Seit Mai dieses Jahres ist die Kunsthistorikerin Birgit Aldenhoff bei der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen für die fachbezogene Beratung der Betreiber von ostdeutschen Heimatsammlungen zuständig. Vorrangiges Ziel ist dabei der Erhalt der Heimatsammlung vor Ort in Trägerschaft der Heimatvertriebenen beziehungsweise deren Nachkommen. Das Beratungsangebot kommt gut an und wird bereits intensiv genutzt. So wandte sich auch Peter Pinkas, zweiter Vorsitzender des Bundes der Niederländer, an die Kulturstiftung.
Im Zuge der Neukonzeption der Böblinger Museumslandschaft besteht bei den Verantwortlichen des Heimatmuseums Nordböhmisches Niederland die Befürchtung, dass man zukünftig keine Räume mehr zur Verfügung haben wird, um die Exponate der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Peter Pinkas, der das Heimatmuseum Nordböhmisches Niederland in Böblingen seit zehn Jahren ehrenamtlich betreut, wandte sich daher an die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen mit der Bitte um Unterstützung.
Thomas Konhäuser, Geschäftsführer der Kulturstiftung, schrieb daraufhin umgehend an Böblingens Oberbürgermeister Dr. Stefan Belz, und warb nachdrücklich darum „sich nachhaltig dafür einzusetzen, dass das Heimatmuseum Nordböhmisches Niederland als lebendiger Ort der Erinnerung im Zuge einer Neukonzeption des Stadtmuseums“ erhalten bleibt. Geschäftsführer Konhäuser wandte sich diesbezüglich auch an die Böblinger Landtags- und Bundestagsabgeordneten. Frau Birgit Aldenhoff von der Kulturstiftung führte ihrerseits vor Ort ein Beratungsgespräch mit Peter Pinkas.
Lange Tradition
Die Heimatsammlung des Bundes der Niederländer in Böblingen besteht schon seit 1955 und ist seit 1987 in den oberen Stockwerken der ehemaligen Vogtsscheune am Marktplatz beheimatet. Hier kümmern sich die Mitglieder des Bundes im Heimatmuseum Nordböhmisches Niederland ehrenamtlich um die Pflege einer einzigartigen Sammlung mit Ausstellungsstücken aus dem Schluckenauer Zipfel. Da sich die Böblinger Museumslandschaft derzeit in einem Neuordnungsprozess befindet, bangen die Böhmisch Niederländer nun aber um ihr traditionsreiches Heimatmuseum.
Nachdem sich die Kulturstiftung eingeschaltet hatte, kam Bewegung in die Causa. In seinem Antwortschreiben verwies Böblingens Oberbürgermeister Dr. Belz Anfang September darauf, dass es derzeit keinen Beschluss gebe, das Heimatmuseum zu verdrängen oder zu schließen und ein solcher Beschluss auch für die nächste Zeit nicht angestrebt werde. In einer schriftlichen Stellungnahme äußerte sich auch Thekla Walker, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg, zum Heimatmuseum: „Die Vertriebenen aus dem Nordböhmischen Niederland sind mit ihren Familien heute Teil der Böblinger Gesellschaft und somit Teil der stadtgeschichtlichen Entwicklung Böblingens. Innerhalb einer Darstellung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einer Stadt ist auch auf die Geschichte von Vertriebenen einzugehen, die sich in der Stadt niedergelassen und integriert haben.“
Neue Hoffnung schöpften Peter Pinkas und Maximilian Riedel, der sich als Vertreter der jungen Generation im Verein und Heimatmuseum der Böhmisch Niederländer engagiert, bei einem persönlichen Austausch, der auf Initiative des Böblinger CDU-Landtagsabgeordneten Paul Nemeth und des Böblinger CDU-Bundestagsabgeordneten Marc Biadacz vor Ort stattfand. Bei dem Treffen in Böblingen mit dabei war auch Thomas Konhäuser, der Geschäftsführer der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen. Die klare Botschaft nach dem Gedankenaustausch lautet: Das Heimatmuseum Nordböhmisches Niederland ist eng mit der Stadtgeschichte Böblingens verbunden. Die Stadt Böblingen sollte die 1964 übernommene Patenschaft tatkräftig erneuern, anstatt über eine mögliche Museumsschließung nachzudenken.
Termin vor Ort
Bei dem gemeinsamen Rundgang durch das Museum, begleitet von Peter Pinkas, Maximilian Riedel und Thomas Konhäuser, bekräftigten beide Abgeordnete, die familiäre Wurzeln im ehemaligen Sudetenland beziehungsweise in Oberschlesien haben, ihre Unterstützung für einen Erhalt des Museums in der Vogtsscheune. Das Heimatmuseum Nordböhmisches Nieder-land spiegelt in einzigartiger Weise mit kulturhistorisch bedeutenden Gegenständen wie Glaserzeugnissen, Webereien, Textilien, Weihnachtskrippen, Madonnen, Gemälden, Landschaftsreliefs, Architekturmodellen sowie weiteren Kulturgütern und Alltagsgegenständen das Leben, die Geschichte und die Mentalität der Deutschen im nordböhmischen Niederland wider.
„Auch wenn immer weniger Menschen persönliche Erinnerungen an Flucht und Vertreibung haben, ist das Erinnern weiterhin wichtig. Und gerade in der heutigen Zeit kann die beispielhafte Integration der nordböhmischen Niederländer in Böblingen vielen Zuwanderern als großes Vorbild dienen“, erklärte Paul Nemeth. „Wenn es die Museen oder Heimatstuben nicht mehr gibt, schwinden die Möglichkeiten, etwas über die Vergangenheit herauszubekommen, drastisch. Denn hier hat jedes einzelne Ausstellungsstück seine eigene Geschichte“, fügte Nemeth hinzu.
„Das Verhindern von möglichen Schließungen von Heimatstuben muss die Königsdisziplin unserer Arbeit sein“, sagte der Geschäftsführer der Kulturstiftung Thomas Konhäuser beim Termin im Heimatmuseum. „Und gerade hier in Böblingen muss eine Schließung unbedingt verhindert werden. Denn die Heimatstube erzählt vom Neustart gleich zahlreicher Vertriebener, die im zwischen August und Oktober 1946 in drei Eisenbahnzügen in Böblingen ankamen. Und man kann an dieser Stelle denke ich sagen, dass Böblingen in vielen Dingen ohne den Zuzug von Vertriebenen aus verschiedenen Regionen nicht da stehen würde, wo es heute steht“, machte Thomas Konhäuser deutlich.
Die überaus positive Reaktion war auch für Peter Pinkas und seinen designierten Nachfolger Maximilian Riedel ein Grund zum Aufatmen. In einem Beitrag in der Vereinszeitschrift „Unser Niederland“ (UN) schreibt Herr Pinkas dann auch: „Ich freue mich, liebe Leser, Ihnen heute bessere Nachrichten übermitteln zu können, als in der letzten UN. Nach den letzten Ereignissen blicken wir wieder mit vorsichtigem Optimismus in die Zukunft.“
- Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen
2020-09-22-Pressemitteilung-KS-11-2020-Ortstermin-im-Heimatmuseum-Böblingen