Ereignis vom 1. Februar 1411

Der erste Thorner Friede

Friedensurkunde Władysławs II. und Vytautas’

Dieser Friedensschluss von 1411 besiegelte eine Entwicklung, die sich seit einigen Jahrzehnten für die Situation des Ordenslandes Preußen, und damit auch für den gesamten Deutschen Orden, abgezeichnet hatte, nämlich eine diesen bedrohende Koalition zwischen dem Königreich Polen und dem Großfürstentum Litauen. Der militärische Zusammenstoß der ungleich großen (Söldner-)Heere endete am 15. Juli 1410 beim Dorf Tannenberg für den Deutschen Orden mit einer ungeheuren Niederlage: der Hochmeister Ulrich von Jungingen sowie die Mehrheit der Ordensritter blieben als Gefallene auf dem Schlachtfeld; fast das ganze Ordensland stand dem König von Polen, Wladislaw II. Jagiello, zur Einnahme offen. Nur dadurch, dass der spätere Hochmeister Heinrich von Plauen das von ihm geführte Heer in die Marienburg zu verlegen und diese sozusagen als letzte Bastion über zwei Monate erfolgreich zu verteidigen vermochte, konnten das militärische Desaster und desen politisch-propagandistischen Folgen sich nicht ungeschmälert auf die machtpolitische und diplomatische Position des Ordens auswirken. Angesichts dieser Ausgangssituation für Friedensverhandlungen, die in mehreren Etappen zwischen den polnisch-litauischen Unterhändlern und der Ordensdelegation wesentlich auf einer Weichselinsel bei Thorn erfolgten Besiegelung und Austausch der endgültig ausgefertigten Urkunden wurden am 10. Mai 1411 zu Zlotterie an der Drewenz vorgenommen, ist das Ergebnis des Friedensschlusses vom 1. Februar 1411 (,,ewiger Frieden“ als relativer vertragstechnischer Begriff) erstaunlich günstig für den Orden ausgefallen. Die Gefahr des Abfalls des westlichen Preußenlandes, namentlich des Kulmer Landes, wurde gebannt, der gesamte territoriale Bestand des Ordenslandes Preußen blieb erhalten. Gleichwohl waren die territorialen Opfer, die im Friedensschluss festgeschrieben wurden, schmerzlich. Im Süden (Dobriner Land) mussten Grenzregulierungen, die aber noch Schiedsgerichten zur Entscheidung vorbehalten waren, hingenommen werden. Strategisch empfindlicher war die mühsam erkämpfte Landbrücke zwischen Preußen und Livland, nämlich Schamaiten, das nun dem Orden wieder verlustig ging, wenn auch unter der Klausel: nur für die Lebenszeit des litauischen Großfürsten Witold. Langfristig drückte den Orden aber noch mehr die finanzielle Bürde, die ihm der Friede für die Gefangenenauslösung und Burgenräumung auferlegte, nämlich die Zahlung von 100.000 Schock böhmischer Groschen an die Sieger. Dieser erste Thorner Frieden – der zweite von 1457 holte sozusagen die polnischen territorialen Zielvorstellungen, einschließlich der Übergabe der Marienburg, nach – markiert eine Zäsur in der Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen, ist aber nicht allein als kausal für dessen Niedergang im 15. Jahrhundert zu bewerten.

Lit.: Die Staatsverträge des Deutschen Ordens in Preußen im 15. Jh. Hrsg. v. E. Weise, Bd. I Königsberg/Marburg 1939/1970, 82 ff., Nr. 82-85. E. Lampe, Beiträge zur Geschichte Heinrichs von Plauen, in: ZWG 26 (1989), 1-47. E. Maschke, Der Deutsche Ordensstaat. Ge stalten seiner großen Meister, Hamburg 1935. W. Nobel, Michael Küchmeister. Hochmeister des Deutschen Ordens 1414-1422, Bad Godesberg 1969, 21 ff., 43 ff. H. Boockmann, Der Deutsche Orden, München 1981, 170 ff. S. Ekdahl, Die Schlacht bei Tannenberg 1410, Berlin 1982. K. Neitmann, Die Staatsverträge des Deutschen Ordens in Preußen 1230-1449, Köln 1986, 162 ff., 411 ff. M. Biskup, Grunwaldzka bitwa, Torun1991.

Bild: Urkunde des Ersten Thorner Friedens / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Carl August Lückerath (OGT 2011,256)