Johann Jakob von Hennemann gehört in die Reihe jener, die vom Schicksal infolge eines plötzlich eingetretenen Ereignisses an die Oberfläche geworfen werden. Man sprach früher von Volkshelden. Ihre Zahl beträgt bei allen Völkern eine kleine Legion. Das Banat als Teil der österreichischen Militärgrenze, des „Hofzaunes des Reiches“, ist nicht weniger reich an ihnen. Und dies um so mehr, als es seit dem Mittelalter bis in die neueste Zeit hinein trotz aller Friedensschlüsse ständig der Türkengefahr ausgesetzt war. Das Banat war eben das wichtigste Aufmarschgebiet der Türken gegen das christliche Abendland. Den Friedensschlüssen zwischen dem Habsburger Reich und der Pforte am Goldenen Horn stehen nachweislich ebenso viele Friedensbrüche gegenüber. Von der Türkengefahr war aber nicht nur das Habsburger Reich und vor allem Ungarn bedroht, sondern auch Südrußland. Österreich und Rußland oder genauer Kaiser Joseph II. und Zarin Katharina II. hatten ein gemeinsames Interesse an der Vertreibung der Türken aus Europa bzw. von der Balkanhalbinsel. Jedoch entschloß sich der Kaiser nur zögernd zu einem Bündnis mit der Zarin, obwohl der Monarchie für den Fall eines Sieges über das osmanische Reich auf dem Balkan bedeutende Landgewinne in Aussicht gestellt worden waren. Endlich am 2. Februar 1788 erklärte Joseph II. als Verbündeter Rußlands der Pforte den Krieg, bei welchem er selbst das Oberkommando übernahm.
Die Militärgrenze von der Adria bis zu den Karpaten wurde verstärkt. Außer der Eroberung der Festung Schabatz in Serbien kam es zu keinen größeren Kriegshandlungen und dies darum, weil im österreichischen Heer wegen der sommerlichen Hitze Epidemien ausgebrochen waren, die größere Aktionen gegen den Feind im Keime erstickten. Der Kaiser selbst wurde davon betroffen. So mußte er, bereits vom Tod gezeichnet, mit dem Heer durch das Banat den Rückzug antreten. Und dies um so mehr, als sich mittlerweile Preußen und die Pforte darüber verständigten, eine Machterweiterung Österreichs auf dem Balkan zu verhindern. Die Türken folgten den zurückziehenden Österreichern auf dem Fuß. Die donauschwäbischen Siedlungen im südlichen Banat wurden geplündert und gebrandschatzt. Der Kaiser war inzwischen am 5. Dezember 1788 doch glücklich in Wien angekommen, das Banat preisgebend, obzwar die Österreicher ein Heer von 180000 Mann auf die Beine gebracht hatten.
In dieser allgemeinen Verwirrung verlor nur einer nicht seinen Kopf, der Huf- und Wagenschmied Johann Jakob Hennemann von Werschetz. Ringsum im Laufe der Monate August und September 1788 eingeäscherte Dörfer und Städte. Auch die Kaiserlichen hatten daran Anteil, um den Türken die Unterkünfte und die Lebensmittelgrundlagen zu zerstören. Hennemann hatte es beim Kaiser noch wahrend dessen Aufenthalt im benachbarten Weißkirchen durchgesetzt, daß Werschetz mit Gewehren und Munition ausreichend versehen wurde. Die Bevölkerung von Werschetz, Deutsche und Serben, wurde jedoch von der Panik ebenso erfaßt wie die umliegenden Orte. Ende September 1788 war Werschetz nahezu menschenleer. In der allgemeinen Ungewißheit und Angst konnte Hennemann nur 75 Männer zum Verbleiben überreden, nämlich 70 Deutsche und fünf Serben, während die Wallachen (Rumänen) der Umgebung den Türken Kundschafterdienste leisteten. Als auch die Kaiserlichen aus der Stadt abgezogen waren, sah es in Werschetz nachgerade gespenstisch aus. Ein solches kleines Fähnlein wie das Hennemanns war der Türkenschar freilich nicht gewachsen und mußte darum seine Zuflucht zu Täuschungen und hinterlistigen Streichen nehmen, um die Türken hinters Licht zu führen. Als sie dann in den unmittelbar angrenzenden Bergen auftauchten bzw. Hennemann durch seine Kundschafter davon Kenntnis erhielt, ließ er seine Leute mit Pfeifen, Trompeten und Lärmschlagen die Straßen in Werschetz auf und ab marschieren, als ob dieses vom Militär dicht besetzt wäre. Mitunter stießen seine Leute Kommandorufe aus. Auf solche Art und Weise bewahrte Hennemann den aus 1500 Häusern bestehenden Marktflecken vor der Zerstörung durch die Türken, die mit 40000 Mann angerückt sein sollen. Er hielt mit den Seinen 21 Tage stand. Das Banat atmete auf, und es ist sicher, daß es vor unvorstellbaren Verwüstungen im Süden nicht bewahrt worden wäre, wenn es nicht ein paar beherzte Männer vom Schlage eines Hennemann gegeben hätte. Der Gemeinderat von Werschetz stellte ihm am 20. August 1791 wegen der Rettung der Stadt vor den Türken ein „Wohlverdienstes Zeugnis“ aus, das im „Nahmen der ganzen Deutsch Werschezer Gemeinde“ von 28 Bürgern unterschrieben wurde. Dasselbe taten die 28 Mitglieder des Werschetzer Raizischen Gemeinderates als schönes Zeugnis der nationalen Eintracht in einer gemischtsprachigen Stadt. Die 75 Verteidiger wurden lebenslänglich von der Kopfsteuer befreit. Johann Jakob (so die zwei Taufnahmen in der Matrikel!!) Hennemann wurde auf sein Ansuchen in den ungarischen Adelsstand erhoben, aber erst nach seinem Tode. Die Ehrung wurde seiner Witwe und seinen drei Söhnen zuteil, und zwar durch den Adelsbrief vom 22. November 1792, der durch das Komitat allerdings erst am 9. April 1794 überreicht wurde. Die Familie erhielt überdies 80 Joch „Überlandfelder“.
Lit.: Die Literatur über Johann Jakob Hennemann ist ziemlich umfangreich. Er wurde in Aufsätzen und geschichtlichen Reminiszenzen immer wieder ans Tageslicht geholt. Zusammenfassendes und Urkundliches brachte ich in meinem Aufsatz: Johann Jakob Hennemanns (1744-1792). Erhebung in den ungarischen Adelsstand für seine „Werschetzer Tat“ und das Zeugnis seiner Mitbürger. (Donauschwäbische Forschungs- und Lehrerblätter. München. März 1990). Von 13 Aufsätzen sind hervorzuheben: Friedrich Lotz: Geschichtliches und Sippenkundliches über Johann Jakob Hennemann. Volk und Heimat (Neusatz). Jg. 2 (1939). – Karl von Möller: Hennemann, ein deutscher Kämpfer im Südosten. Volk im Osten (Bukarest). Jg. 3 (1942). – Anton Peter Petri: Johann Jakob Hennemann, der Verteidiger von Werschetz im Jahre 1788. Donauschwäbische Briefe (Ulm). Jg. l (1960). – weiterhin eine Chronologie der Ereignisse um Hennemann. Zusammengefaßt von Josef Volkmar Senz im Donauschwaben (Aalen), Jg. 13 (1963), Nr. 29. Beachtung verdient der Roman Karl von Möllers: Die Werschetzer Tat. Roman von Bauern und Reitern. Braunschweig 1936.
Bild: Wandgemälde des 19. Jhs. in der Kirche von Werschetz