Köllers Eltern waren der Gutsbesitzer, Generallandschaftsdirektor und Landrat Ernst Matthias v. Köller (1797-1883) und seine Frau Juliane Mathilde, geb. v. Wedel (1803-1859). v. Köller wuchs in einer kinderlieben Familie auf. Über seine Jugendjahre wissen wir nichts. Im Alter von 19 Jahren begann er im Wintersemester 1860/61 in Heidelberg Rechtswissenschaften zu studieren und wurde dort Mitglied des Korps Saxo Borussia. Seit dem Wintersemester 1861/62 war er in Berlin immatrikuliert und schloß hier sein Studium 1863 ab. Anschließend leistete er seinen Wehrdienst in Friedeberg in der Neumark ab. Danach erhielt er eine Anstellung als Regierungsreferendar in der preußischen Verwaltung. Als der österreichisch-preußische Krieg 1866 ausbrach, nahm v. Köller daran teil und wurde in der Schlacht von Königgrätz schwer verwundet. Bald danach begann seine steile Karriere im Staatsdienst. 1869 wurde er Landrat im pommerschen Kreis Cammin. Seine politische Haltung kam in seiner parlamentarischen Tätigkeit deutlich zum Ausdruck. 1881 hatte er sich zum Abgeordneten der Konservativen Partei in den Reichstag wählen lassen und vertrat 1884 für seine Partei die Verlängerung des berüchtigten „Sozialistengesetzes“ auf weitere 6 Jahre. Vermutlich qualifizierte er sich in den Augen der Regierung dadurch für das Amt des Frankfurter Polizeipräsidenten, das er von 1887 bis 1889 innehatte. Dann wurde er zum kaiserlichen Unterstaatssekretär in Elsaß-Lothringen ernannt, wo er sich um ein gutes Verhältnis zu den sog. Notablen bemühte. Als Mitarbeiter des Reichsstatthalters Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst folgte v. Köller diesem nach dessen Berufung zum Reichskanzler und preußischen Ministerpräsident und wurde 1894 preußischer Innenminister. 1895 mußte er zurücktreten. Der Grund lag jedoch nicht darin, daß die von ihm ausgearbeitete und vorgetragene sog. Umsturzvorlage gegen die Sozialdemokratie im Reichstag durchfiel, sondern daß er im Interesse seines kaiserlichen Gönners gegenüber Ministerkollegen eine Indiskretion begangen hatte. Die Gunst Wilhelms II. blieb ihm jedoch erhalten, und 1897 wurde v. Köller zum Oberpräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein ernannt.
In seinem neuen Wirkungskreis bewies v. Koller eine wenig glückliche Hand. Sehr rasch geriet er in Konflikt mit der dänischen Minderheit in Nordschleswig. Anfänglich hatte er sich um Ausgleich bemüht, ging aber im September 1898 auf Anordnung des Kaisers zu harten Maßnahmen über, um die dänische Agitation zu unterbinden. Die in der Gravensteiner Konferenz beschlossenen Ausweisungen von Optanten und in Nordschleswig wohnhaften dänischen Staatsbürgern erregten in der deutschen liberalen und linksgerichteten Presse Abscheu, fanden jedoch in konservativen und nationalliberalen Kreisen Zustimmung. Diese Politik blieb erfolglos und schadete dem deutschen Ansehen in Skandinavien. Die „Köllerpolitik" ist seither zu einem Begriff für das repressive Verhalten eines Staates gegenüber nationalen Minderheiten geworden.
Nachdem v. Köller in Schleswig-Holstein gescheitert war, wurde er 1901 dort abgelöst und zum Staatssekretär in Elsaß-Lothringen ernannt. Offenbar durch seine negativen Erfahrungen im Norden belehrt, bewies er hier der Bevölkerung viel Entgegenkommen. Er gab sich offen und jovial und setzte sich für eine eigene Verfassung der Reichslande ein. Schließlich gelang ihm sogar die Aufhebung des Diktaturparagraphen in Elsaß-Lothringen, der den Behörden in Ausnahmefällen weitgehende Rechte zugestanden hatte.
1908 ging v. Köller in den Ruhestand. Noch einmal trat er in der Öffentlichkeit hervor, als er 1911 im preußischen Herrenhaus zum elsaß-lothringischen Verfassungsentwurf Stellung nahm. Im übrigen lebte er sehr zurückgezogen mit seiner Frau Martha Albertine (1851-1925) – die Ehe war kinderlos geblieben – und widmete sich genealogischen Studien des pommerschen Adels. Ein letzter Höhepunkt in seinem Leben war der Besuch Hindenburgs in Cammin am 80. Geburtstag. 1928 starb v. Köller im Alter von fast achtundachtzig Jahren, Ernst Matthias v. Köller war ein Sproß jener altpreußischen Adelsfamilien, die durch Jahrhunderte ihrem Staat gedient hatten. Aber er zählte zu den Vertretern seines Standes, die in der Zeit des Zweiten Deutschen Kaiserreiches eine allzu einseitige Pflichtauffassung gegenüber ihrem Herrscher bewiesen und für den lauten Beifall der konservativen Öffentlichkeit empfänglich waren, so daß sie zum Werkzeug für eine Politik wurden, die zwar ihrer Veranlagung, aber nicht immer ihrer Einsicht entsprach.
Lit.: Kai Detlev Sievers: Die Köllerpolitik und ihr Echo in der deutschen Presse 1897-1901 (Quellen u. Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins, Bd. 47). Neumünster 1964. – Troels Fink: Ustabil Balance. Dansk Udenrigs- og Forsvarspolitik 1894-1905. Aarhus 1961. – Kai Detlev Sievers: E. M. v. Köller, in: Schleswig-Holsteinisches Biographisches Lexikon, Bd. l, Neumünster 1970, S. 175f. – Gerd Callesen: Sozialdemokratie und Köllerpolitik in: Zeitschrift d. Gesellschaft f. Schleswig-Holstein. Gesch. 92 (1967), S. 129-154. – Ders.: Gustav Johannsen und die Köllerpolitik, in: Zeitschr. d. Gesellsch. f. Schleswig-Holst. Gesch. 93 (1968), S. 165-180.
Bild: K.D. Sievers: Die Köllerpolitik (wie oben).