Biographie

Veichtner, Franz Adam

Herkunft: Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)
Beruf: Komponist
* 10. Februar 1741 in Regensburg
† 3. März 1822 in Klievenhof/Kurland

Franz Adam Veichtner, der vorwiegend im nordostdeutschen Raum und in St. Petersburg wirkte, war einer „der hervorragendsten virtuosen Geiger und Hofkapellmeister des 18. Jahrhunderts“ (W. Salmen). Sein kompositorisches Werk gehört der Zeit der Vorklassik an, und sein Wirken als Violinvirtuose und Pädagoge ist der „berlinischen Schule“ verpflichtet.

Franz Adam Veichtner wurde als Sohn des Regensburger Geigenbauers Johann Georg Veichtner geboren und erhielt seine erste musikalische Ausbildung am Regensburger Jesuitenkolleg, später war er Schüler des „Thurn und Taxis’schen Musikdirectors und verdienstvollen Musikgelehrten Joseph Riepel“. Ein „liberaler Beschützer“ gewährte ihm die Möglichkeit zu weiterer Ausbildung bei Franz Benda in Potsdam, wo er auch mit Carl Friedrich Fasch und Carl Philipp Emanuel Bach bekannt wurde und musizierte. 1763 trat er in den Dienst des baltischen Grafen Hermann v. Keyserling, in dessen Gefolge er noch im selben Jahr nach St. Petersburg gelangte. Während seines folgenden Königsberger Aufenthaltes unterrichtete er den jungen Johann Friedrich Reichardt, der Veichtner ein „echtes Kunstgenie“ nannte, das „allen äußeren Prunk“ verachtete, und der seinem Lehrer aus Dankbarkeit 1772 ein Violinkonzert widmete. 1755 wurde Veichtner als Konzertmeister an die kurländische Residenz zu Mitau berufen, die unter dem Erbprinzen Peter Biron zu einer wichtigen Heimstatt der Musikkultur der baltischen Lande in den letzten Dezennien des 18. Jahrhunderts aufblühte. Auch Veichtners Bruder Michael wurde zunächst als Geiger, dann als „Contraviolinist“ nach Mitau verpflichtet. Hier entstanden zahlreiche Werke für den höfischen Gebrauch: Singspiele für das Hoftheater, Tafelmusiken und andere Gelegenheitswerke  wie Kantaten, Hymnen und etwa sechzig Sinfonien für das herzogliche Orchester, die zum Teil im Druck erschienen (1770 in Mitau vier Sinfonien, 1771 bei Hartknoch in Riga die Simphonie russienne und 1775 das 1. Violinkonzert). Die bei Hartknoch erschienene Sinfonie ist als früher Beleg des Einflusses russischer Musik für die deutsche Musikgeschichte besonders bemerkenswert.

1771 heiratete Veichtner Katharina Maria Göttsch. Von seinen Schülern der Mitauer Jahre sei der spätere Probst Karl Friedrich Amenda, der kurländische Freund Beethovens, genannt. Um 1785 reiste Veichtner im Gefolge des Herzogpaares nach Italien, wo er mit großem Erfolg konzertierte. Als 1795 Kurland seine Selbständigkeit verlor und sich die Mitauer Hofhaltung auflöste, wurde Veichtner als „Kammermusiker des kais. Kapelle“ an den Zarenhof in St. Petersburg übernommen, wo er bis zur Versetzung in den Ruhestand 1820 in angesehener Stellung tätig war. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in der Forstei seines Sohnes zu Klievenhof an der Aa in Kurland, wo er am 3. März 1822 verstarb.

Veichtners Werke sind wohl zum großen Teil verloren. Reichardt charakterisierte sie in seiner Autobiographie: „Sie waren alle in einem sehr gefälligen, z.T. glänzenden, z.T. rührenden und doch so soliden Charakter geschrieben.“ Neben den bereits genannten Werken für den höfischen Gebrauch entstanden auch mehrere kirchenmusikalische iWerke, wie ein Himmelfahrtsoratorium (Mitau 1787), eine Hymne an Gott (Druck: Erfurt 1787), eine Messe (Widmung an den Erzherzog Rudolph v. Österreich) und ein Te deum (Petersburg 1818). Ebenso schuf Veichtner zahlreiche kammermusikalische Werke, wie Divertissements in verschiedenen Besetzungen und mit besonderer Vorliebe für Duokompositionen für Violine und Violoncello sowie Viola und Baß. Drei Streichquartette erschienen um 1796 in St. Petersburg, die er dem Zaren Paul I. zueignete, der auch Widmungsträger der „Russischen Quartette“ Joseph Haydns war. Mit dem Neudruck eines jener Quartette (D-Dur) im Rahmen der Anthologie Ostdeutscher Musik durch das Institut für Ostdeutsche Musik/Bergisch Gladbach ist ein Werk Veichtners wieder greifbar.

Lit.: Erich Gercken: F.A. Veichtner und das Musikleben am kurländischen Hof, in: Baltische Hefte Nr. 11 (1965), S. 99ff. – Johann Friedrich Reichardt: Eine Musikerjugend im 18. Jahrhundert, hrsg. v. W. Zentner, Regensburg 1940. – Johann Dörling: Biographische Nachrichten über F. A. Veichtner, in: Sitzungsberichte der kurländischen Gesellschaf t für Literatur und Kunst, Mitau 1870. – Sitzungsberichte der kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst und Jahresbericht des kurländischen Provinzialmuseums aus dem Jahre 1907, Mitau 1908, S. 7. – Walter Salmen: Veichtner, Franz Adam, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart Bd. 13 (1966), Sp. 1360f. – Riemann Musik-Lexikon, Mainz 1961, S. 841. – Helmut Scheunchen: Die Musik der Deutschen in den baltischen Landen, in: Musik der Deutschen im Osten Mitteleuropas, Bd. 3, Dülmen 1989, S. 147,149. – Josef Müller-Blattau: Benda – Veichtner – Reichardt – Amenda. Zur Geschichte des nordostdeutschen Violinspiels in der Frühklassik, in: Musik des Ostens, Bd. 4, Kassel 1967, S. 177ff. – Ernst Stöckl: Vorwort zu Franz Adam Veichtner, 2. Streichquartett D-Dur (1796-99), Bad Schwalbach 1988.

Bild: Archiv der Carl-Schirren-Gesellschaft Lüneburg