schaffen jäh und unerwartet herausgerissen, er starb in einer Münchner Klinik. DieSüddeutsche Zeitung schrieb am 20. August 1964: “…Wieviel auch immer der Lebenslauf mit all seinen Stationen verrät – er reicht nie aus, das Wesen und die Eigentümlichkeiten eines Menschen zu schildern. Das gilt für Eberhard Preußner, den verstorbenen Präsidenten des Salzburger Mozarteums, noch mehr als für manch anderen.”

Der allzu frühe Tod bedeutete nicht nur für die ihm Nahestehenden, für “seine” Akademie mit ihren Lehrern und Schülern, sondern auch darüber hinaus für die gesamte Musikwelt, insbesondere für die Pädagogik und Musikwissenschaft einen empfindlichen Verlust. Das Land Salzburg erwies dem evangelischen Pommern Eberhard Preußner eine hohe Ehre: In einem Staatsakt wurde er auf dem St.-Peters-Friedhof in Salzburg beigesetzt.

Werke: Die Methodik im Schulgesang der evangelischen Lateinschule des 17. Jahrhunderts (Dissertation, Teildruck 1924). – Die Bürgerliche Musikkultur. Ein Beitrag zur deutschen Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts. Kassel, Bärenreiter Verlag 2. Aufl. 1951. – Die musikalischen Reisen des Herrn von Uffenbach. Ein Reisetagebuch des Joh. A. von Uffenbach (1712-1716) Kassel, Bärenreiter Verlag 1949. – Musikgeschichte des Abendlandes. Eine Betrachtung für den Musikliebhaber. Mit Notenbeispielen und Bildtafeln. Wien, Verlag Hollinek 2. verbesserte Aufl. 1958. – Allgemeine Pädagogik und Musikpädagogik, Leipzig, Verlag Quelle & Meyer, 1929. – Allgemeine Musikerziehung. Heidelberg, Verlag Quelle & Meyer, 1959. – Wie studiere ich Musik?. Ein Ratgeber. Heidelberg, Quelle & Meyer, 1962. – Musik und Gesellschaft. Gesellschaftskunde der Musik, 1957-1960, MS abgeschl.

Lit.: Auszüge aus der Zeitschrift “Pommern”, hrsg. von der Pommerschen Landsmannschaft, Heft 1964, Nachruf auf Eberhard Preußner. – Süddeutsche Zeitung v. 20.8.1964, kurzer Artikel über den “Tod des Präsidenten des Mozarteums in Salzburg”. – Bresgen, Cesar: Eberhard Preussner – Schriften-Reden-Gedanken. Eine Auswahl, Eigenverlag der Akademie für Musik und darstellende Kunst “Mozarteum” in Salzburg 1969 (Veröffentlichung des Bildes erfolgt mit freundl. Überlassung und Erlaubnis aus dem Archiv des “Mozarteums”, Salzburg).

 

  Ilse Gudden-Lüddeke