Biographie

Rösler, Franz Anton (genannt Francesco Antonio Rosetti)

Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Hofkapellmeister, Komponist
* 26. Oktober 1746 in Niemes bei Leitmeritz/Nordböhmen
† 30. Juni 1792 in Schwerin/Mecklenburg

"Auf allen Klavieren sieht man jetzt Rosettische Stücke, aus allen jungfräulichen Kehlen hallen seine Lieder wider. Und gewiß, es läßt sich kaum etwas Leichteres, Lichtvolleres, Honigsüßeres denken als die Stücke dieses Mannes. Die Naivität ist sonderlich sein Hauptzug. So leicht aber seine Sätze aussehen, so schwer sind sie vorzutragen, wenn man kein eigenes Herzgefühl hat. Der bloße musikalische Luftspringer, der bloß in Saltomortalen seinen Ruhm sucht, wird scheitern, wenn er ein Rosettisches Werk vortragen soll. Die Grazie und Schönheit ist so unendlich feiner Natur, daß man nur mit der Hand zucken darf, sonst ist ihr zarter Umriß zerstört, und das Venusbild wird eine Fratze . . . Rosetti ist der erste Italiener, welcher deutsche Poesie musikalisch bearbeitet. Da er die deutsche Sprache tief studiert hat, so sind ihm diese Arbeiten meist ungemein gut gelungen. . ." Diese Sätze schrieb der Dichter, Journalist und Musikschriftsteller Christian Friedrich Daniel Schubart in seinen Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst über die Kompositionen Rosettis. Wie andere auch hielt Schubart, der zu diesem Zeitpunkt (1777) auf der württembergischen Feste Hohenasperg inhaftiert war, den Komponisten aufgrund der von Rösler gewählten Schreibweise seines Namens für einen Italiener. Verwundert muß dieser Irrtum nicht, waren doch zu gleicher Zeit fünf Antonio Rosetti als Musiker bekannt. Geburtsdatum und Geburtsort Röslers sind bis heute nicht unumstritten; genannt werden auch 1750 und die Gegend von Leitmeritz.

Als Siebenjähriger wurde Rosetti nach Prag auf die Vorschule geschickt. 1763 trat er in das Jesuitenseminar in Kuttenberg ein. Der ´Scholasticus Novitius´ erhielt 1769 die Tonsur, wurde Magister und unterrichtete in Znaim und Olmütz bis 1773. Seine Leidenschaft gehörte von Beginn an aber nicht der Theologie, sondern der Musik. So ließ er sich von seinen Gelübden entbinden und trat 1773 in fürstliche Dienste, zunächst als Kontrabassist in die Fürstlich-Oettingen-Wallersteinsche Hofkapelle. 1780 ernannte man ihn zum Kapellmeister. Auf sein Gesuch hin erhielt er schon 1781 die Möglichkeit, seine musikalischen Kenntnisse auf einer Reise nach Paris zu erweitern, wo er mit Puccini und Gluck Bekanntschaft pflegte; weitere Reisen, etwa nach Ansbach, München und Mainz folgten. In Wallerstein durch die Werke von Stamitz, Haydn und Mozart geprägt, auf Reisen mit neuen Orchestertechniken vertraut gemacht, gewann ´seine Orchestrierungstechnik jetzt Kraft und Klarheit´ (Fitzpatrick). Charakteristisch für seine Kompositionen, die er für die Kapelle unter Bevorzugung der Bläser schrieb, sind Stilmerkmale der Mannheimer und der Wiener Schule, wobei er auch mit den älteren Barockelementen umzugehen wußte. Er gilt als ein Meister der Übergangszeit vom Barock zur Klassik. Das wird sehr deutlich an seinen Sonatensätzen und Solokonzerten, in denen noch häufig die aus dem Barock bekannte Ritornelltechnik des Concerto grosso zu hören ist, während die Verwendung des für die Klassik charakteristischen zweiten Themas noch zögernd erfolgt. Dafür kommen Rosettis langsame Sätze schon dem Charakterstück des19. Jahrhunderts nahe; sie verwenden die dreiteilige Liedform und beruhen vielfach auf österreichischem oder böhmischem Volksgut (Fitzpatrick).

