Pommerschen Urkundenbuch, Stettin 1868 ff. glauben, so befand sich früher an der Stelle, die heute der massige Schloßkörper einnimmt, eine Burg, castrum genannt. Das nach zwei Seiten abfallende bebaute Plateau war mit hohen Erdwällen und Verpfahlungen gegen etwaige Eindringlinge abgesichert. Die frühe Burganlage, die das Plateau weitgehend bedeckte und sich bis zum Marienplatz erstreckte, galt als uneinnehmbar. An die Burganlage schlossen sich gleichfalls befestigt die Tempelburg und zur Oder hin ein wendischer Marktflecken an, das sogenannte suburbium mit dem Krug (forum cum taberna).
Nachdem die Siedlung „Stettin“ (PUB 417) am 3. April 1243 Magdeburger Stadtrecht erhalten hatte, versprach Herzog Barnim I. spätestens bis 1249 die einstige Burganlage schleifen zu lassen und die so gewonnene Freifläche zur Bebauung durch die Bürger freizugeben. Sich selbst sicherte er lediglich im strittigen Areal den Bau eines größeren Wohnhauses zur Hofhaltung. Obwohl sich die Stettiner Bürgerschaft (universitas civium) zunehmender Selbständigkeit seit 1243 erfreute, bleibt schon Martin Wehrmann die auffällige Nachgiebigkeit des Pommernherzogs unerklärlich (vgl. Wehrmann, S. 23).
Erst die Regierungsübernahme durch Barnim III. 1344 veränderte die Gewichte insofern grundlegend, als der neue Herrscher machtvoll dem Vormachtstreben der Stettiner Bürgerschaft bzw. ihrer Vertreter schnell ein Ende setzte. Sichtbares Zeichen der neuen Machtverhältnisse war 1324 der Baubeginn eines größeren Hauses auf dem Burgplatz. Das rief zwangsläufig den Widerstand der Bürgerschaft hervor. Man fühlte sich geprellt und verwies auf die Zusagen Barnims I., keine Burg mehr innerhalb der Stadt zu errichten. Man bewaffnete sich, verjagte die Zimmerleute von der Baustelle und zerstörte die bereits gesetzten Grundmauern. Doch dem scheinbaren schnellen Erfolg folgte schon bald die Ernüchterung. Auch wenn man über den weiteren Verlauf des Streits bzw. Einzelheiten der Auseinandersetzung zwischen dem Herzog und der Bürgerschaft Stettins wenig weiß, informiert letztendlich der zwischen den streitenden Parteien am 24. August 1346 geschlossene Vertrag über Gewinner und Verlierer. Unter Federführung des Camminer Bischofs Johann wurde entschieden, daß „Rat, Schöffen, Gilden, und Gemeinde“ Barnim III. ein Steinhaus errichten müssen, „100 Fuß lang, 30 Fuß breit und 25 Fuß hoch, mit zwei Stockwerken, einem gewölbten Keller. Das Ganze solle mit einer 12 Fuß hohen Steinmauer umgeben werden“. Es versteht sich von selbst, daß zu einem repräsentativen „herzoglichen Haus“ auch Nebengebäude für die Dienerschaft, Ställe usw. gehörten, obwohl davon nur wenig in der Literatur Erwähnung findet.
Obwohl schon dies Bauvorhaben die Stettiner nicht nur finanziell stark belastete, forderte der Vertrag außerdem noch den Bau einer steinernen Kapelle, so groß wie die Sankt Jürgenskappelle unweit Stettins, um die ein Kirchhof herum angelegt werden solle, der umlaufend von einer fünf Fuß hohen steinernen Mauer eingefaßt werden mußte. Für die Fertigstellung des gesamten Projekts wurde der Stettiner Bürgerschaft eine Frist bis zum 29. September 1347 gesetzt. Unter dem Druck weiterer zusätzlichen Zwangsmaßnahmen begann man umgehend mit dem Bau der vertraglich vereinbarten Bauten. Schon im Spätherbst waren erste Baumaßnahmen erfolgreich abgeschlossen. Bereits am 3. Oktober 1346 ließ Barnim III. die Kapelle, aus der später die Schloßkirche im westlichen Teil des Nordflügels erwuchs, durch Otto von Bamberg weihen, dem Apostel Pommerns.
Es steht außer Zweifel, daß der 1346 begonnene Baukörper des herzoglichen Hauses die ältesten Partien des heutigen pommerschen Herzogschlosses verkörpert, ohne daß dies – vergleichbar vielen anderen historischen Baudenkmälern – für den Besucher optisch unterscheidbar bzw. wahrnehmbar ist. Geschickt haben die Baumeister der nachfolgenden Jahrhunderte die einzelnen Bauphasen des Schlosses miteinander verschmolzen, so daß selbst die umfangreichen Erweiterungen in der Renaissance durch Herzog Bogislaw X. und seine Söhne Georg I. und Barnim XI. hier keine Ausnahme bilden.
