Im östlichsten Kronland der österreichisch-ungarischen Monarchie, der Bukowina, wurde Joseph Gregor am 26. Oktober 1888 in der Hauptstadt Czernowitz als Sohn des k. k. Baurates Joseph Gregor und seiner Ehefrau Albertine Fiala geboren. Vater Joseph stammte aus einer Lehrer- und Bauernfamilie aus dem böhmischmährischen Grenzland. – Nach dem Besuch der Oberrealschule in Czernowitz fuhr der 19jährige im Jahre 1907 zum Studium nach Wien.
Nach Zwischenstationen an der Berliner und Münchner Universität kehrte J.G. nach Wien zurück und promovierte 1911 zum Dr. phil. mit einer Dissertation „Die musikalische Entwicklung des Problems vom Ausdruck“. Während des Studiums besuchte er gleichzeitig das Konservatorium der „Gesellschaft der Musikfreunde“ in Wien, war Regieschüler an der Wiener Hofoper und arbeitete 1910 als Regieassistent bei Max Reinhardt. 1912 kehrte J.G. nach Czernowitz zurück und wurde Lektor für Musik an der Czernowitzer Universität bis zum Kriegsausbruch 1914, als er Soldat wurde. Nach Kriegsende ging Gregor zurück nach Wien, wo er 1915 Sophie von Eulenthal geehelicht hatte. Als Beamter der Österreichischen Nationalbibliothek gründete J. G. eine Theatersammlung und 1929 das Archiv für Filmkunde. Als Direktor der Nationalbibliothek war J. G. auch als Pädagoge tätig: 1929 Lehrer am Max Reinhardt Seminar, 1932 Honorardozent an der Akademie für bildende Künste und ab 1947 Privatdozent an der Universität Wien. – Zum Wirklichen Hofrat ernannt, mit dem Titel Professor geehrt, trat J. G. nach 35jähriger erfolgreicher Tätigkeit, zuletzt als Generalstaatsbibliothekar, 1953 in den Ruhestand. Gregor gehörte zu den glücklichen Menschen, die ihre berufliche Tätigkeit mit den persönlichen musischen und wissenschaftlichen Interessen verknüpfen konnten. Im Dienste der Thalia“ – wie Gregor es nannte – verfaßte er theatergeschichtliche und theaterwissenschaftliche Werke, die bis heute anerkannte Standardwerke sind. Dem Theater der Josephstadt und der Wiener Staatsoper widmete er Monographien berühmter Künstler. Seine Bewunderung für die Antike spiegelt sich in den Monographien „Perikles“ und „Alexander der Große“ wider.
Weitere Monographien widmete er Richard Strauss, Gerhart Hauptmann, Clemens Krauss und Clemens Holzmeister. In seinem „aktiven Ruhestand“ entstand von 1954-1957 ein sechsbändiger Schauspielführer. Zwei Jahre vor seinem Tod veröffentlichte er „Die Theaterregie und die Welt unseres Jahrhunderts“. Seine lyrische Begabung fand in zwei Gedichtbänden (1921 und 1934) und in Liedertexten ihren Niederschlag. Als Epiker wurde er mit zwei Romanen und zwei Novellen bekannt. Seine Faszination für das Theater fand in eigenen dramatischen Werken ihren Ausdruck, die von tiefen kulturgeschichtlichen Kenntnissen geprägt sind, für drei Opern von Richard Strauss schrieb Gregor die Librettis. Der Briefwechsel zwischen Richard Strauss und Joseph Gregor wurde im Auftrag der Wiener Philharmoniker 1955 in Salzburg verlegt.
Joseph Gregor war dreimal verheiratet: 1915 heiratete er in Wien Sophie von Eulenthal, 1923 in Spittal Felizitas Huber (verst. 1944), seine dritte Ehefrau Maria Kotera überlebte ihn um zwei Jahre und wurde neben diesem berühmten Buchenländer auf dem Zentralfriedhof in Wien 1962 bestattet.
Werke (Auswahl): Lyrik: Gesänge (Musik Robert Haas), 1914; Gedichte I, 1921, Gedichte II, 1934; Romane: Isabella von Orta, 1920, Erben, 1921; Novellen: Brand, 1923, Die Schwestern von Prag, 1929; Dramatisches: Welt und Gott, 1923, Der standhafte Prinz, 1936, Das Spiel von den drei Marien, 1936, Der Furchtsame, 1944, Semiramis (Opernentwurf n. Calderón), Florian Geyer; Libretti für Strauss: Friedenstag, 1938, Daphne, 1938, Die Liebe der Danae, 1944 (aufgeführt 1952 in Salzburg); theaterwissenschaftl. Werke: Denkmäler des Theaters, 1924-1930, 12 Bde; Weltgeschichte des Theaters, 1933; Shakespeare, der Aufbau eines Zeitalters, 1935; Das Wiener Barocktheater, 1922; Das Theater in der Wiener Josefstadt, 1924; Das russische Theater (mit R. Fülöp-Miller), 1927; Das amerikanische Theater und Kino, 1931; Das spanische Welttheater, 1937; Kulturgeschichte der Oper, 1941; Kulturgeschichte des Ballets, 1944; Geschichte des österreichischen Theaters, 1948; Der Schauspielführer, 6 Bde., 1954-1957; Die Theaterregie und die Welt unseres Jahrhunderts, 1958.