Rosettis Vorliebe für die Bläser kam dann besonders von 1789 an der Mecklenburg-Schwerinschen Hofkapelle zugute, die ihren Sitz zu Rosettis Bewerbungs- bzw. Wirkungszeit in Ludwigslust, dem damaligen Ort der Hofhaltung, hatte. Nach dem Tode des vor ihm in Ludwigslust amtierenden Kapellmeisters Carl-August Westenholz hatte sich Rosetti bei dem als Musikenthusiasten bekannten Fürsten Friedrich Franz I. um ein lebenslängliches Engagement beworben. Seine vergleichsweise hohen Forderungen, neben Haus und Garten finanzielle Sicherung für seine Frau, Naturalien, Futter für zwei Pferde, Logis, Doktor- und Apothekenfreiheit, wurden vom Fürsten akzeptiert, und er wurde zusammen mit dem Geiger J.F. Marpurg und dem mährischen Kontrabassisten J.M. Sperger engagiert.

In der 1701 gegründeten Ludwigsluster Kapelle musizierten kaum Mecklenburger, sie war international, wie damals üblich, besetzt. Von den 65 Musikern stammten nur neun aus Mecklenburg, die übrigen kamen aus Pommern, Braunschweig, Holstein, Lübeck, Hamburg, Westfalen, Braunschweig, Sachsen, Thüringen, der Pfalz, Baden, Hessen, Bayern, Österreich, Schlesien, Böhmen, Italien und Portugal. Vor allem böhmische Musikanten haben durch ihre Bläsertechnik das Musikleben Mecklenburgs befruchtet, indem sie die neue Klappentechnik für Jagd- und Waldhorn einführten, durch die die Möglichkeiten des Zusammenspiels gerade mit nichttransponierenden Instrumenten enorm erweitert wurden. Und eben mit Rosetti hatten die mecklenburgischen Musikliebhaber einen Komponisten und Dirigenten, der besonderen Wert auf die Blasmusik legte. Diese Vorliebe geht bereits aus einem Werk hervor, das die Wallersteinsche Bibliothek verwahrt, ´was Streiter für das moderne Bläserquartett als frühest Komponiertes in ihrem Genre ansehen´ (Klett): ein Musikstück für "Flauto traverse, Oboe, Clarinette in B, Dalie und Fagotto".

Rosettis neuer Dienstherr schwärmte für geistliche Musik, und so führte sich der neue Kapellmeister 1789 geschickt ein mit einer Oper im Kantatenstil:Das Winterfest der Hirten, ein Drama/ auf des regierenden Herrn/ Herzogs zu Mecklenburg-Schwerin/ Friedrich Franzens/ Durchl. Geburts – Tag…

Rosettis Ruhm ging weit über die mecklenburgischen Grenzen hinaus. So erteilte ihm der Kurfürst von Trier den Auftrag, einige Sinfonien für sein Orchester zu schreiben. 1791 erfüllte der böhmische Komponist den Auftrag, ein Requiem zu Mozarts Totenfeier in Prag zu komponieren und aufzuführen. Nur das Titelblatt hat sich erhalten, über die Aufführung informiert ein Zeitungsartikel in der Musikalischen Correspondenz:

"Am 14. Dec. (1791) um 11 Uhr wurden in der Kleinseitner Pfarrkirche bei St. Niklas in Prag die feierlichen Exequien für ihn gehalten; eine Feier, ganz des großen Meisters würdig. Das Requiem war von dem berühmten Kapellmeister Rosetti. Es wurde von 120 der ersten Tonkünstler, an deren Spitze die große Sängerin Duschek stand, so herrlich exekudiert, daß Mozarts großer Geist im Elisium sich darüber freuen mußte."

