Biographie

Bethusy-Huc, Eduard Graf von

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Parlamentarier
* 3. September 1829 in Bankau, Kr. Kreuzburg/Schlesien
† 19. November 1893 in Bankau, Kr. Kreuzburg/Schlesien

Eduard Graf von Bethusy-Huc stammt aus einem im Languedoc ansässigen französischen Adelsgeschlecht. Sein Großvater Ernst Philipp war über die französische Schweiz eingewandert, 1793 in den Grafenstand erhoben worden und hatte Anna Gräfin Posadowsky-Wehner geheiratet. Sein Vater Heinrich war mit Charlotte von Bosse verheiratet, und er selbst wählte seine Frau, Emmy von Ohlen und Adlerskron (1837-1895), ebenfalls aus schlesischem Adel.

Nach dem Abitur in Halle a. S. studierte Bethusy Rechtswissenschaft in Bonn, Berlin und Breslau, legte die Auskultatorprüfung ab, unternahm 1852 eine Reise, die ihn durch Frankreich, Italien, Griechenland, Kleinasien und Ägypten führte. Im Jahre darauf übernahm er die Verwaltung des Familienbesitzes Bankau und Albrechtsdorf, insgesamt über 4000 Hektar, im Kreis Rosenberg/ Oberschlesien. Er gehörte mehr zu den schlesischen „Magnaten“ als zu den ostelbischen Junkern.

1856 wurde Bethusy in den Kreuzburger Kreistag, Ende 1861 als konservativer Abgeordneter in den schlesischen Provinziallandtag gewählt. Dieses Mandat hatte er bis 1880 inne. In Wort und Schrift (Die ständischen Rechte mit Bezug auf Polizei und Kreis, 1860) vertrat er die eher liberale Auffassung, das Verfassungsleben sei „lebendig und von unten herauf zu entwickeln“. Gegen die Meinung vieler Standesgenossen verlangte er eine Reform der ländlichen Selbstverwaltung, u. a. die Abschaffung polizeilicher Befugnisse, die mit dem Besitz eines Ritterguts verbunden waren. „Daß ein Eigentum jedem seiner zufälligen Besitzer Rechte über Dritte gewähren soll, ist unlogisch und unmoralisch … Mit demselben Fug wie ein Rittergutsbesitzer könnte der Besitzer eines jeden Hauses die Polizei über seine Mieter erhalten.“ Mit den Liberalen stimmte Bethusy im April 1863 für ein Gesetz über die Ministermitverantwortlichkeit. Das bedeutete die Trennung von den Altkonservativen. Ohne sich nun den Liberalen anzuschließen, blieb er als Parteiloser im Parlament. Nach dem Sieg Preußens über Österreich 1866 und dem sogleich eingeleiteten Bemühen Bismarcks um Beilegung des Verfassungskonflikts in Preußen gründete Bethusy die „Freikonservative Vereinigung“, die sich, mit zunehmendem Abstand zu den Altkonservativen, 1867 zur Freikonservativen Partei entwickelte und sich nach 1871 „Deutsche Reichspartei“ nannte. Sie hatte 1867 im preußischen Landtag 52, im ersten deutschen Reichstag 38 Abgeordnete, besonders aus Schlesien und dem Rheinland, und stieg 1878 auf 56 Sitze. Die Partei setzte sich vornehmlich aus einem Personenkreis zusammen, der, auch unabhängig von einem Mandat, führend in Wirtschaft, Verwaltung und Politik war. Zu ihr gehörten unter anderem Graf Renard, der Herzog von Ujest (Fürst zu Hohenlohe-Oehringen), Fürst  Chlodwig  Hohenlohe-Schillingsfürst, Karl Stumm (später Freiherr von Stumm-Halberg), Robert Lucius (später Freiherr Lucius von Ballhausen), Heinrich von Achenbach, Graf Otto Stolberg, Rudolf Friedenthal, Graf Wilko von Wintzingerode und Freiherr von Varnbüler. Hinzu kamen eine Anzahl von Magnaten wie der Fürst von Pleß, Fürst Lichnowsky, der Herzog von Ratibor sowie die Grafen von Maltzan-Militsch, Frankenberg, Praschma, Schaffgotsch und zu Solms-Laubach. Der „Notabelncharakter“ dieser Partei verhinderte, ähnlich wie zuvor bei der „Wochenblattspartei“, eine Breitenwirkung. Sie unterstützte nachdrücklich die Politik Bismarcks, der ihrem rechten Flügel nahestand. Dessen Söhne schlössen sich ihr später an und erhielten ein Mandat: Wilhelm 1878 bis 1881, Herbert 1884 bis 1885 und 1893 bis 1904.

„Mein letztes Ziel ist die möglichst feste und möglichst vollständige Vereinigung Deutschlands unter Hohenzoller’scher Führung“, so hatte Bethusy im Februar 1867 erklärt. Seine unitarischen Vorstellungen gingen so weit, daß die Eigenständigkeit Preußens aufgegeben werden, Reichsministerien eingeführt und der Fahneneid nur auf den Bundesfeldherrn, also den König von Preußen, nicht auf die Landesfürsten geleistet werden sollte. Das entsprach jedoch nicht den föderativen Vorstellungen Bismarcks. Immerhin ging die endgültige Fassung des Artikels 15 der Verfassung auf Bethusys Einfluß zurück, wonach „der Vorsitz im Bundesrat und die Leitung der Geschäfte“ dem Bundeskanzler zustanden.

