Fachtagungen

Wissenschaftliche Fachtagung der Kulturstiftung zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Südosteuropa

Wissenschaftliche Fachtagung der Kulturstiftung zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Südosteuropa
Das Haus der Donauschwaben in Sindelfingen bei Stuttgart ist gleichzeitig Begegnungsstätte, Museum und Archiv

Die zeithistorische Fachtagung „Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Südosteuropa: Persönlichkeiten, Konzepte und Schicksale“ der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen bildete am 10. und 11. Oktober 2020 den Abschluss einer dreijährigen Konferenzreihe. Vor zwei Jahren hatte man den Widerstand in Schlesien und dem Sudetenland beleuchtet und letztes Jahr dann Westpreußen, Ostpreußen sowie Pommern untersucht.

Als Tagungsort hatte man dieses Jahr das Haus der Donauschwaben in Sindelfingen gewählt. Wegen der aktuellen Corona-Lage waren einige Referent*innen online zugeschaltet und die Zahl der Plätze im Saal stark reduziert. Um die Tagung auch weiteren Interessierten zugänglich machen zu können, wurde das gesamte Konferenzprogramm live auf dem Youtube-Kanal der Kulturstiftung gestreamt und kann auch weiterhin dort abgerufen werden.

Wissenschaftliche Fachtagung der Kulturstiftung zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Südosteuropa
Christine Czaja-Grüninger, stv. Vorstandsvorsitzende der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen

Zum Auftakt der Tagung sprachen Christine Czaja-Grüninger, stv. Vorstandsvorsitzende der Kulturstiftung, und Raimund Haser, MdL und Vorsitzender des Vereins Haus der Donauschwaben, Grußworte, in denen sie ihre Freude darüber zum Ausdruck brachten, dass gerade dieses Tagungsthema im Haus der Donauschwaben besprochen werden kann. Anschließend begrüßten auch Stefan Teppert, der die Tagungsleitung innehatte, und Thomas Konhäuser, Geschäftsführer der Kulturstiftung, die Anwesenden im Saal und die Zuschauer online.

Das Programm begann mit einem Beitrag Stefan Tepperts zum Leben und Werk von Hans Bergel, der als Autor seine persönlichen Erfahrungen in Siebenbürgen in zahlreichen Büchern verarbeitet hat. Der Zeitzeuge des Widerstands gegen den Nationalsozialismus und später gegen den Kommunismus hatte zwar aus gesundheitlichen Gründen eine persönliche Teilnahme an der Tagung in Sindelfingen absagen müssen, hatte es sich aber nicht nehmen lassen, passende Textpassagen aus seinem Roman „Wiederkehr der Wölfe“ herauszusuchen, die Ines Szuk vortrug.

Wissenschaftliche Fachtagung der Kulturstiftung zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Südosteuropa
Die Tagungsleitung übernahm Stefan Teppert

Anschließend sprach der Autor und Filmemacher Thomas Dapper über deutschen Widerstand im besetzten Vielvölkerstaat Jugoslawien. Vielen Donauschwaben, die sich in Opposition zum Nationalsozialismus sahen, blieb unter den spezifischen Umständen in Jugoslawien nur die innere Emigration, fasste Dapper seine Erkenntnisse zusammen. Helmut Staudt, evangelischer Pfarrer im Ruhestand, berichtete anschließend vom evangelisch-kirchlichen Protest und Widerstand in Südosteuropa.

Der zweite Konferenztag begann mit der Verlesung eines Grußwortes des emeritierten Erzbischofs Dr. Robert Zollitsch, der seine eigenen Erfahrungen mit Widerstand und Kollektivschuldvorwürfen im ehemaligen Jugoslawien beschrieb. Anschließend stellte Wilhelmine Schnichels, Vorsitzende der Donauschwäbischen Kulturstiftung, in ihrem Vortrag Persönlichkeiten aus den Reihen der katholischen Donauschwaben und deren Kampf gegen Totalitarismen vor. Sie zeigte auf, wie diese von verschiedenen politischen Seiten aus Unterdrückung und Verfolgung ausgesetzt waren.

Wissenschaftliche Fachtagung der Kulturstiftung zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Südosteuropa
Thomas Konhäuser, Geschäftsführer der Kulturstiftung war aus dem Berliner Büro der Kulturstiftung zugeschaltet

Helmut Erwert beschäftigte sich mit zeithistorisch belegten Szenen aus seinem Roman „Elli oder Die versprengte Zeit“. Er wies in der anschließenden Diskussion auch darauf hin, dass Handlungen immer in ihrem geschichtlichen Kontext wahrgenommen werden müssen.

Dr. Kathi Gajdos-Frank stellte ihre Forschung zu den Aufzeichnungen des ungarischen Staatssicherheitsdienstes zum ungarndeutschen Widerstand vor. Es habe keine einheitliche Form gegeben, vielmehr sei Widerstand als individuelle Entscheidung wahrgenommen worden. Nach 1945 habe der Kollektivschuld-Gedanke aber dazu geführt, dass sogar Familien, denen offiziell bescheinigt worden war, während des Krieges nicht kollaboriert zu haben, vertrieben wurden.

Die Tagung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen machte deutlich, dass es keine einheitliche deutsche Gegenbewegung zum Nationalsozialismus in Südosteuropa gegeben hat. Die Opposition reichte von innerem Exil über kirchliche Organisation bis hin zu bewaffnetem Widerstand in den Reihen der Partisanen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ging vielerorts die Gegenwehr zudem als Widerstand gegen andere Formen der totalitaristischen Machtausübung und Unterdrückung weiter. Diese Kontinuität wird ein spannendes Forschungsfeld bleiben. Der geplante Tagungsband zur Konferenz „Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Südosteuropa: Persönlichkeiten, Konzepte und Schicksale“ wird dazu einen guten Ausgangspunkt liefern.

 

Wissenschaftliche Fachtagung der Kulturstiftung zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Südosteuropa
Für den musikalischen Abschluss des ersten Konferenztages mit Werken von deutschen Komponisten aus Südosteuropa sorgten Lydia Zborschil und Hildegund Treiber

Die Beiträge der Referenten sind als Video auf dem Youtube-Kanal der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen abrufbar: www.bit.ly/kulturstiftungvideo