Hugo Lembcke unterscheidet in seiner ausführlichen Schloßmonographie bis zur Belagerung der Stadt durch die Brandenburger 1677 insgesamt sechs Bauphasen, die zusammengefaßt dem Schloß jenes Aussehen gaben, das jedem Stettiner vertraut ist. So wird dem 1346 begonnenen herzoglichen Haus um 1430 der sogenannte Kasimirbau angefügt, der jedoch schon 1434 auf Befehl Kasimirs VI. wieder abgerissen wird. Weitaus wichtiger ist allerdings die nach 1503 erfolge Erweiterung durch Bogislaw X., der dem eher schlichten und seiner Machtentfaltung abträglichen Wohnsitz neue Impulse vermittelt. Er wünschte den Bau eines auch für Festlichkeiten und höfische Prachtentfaltung geeigneten „neueren und größeren Hauses“. Daß derartige kostenträchtige Bauvorhaben erneut den Widerspruch der Stettiner Bürgerschaft hervorriefen, bedarf wohl keiner besonderen Betonung. Auch wenn der Prachtbau des Südflügels nur in seinen unteren Teilen über die Jahrhunderte erhalten geblieben ist, werden architektonische Einflüsse sichtbar, die Herzog Bogislaw X. während seiner Italienreise gewonnen hatte.
Auch der Sohn Bogislaw X., Herzog Barnim XI., hat sich bei den Erweiterungsbauten des Stettiner Herzogschlosses große Verdienste erworben. Eine im Ostflügel angebrachte Inschrift oberhalb eines neunfeldigen Wappens aus Stein mit der Inschrift: „Dei gratia eius nominis XI. Buguslai X. Filius Stettini. Pomeraniae cassubiae wandaliae dux rugeorum princeps comes guscoviae“ soll daran erinnern, daß Barnim XI. 1538 die bis dahin offene Seite des Schloßhofes durch einen Ostflügel abschloß, in dem sich u. a. die herzoglichen Gemächer, aber auch Wirtschaftsräume wie z. B. das Brau- und das Backhaus befanden. Der Bau des Ostflügels ist zugleich der gelungene Abschluß der mittelalterlichen Baumaßnahmen. Niemand konnte damals ahnen, daß ein Brand 1551 den erst 1538 fertiggestellten Ostflügel weitgehend wieder vernichtete und Barnim XI. zwang, seine Wohnung vorübergehend in die Oderburg nach Grabow zu verlegen, in die ehemalige Karthause Gottesgnade. Der Wiederaufbau des zerstörten Ostflügels um 1560 gelang noch während der Regentschaft Barnim XI. Seit 1573 regierte Herzog Johann Friedrich in Stettin. Im Gefolge Maximilians II. hatte er den Glanz kaiserlicher Hofhaltung erlebt, so daß es nicht verwundert, daß das Stettiner Schloß seinen Vorstellungen von Hofhaltung und Ausstrahlung nicht entsprach. Er begann sogleich, es gründlich umzubauen. Nur der nach 1503 begonnene Bogislaw- und der nach 1560 erfolgte zweite Barnimsbau blieben von größeren Umbauten verschont. Diesen umfangreichen Umbauten verdankte das Herzogschloß im wesentlichen seine bis 1945 vertraute Gestalt.
Auch wenn die Umbaumaßnahmen Johann Friedrichs dem Ganzen Großzügigkeit und Geräumigkeit verliehen, genügten sie den Ansprüchen der Nachfolger nur kurze Zeit. Namentlich unter dem kunstliebenden Philipp II. boten Wände und Gemächer zu wenig Platz, um die zahlreichen Kunstschätze, Bücher, Wandteppiche, Bilder wirkungsvoll zu plazieren. Um dem Mißstand abzuhelfen, ließ Philipp II. den westlichsten, an die Kleine Ritterstraße stoßenden Flügel des Schlosses bauen, an dessen Nordgiebel bemerkenswerte Ausdrucksformen der Renaissance sichtbar werden. Philipp II., der sich persönlich um die Fortschritte beim Bau kümmerte, die Handwerker bei der Arbeit aufsuchte, hat die Vollendung des Baus 1619 nicht mehr erlebt. Das damalige Aussehen des Stettiner Herzogschlosses ist nach dem Kupferstich von M. Merian einprägsam überliefert.
Mit dem Philippsbau 1619 schließt sich der baugeschichtliche Bogen. Das Greifengeschlecht konnte jedoch den endlich vollendeten Bau nicht lange genießen; denn bereits 1637 starb mit Bogislaw XIV. das pommersche Herzoghaus aus.
Lit.: Paul Friedeborn: Historische Beschreibung der Stadt Alten Stettin in Pommern, Stettin 1613. – Hugo Lemcke: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Stettin, Heft XIV, Abteilung I: Das Königliche Schloss in Stettin, Stettin 1909. – Pommersches Urkundenbuch, Stettin 1868 ff.. – Jan Piskorski, Bogdan Wachowiak, Edward Wlodarczyk: Stettin – Kurze Stadtgeschichte, Poznan (Posen) 1994. – Stettiner Neueste Nachrichten (Hrsg.): Album Pommerscher Bau- und Kunstdenkmäler, Stettin 1899. – Martin Wehrmann, Geschichte der Stadt Stettin, Stettin 1931. – Ernst Völker: Stettin – Daten und Bilder zur Stadtgeschichte, Leer 1986.
Bild: Stettiner Schloss / Quelle: Von Dorota Kowalik – Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=62714910
Gottfried Loeck