Der am 11. Oktober 1788 im südböhmischen Friedberg geborene Simon Sechter entstammt aus der ersten Ehe des Bindermeisters Jakob Sechter, dessen Vorfahren mutmaßlich aus Bayern in Friedberg eingewandert waren. Der Lehrer Johann Nepomuk Maxandt gab ihm den grundlegenden musikalischen Unterricht, so daß Sechter bereits als 13jähriger eine Messe zu vertonen versuchte. Ab 1802 war Sechter als Schulgehilfe im oberösterreichischen Pfarrkirchen und in Linz tätig und kam 1804 nach Wien, wo er sich nach weiteren musikalischen Studien bis zu seinem Lebensende am 10. September 1867 niederließ. Zunächst wirkte er dort als Musiklehrer, ab 1812 in der Blindenerziehungsanstalt. Anfangs geschult durch das Studium der bedeutenden Musiklehrbücher im Generalbaß, Kontrapunkt und Harmonielehre, wurde er um die Mitte des 19. Jahrhunderts als Musiktheoretiker und Tonsatzlehrer die führende Persönlichkeit.
Zu seinen Schülern zählen namhafte Komponisten und Musikwissenschaftler wie Nothebohn, C.F. Pohl, Vesque von Püttlingen, Thalberg, Umlauf, Ziehrer und Ritter von Herbeck; der berühmteste unter ihnen ist Anton Bruckner, der als Lehrer für Generalbaß und Kontrapunkt am Wiener Konservatorium Sechters Nachfolgerwurde. Zwischen beiden bestand ein gutes Einvernehmen, vielleicht auch dadurch unterstützt, daß Simon Sechter ab November 1824 zweiter und ab November 1825 erster Hoforganist war. Selbst Franz Schubert wollte noch im Kontrapunkt von Sechter unterrichtet werden, nahm aber nur eine Unterrichtsstunde. Von seinen überaus zahlreichen Kompositionen sind seine Kirchenmusikwerke noch am bekanntesten geworden. Berühmter wurden seine theoretischen Schriften; sein Terzenaufbau der Harmonik auf dem Fundament des Generalbasses wurde am Ende des 19. Jahrhunderts von den nachfolgenden Musiktheoretikern allerdings als unzureichend erklärt. Hugo Riemann stellte seine Funktionstheorie dem fundamental-harmonischen System Sechters entgegen. „Die Geschlossenheit des Sechterschen Systems ergibt sich insbesondere aus der Forderung, daß jedem Satze (sei er harmonisch oder kontrapunktisch, sei er einfach oder zusammengesetzt, diatonisch oder chromatisch) ein diatonischer Satz mit richtiger Fundamentalfolge zu Grunde liegen müsse“ (Zeleny, S. 480). Sechter ist in der Musikgeschichtsschreibung als der große Musiktheoretiker und Kompositionslehrer des 19. Jahrhunderts fest verankert.
Lit.: Jordan Cajetan Markus: Simon Sechter. Ein biographisches Denkmal, Alfred Holder, Wien 1888; Ernst Tittel: Sechter, Simon, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Bärenreiter, Kassel u.a. 12. Bd. 1965, Sp. 447-451; Herfrid Kier: Simon Sechter (1788-1867). Zum 100. Todestag des österreichischen Kirchenmusikers und Theoretikers, in: Musica sacra 38. Jg. 1968, S. 16; Walter Zeleny: Die historischen Grundlagen des Theoriesystems von Simon Sechter, Diss., Wien 1938, Druck: Hans Schneider, Tutzing 1979 (Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft, hrg. von Othmar Wessely, Bd. 10) [mit Biographie].