Mit der am 13. Dezember 1872 verabschiedeten Kreisordnung wurde die gutsherrliche Polizei- und Dorfverwaltung beseitigt. Die Institutionen der neuen Ordnung waren Landrat, Kreistag und Kreisausschuß. Die Verwaltungsaufgaben, die von den Bezirksregierungen fortan auf die Landkreise übertragen wurden, erforderten einen Verwaltungsjuristen als Landrat. So wurde der Landrat alter Art, der vorwiegend aus dem örtlichen Großgrundbesitz stammte und häufig auf  Lebenszeit in dieser Stellung blieb, abgelöst durch einen Beamten, für den der Posten eine Stufe in der Laufbahn des höheren Verwaltungsbeamten bildete. Zwar hat diese Reform denEinfluß des Großgrundbesitzes nicht beseitigt, sondern eher in neuen gesetzlichen Formen gesichert, doch bedeutet dieses Gesetz mit seinem „konservativ-liberalen Kompromißcharakter“ (Heffter) einen Fortschritt des Selbstverwaltungs- und Rechtsstaatsgedankens in Preußen. An dem Zustandekommen dieses Gesetzes war, neben führenden Nationalliberalen, Bethusy zusammen mit seinen Fraktionskollegen Wilhelm von Kardorff und Rudolf Friedenthal maßgeblich beteiligt. Man nannte es das freikonservative Gesetz (Kardorff).

Die Reichsgründung von 1871 bedeutete für Bethusy die Erfüllung langgehegter Wünsche. In den 70er Jahren wandte er sich gegen die Strömungen und Tendenzen, die der deutschen Einheit entgegenwirkten. Dazu rechnete er auch die im Dezember 1870 gegründete Zentrumspartei und nahm in seiner ersten Rede, die er im ersten deutschen Reichstag hielt, entschieden Stellung gegen Ausführungen des Zentrumsabgeordneten Freiherrn von Ketteler, des Bischofs von Mainz. Im Kulturkampf, der Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche, unterstützte er nachdrücklich die Kampfgesetze des preußischen Kultusministers Adalbert Falk, der von Bismarck beauftragt war, „die Rechte des Staates gegenüber der Kirche wiederherzustellen, und zwar mit möglichst wenig Geräusch“. Dies mißlang. Bethusy, von 1874 bis 1879 Zweiter Vizepräsident des preußischen Landtags, sprach 1878 von der Notwendigkeit, den schwerwiegenden Streit zu beenden, bei dem er, ebenso wie die Nationalliberalen, sowohl gegen die Machtansprüche der katholischen Kirche als auch gegen die der protestantischen Orthodoxie gekämpft hatte. Im Rahmen der Beilegung dieses außerordentlich hart geführten Kampfes und der Bemühungen Bismarcks und des neuen Papstes um Wiederannäherung und Normalisierung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche trat Falk im Juli zurück, und Bethusys Tätigkeit als Vizepräsident endete im Oktober 1879.

Von 1880 bis 1885 war Graf Bethusy noch Landrat seines Heimatkreises, dann zog er sich, stets kränklich, auf seine Güter zurück. Ein Freund kultivierter Geselligkeit, hielt er in Bankau bis zu seinem Tode enge Verbindung mit namhaften Persönlichkeiten seiner Zeit. Dazu gehörten unter anderem der mit ihm befreundete evangelische Kirchenhistoriker Franz Nippold, der ältere Moltke (dessen Neffe Wilhelm hatte die älteste Tochter Bethusys geheiratet), Max von Forckenbeck, damals Oberbürgermeister von Breslau, der oberschlesische Industrielle Guido Graf Henckel von Donnersmarck und besonders Wilhelm von Kardoff, sein jahrzehntelanger Mitstreiter und Nachfolger als Führer der Deutschen Reichspartei. Die Anziehungskraft, die er auf so unterschiedliche Charaktere ausgeübt hat, mag nicht zuletzt auf seinem ausgeprägt französischen Esprit beruht haben.

Schriften: Die ständischen Rechte in Bezug auf Polizei und Kreis. Berlin 1860. – Die Schwerinsche Kreisordnung. Kreuzburg 1863. – Offener Brief an meine Wähler. Kreuzburg 1867.

Lit.: Heinrich von Poschinger: Bismarck und die Parlamentarier. Bd. 3, Breslau 1896, S. 283-293. – Friedrich Nippold: Führende Persönlichkeiten zur Zeit der Gründung des Deutschen Reiches. Berlin 1911, S. 123-161. – Siegfried von Kardorff: Wilhelm von Kardorff. Berlin 1936. – Heinrich Heffter: Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert. Stuttgart21969, S. 459-463. – Ders.: Bethusy-Huc. In: Neue Deutsche Biographie 2, 1955, S. 193 f. – Helmut Neubach: Eduard Graf von Bethusy-Huc, der Gründer der Freikonservativen Partei. In: Parteien und Politiker in Schlesien. Dortmund 1988, S. 7 -17.

Bild: Nach einem Holzstich aus dem Jahre 1872, Bildarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Georg_von_Bethusy-Huc

Ekkehard Verchau