Biographie

Proske, Carl

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Arzt, Priester, Kirchenmusikforscher
* 11. Februar 1794 in Gröbnig bei Leobschütz/Oberschlesien
† 20. Dezember 1861 in Regensburg

In die Reihe jener Männer des 19. Jahrhunderts, die die Kirchenmusik von dem Irrweg der Opernimitation wegzuführen  strebten, gehörte Carl Proske. Einen beachteten Markstein in dieser Richtung hatte der vielseitige E.Th.A. Hoffmann mit dem Aufsatz Alte und neue Kirchenmusik 1814 gesetzt, den er in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung, Leipzig, publizierte. Hoffmann war vom Wirken der Berliner Singakademie von K. Fasch und K. F. Zelter und von ihren frühromantischen Idealen beeinflußt. Die Reformbestrebungen begründeten C. Ett in München, B. Klein in Köln/später Berlin, F. Commer in Berlin und C. Proske in Regensburg. Rund ein halbes Jahrhundert später erhielten sie im „Allgemeinen Cäcilienverein für die Länder deutscher Sprache" 1868 ein organisatorisches Fundament, das neben den Neuschöpfungen J. Rheinbergers, A. Bruckners, J. Brahms‘, M. Regers u.a. die Kirchenmusikpflege bis zum ersten Weltkrieg prägte.

Als sechstes von acht Kindern wurde Carl Proske als Sohn des Gutsbesitzers und Erbrichters Joseph Proske in Oberschlesien geboren. Der Vater betrieb Schafzucht und handelte mit Wolle. Da die beiden jüngeren Brüder als Kleinkinder starben, bestimmte Vater Proske Carl zum Hoferben. Er ließ den lerneifrigen Knaben das Gymnasium in Leobschütz absolvieren, wo dieser unter anderem gediegene musikalische Kenntnisse erwarb, zu denen – wohl von einem Privatlehrer vermittelt – Fertigkeiten im Klavierspiel kamen. Nach dem Abitur 1810 widersetzte sich der Vater indessen dem Wunsch des Sohnes, Priester zu werden. So wählte dieser das Studium der Medizin.

Proske studierte von 1810 bis 1813, wie sein Landsmann Joseph von Eichendorff, an der Wiener Universität. In Wien besuchte er auch Theateraufführungen und Konzerte. Um sein Taschengeld aufzubessern, erteilte er Klavierunterricht – ein Beleg dafür, daß er das Klavierspiel gründlich beherrscht haben dürfte. Die Befreiungskriege vom Napoleonischen Joch, speziell der Aufruf, „alle Medizin und Chirurgie Studierenden sollten sich der Armee anschließen", veranlaßte Proske, sich im Oktober 1813 im Hauptquartier des preußischen Generals G. L. von Blücher zu melden. Als Schwadron-, später Regiments-Arzt eines schlesischen Kavallerie-Regiments nahm er an den Feldzügen teil. Den Aufenthalt in Paris nützte er, um Museen und Bibliotheken zu besuchen und das dortige Musikleben zu studieren. Im September 1815 kehrte er gesund in den Heimatort zurück und erholte sich bis zum Jahresende im Kreis der Familie. 1816 vollendete er in Halle Studium und Promotion zum Doctor medicinae und legte in Berlin das Staatsexamen ab In Ober-Glogau, das seinem Heimatort benachbart ist, danach in Oppeln praktizierte Proske ab 1817 als Arzt. Das Problem des Hoferbes hatte sich (nach dem Tod der Mutter 1809) durch eine zweite Heirat des Vaters mit einer Witwe gelöst, die sechs Kinder in die Ehe brachte. Bei der Regierung in Oppeln war der junge Arzt, der den Medizinalrat vertrat, als tüchtige Kraft aufgefallen. So übertrug ihm das Ministerium – vorerst interimistisch – die Stelle des Kreisarztes in Pless. Neben seinem Dienst las der geschätzte Medicus theologische Literatur, unter anderem Werke von dem Ingolstädter Professor Johann Michael Sailer, der 1822 Weihbischof von Regensburg geworden war. An Sailer wandte sich Proske brieflich mit seinem Anliegen, Priester zu werden. Dieser empfahl, sich weiter zu prüfen und abzuwarten.

Proske beantragte und erhielt indessen zum l. September 1823 die Entlassung aus dem preußischen Staatsdienst, reiste nach Regensburg und stellte sich Sailer vor. Ein Zufall kam ihm zu Hilfe. Bischof Sailer erkrankte, während der Hausarzt verreist war. Dr. med. Proske betreute den Kranken und erreichte eine rasche Heilung. Dadurch hatte er das Vertrauen des Bischofs und seines Kreises gewonnen.

Proske blieb in Regensburg, studierte Theologie und empfing am 11. April 1826 die Priesterweihe. Danach erhielt er ein Chorvikariat bei der sogenannten „Alten Kapelle" in der Bischofsstadt. Als Sailer 1829 Diözesanbischof von Regensburg geworden war, konnte er Proske 1830 für ein Kanonikat bei der Alten Kapelle vorschlagen; die Berufung erfolgte durch königliche Ernennung. Daneben betätigte sich Proske seelsorglich als Präses und Prediger der Marianischen Männerkongregation.

Der Zustand der Kirchenmusik, der in Regensburg damals nicht besser war als in anderen deutschen Städten, hatte Proske mit Sorge erfüllt. Auf Wunsch Sailers verfaßte er 1829 und 1830 Denkschriften über Die Verbesserung der Dom-Kirchenmusik. König Ludwig I. von Bayern wünschte daraufhin, daß Proske die Reform als Domkapellmeister durchführe. Proske, ein mehr wissenschaftlicher Menschentyp, lehnte ab und widmete sich dem Beschaffen kirchlicher Vokalmusik des 16. und 17. Jahrhunderts. 1831 richtete der Kanonikus nach dem Vorbild von A.F. J. Thibauts Heidelberger „Sinkkränzchen" Singabende ein. Dabei wurden entsprechende Kompositionen erarbeitet. Dazwischen gab Proske Proben seines gewandten Klavierspiels.

Zum Beschaffen altitalienischer Vokalkompositionen unternahm Proske drei Forschungs- und Studienreisen nach Italien: 1834 bis 1836 nach Rom, Neapel, Assisi, 1837 nach Bologna, Florenz, Pistoia, 1838 nach Salzburg, Padua, Venedig. Aus Manuskripten und Drucken gewann er mit der Zielsetzung, Musik für den Gottesdienst bereitzustellen, eine große Zahl von Werken und fertigte selbst über 3000 Partituren an. Diese Werke gab er in sechs umfangreichen Bänden heraus (1853-61). Die Sammlung der Manuskripte und Drucke ging in den Besitz des Bischöflichen Stuhles Regensburg über. 1857 konnte Proske erleben, daß die mehrstimmige Kirchenmusik im Dom fortan als reine Vokalmusik eingerichtet wurde.

Lit.: D. Mettenleiter: C. Proske, Regensburg 1868. -F.X. Haberl: Zum 100. Geburtstag von C.R, Kirchenmus. Jahrbuch 1894. – W. Bäumker: C. Proske, Allgem. Deutsche Biographie 26, Berlin 1888. – A. Scharnagl: C. Proske. In: Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 10, Kassel (u.a.) 1962, und die dort verzeichnete Literatur.