Aus dem Jahre 1776 stammt ein Requiem für die Beisetzung der Fürstin Maria-Theresia zu Oettingen-Wallerstein, das viele Aufführungen erlebte, und dabei jeweils auf Anlaß und Ort hin aktualisiert wurde. Es ist nach Ansicht von Forschern nicht auszuschließen, daß beide Requien identisch sind.

Als reifstes Werk Rosettis gilt sein Oratorium Jesu in Gethsemane, nach dem Text von Heinrich Julius Tode, Prediger zu Fritzier. Auf Einladung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II. dirigierte er es am 2. März 1792 in Berlin, zusammen mit dem 1791 entstandenenHalleluja vor dem Hof und der Geistlichkeit Berlins. Gesundheitlich bereits angegriffen, starb Rosetti drei Monate später in Ludwigslust "an Entkräftung", wie es im Kirchenbuch der Gemeinde Ludwigslust heißt. Mehr als 200 Jahre später erklang das Oratorium am 8. April 1995 in der Schweriner Schelfkirche St. Nikolai mit der Domkantorei Schwerin, dem mecklenburgischen Barockorchester, international besetzt mit den Solisten Ann Monoyios, (USA), Sopran, Bogna Bartosz (Polen), Alt, Jörg Dürrmüller, Tenor und Raimund Nolte, Baß, unter der Leitung des Domkantors Jan Ernst, angekündigt im Programmheft als ´Mecklenburgs bedeutendstes Oratorium´. So scheinen Name und Werk des böhmischen Komponisten und Dirigenten zumindest in Mecklenburg eine neue Renaissence zu erleben.

Wie man auch Röslers (Rosettis) kompositorisches Können bewerten mag –  ganz sicherlich wird es sowohl in seiner Bläserliteratur als auch unter den 90 Sinfonien, den drei Oratorien und anderen sakralen Werken Aufführungswertes für die heutige Konzertliteratur zu entdecken geben.

Lit.: Allgemeines –  Historisches Künstler-Lexikon für Böhmen, Prag 1815. –  Österr. National-Encyklopädie IV, Wien 1836. – O. Kaul: Die Vokalwerke Anton Rosettis, Phil. Diss. München 1911. –  ders.: Ausgewählte Symphonien A. Rosettis, m. Them. Verzeichnis und stilkritischen Bemerkungen. In: Denkmäler der Tonkunst in Bayern 22, 1912. – Zum Geburtstag A. Rosettis s. ZfMw XVI, 1934, 176 u. 248. –  Artikel Franz Anton Rösler, von Horace Fitzpatrick in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart 11, Kassel 1989. –  Heike Müns: Ausländische Musikanten in Mecklenburg. In: Jahrbuch für Volkskunde und Kulturgeschichte 32 (NF 17), Berlin 1989. –  Dieter Klett: Ein Böhme in Ludwigslust. Erkundungen über den Hofkapellmeister Rosetti. In: Stier und Greif, Blätter zur Kultur- und Landesgeschichte in Mecklenburg-Vorpommern 1992.

Werke: Vgl. vor allem auch Verzeichnis im MGG. – 

A. Vokalwerke: Orat. Der sterbende Jesus, (T:C.F.B. Zinkernagel) 1786.  – Orat. Jesus in Gethsemane, (T: K.W. Ramler) 1790. – Requiem in ´Es´ zum Tod der Fürstin Maria Theresia v. Thurn und Taxis 1776. –  Requiem zu Mozarts Totenfeier 1791.  –  Kantate Halleluja 1791. –  Drama/Oper Das Winterfest der Hirten 1789. –  etliche Choral- und Chorsätze mit Instrumentalsätzen.

B. Instrumentalwerke: etwa 90 Sinfonien, darunter mehrere sog. Concertante Sinfonien, zahlr. Konzerte, bes. für Jagdhorn, Hörner, Bläser allg. –  zahlr. Streichquartette, Sonaten.

 

    Heike Müns