Rumänischer Torschützenkönig, Landesmeister, erfolgreicher Trainer: Árpád Thierjung war eine bedeutende Fußballerpersönlichkeit des Banats und Rumäniens. Fußball war seine Leidenschaft und sein Lebensinhalt.
Die Gemeinde Hatzfeld – 1950 zur Stadt erhoben – gehörte bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zu Ungarn, zwischenzeitlich zu Serbien und ab dem 10. April 1924 zu Rumänien. Mit dem jeweiligen Wechsel der staatlichen Zugehörigkeit änderte sich auch die Ortsnamensform: von Hatzfeld zu Zsombolya (1899-1918), Žombolj/Жомбољ (1918-1924) und Jimbolia (seit 1924).
Als ein wirtschaftliches, kulturelles und sportliches Zentrum des Banats hat Hatzfeld eine lange Sporttradition, vor allem im Fußball und Handball. Zwischen 1901 und 1905 tauchten die ersten Fußballspieler auf, mehrheitlich Studenten, die 1909 den Hatzfelder Sportverein (Zsombolyai Sport Egylet – Zs.S.E.) ins Leben riefen. Vor den Hatzfeldern hatten auf dem Territorium des heutigen rumänischen Teils des Banats nur Lugosch, Temeswar und Großsanktnikolaus Fußballvereine gegründet. Während der Zugehörigkeit Hatzfelds zum Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen 1918-1924 nahm der Zs.S.E. als ŽSE bzw. SU (Sportsko Udruženje) Žombolj an der Meisterschaft der Banater Liga teil (1920-1922). Nachdem Hatzfeld infolge eines Grenzregulierungsabkommens 1924 zu Rumänien kam, spielte die Mannschaft in der Temeswarer Distriktmeisterschaft.
1911 wurden der Floriani S.V. sowie ein Fußballclub des Hatzfelder Handel- und Gewerbetreibendenkreises (Zsombolyai Kereskedelmi és Iparos Kör – Zs.K.I.K.)gegründet und zwischen 1909 und 1912 der Hatzfelder Kreis für Leibesübungen (Zsombolyai Testgyakorlók Köre – Zs.T.K.), der auch fußballerische Aktivitäten entfaltete. 1912-1914 spielte der Zs.T.K. in der ungarischen 2. Liga und 1920-1922 als ŽTK bzw. GD (Gimnastičko Društvo) Žombolj in der serbischen „Banatska liga“. Ab 1924 firmierte der Club unter dem Namen Hertha. 1921 entstand ein Arbeitersportverein (A.S.V.) mit einer einzigen Abteilung – Fußball –, der sechs Jahre später mit dem Zs.S.E. fusionierte. Im serbischen Banat ist von 1920 bis 1941 auch Švebiše (Schwäbischer S.V.) Žombolj dokumentiert, ein Club, der nach der Abtretung Hatzfelds an Rumänien in Serbien blieb und seinen Sitz nach Großbetschkerek (Veliki Bečkerek/Petrovgrad/Zrenjanin) verlegte.
In diese fußballerische Gründerzeit in Hatzfeld wurde Árpád Thierjung am 2. Mai 1914 als viertes Kind von Nikolaus Thierjung (Oberkellner, später Kaufmann und Gastwirt) und Barbara Decker hineingeboren. Seine Liebe für den Fußball entdeckte er schon als Schüler auf den staubigen Straßen Hatzfelds, wo er mit anderen Jungs mit Begeisterung barfuß einem Lumpenball hinterherjagte. Scouts der Vereine hielten nach Talenten Ausschau und rekrutierten die vielversprechendsten Spieler. „Arpi“ begann mit zehn Jahren organisiert Fußball zu spielen, zuerst in der Kinder-, dann in der Jugendmannschaft der S.S. (Societatea Sportivă) bzw. A.S. (Asociația Sportivă) Jimbolia, wie der Zs.S.E. jetzt offiziell hieß. In jenen Jahren stand der Verein in der Distriktmeisterschaft I. Kategorie im Wettbewerb mit den großen Temeswarer Clubs Kinizsi S.E. (S.S. Chinezul), T.M.T.E. (Temesvári Munkások Testnevelő Egyesületét/ R.G.M.T. – Reuniunea de gimnastică a muncitorilor din Timișoara/Turnvereinigung der Temeswarer Arbeiter) und C.A.T. (Clubul Atletic Timișoara). Damals gab es noch keine Meisterschaft auf Landesebene, sondern regionale Meisterschaften, deren Gewinner in einer Endrunde im K.-o.-System den Landesmeister ermittelten.
1930, mit 16 Jahren, wurde Thierjung in den Kader der ersten Mannschaft des Zs.S.E. berufen. Über das Banat hinaus wurde er nach Freundschaftsspielen in Hatzfeld gegen Spitzenteams wie Juventus Bukarest, Crișana Oradea oder Universitatea Cluj bekannt. Sein schnelles Spiel und seine Torerfolge beeindruckten und er wurde von mehreren Vereinen – auch von Ripensia Temeswar, der damaligen Spitzenmannschaft des rumänischen Fußballs (Meister 1933, 1935, 1936, 1938, Pokalsieger 1934, 1936) – umworben, er entschied sich jedoch für den Rekordmeister Chinezul (sechs Titel 1922-1927), zu dem er 1935 wechselte.
Nach nur vier Monaten avancierte Thierjung zum Stammspieler. Bei seinem ersten Einsatz in der Profiliga am 3. November 1935 erzielte er beim 3:2-Sieg gegen Gloria Arad zwei Tore. Während seiner Zeit bei Chinezul bekam Thierjung verlockende Angebote, auch aus Frankreich und Ungarn, die er jedoch alle ablehnte. Er blieb bei Chinezul und wurde in der Saison 1937/38 mit 22 Toren in 18 Spielen rumänischer Torschützenkönig. „Peppi“ – wie Thierjung bei Chinezul genannt wurde – setzte sich gegen die Top-Stürmer Silviu Bindea, Adalbert Marksteiner, István Dobay, Gheorghe Ciolac (alle Ripensia), Gyula Bodola (Venus Bukarest) und Gyula Barátky (Rapid Bukarest) durch. Allein im Spiel gegen CAO (Clubul Atletic Oradea) am 19. September 1937, das Chinezul 7:3 für sich entschied, schoss er sechs Tore. Mit diesem Rekord ist Thierjung bis heute in der rumänischen 1. Liga unübertroffen. „Wir wollten mehr Tore schießen als der Gegner. Das Publikum wollte Tore sehen, wir wollten Tore schießen. Fußball war ein Schauspiel, wir kämpften mehr um den Ball, traten lange Pässe, beherrschten das ganze Spielfeld“, erinnerte sich Árpád Thierjung Jahre später (Neue Banater Zeitung, 26. April 1973). Sein Credo: „Fußball ist nur dann schön, wenn man immer angreift und dynamisch, athletisch spielt. Die beste Verteidigung sollte der Angriff sein.“
Nach dem Abstieg mit Chinezul in die 2. Liga 1939 spielte Thierjung – nach einem Intermezzo bei dem aus der Fusion von T.M.T.E. und C.A.T. 1936 hervorgegangenen C.A.M.T. (Clubul Atletic Muncitoresc din Timișoara /Arbeitersportverein Temeswar) – während des Zweiten Weltkriegs beim FC Craiova (1940-1944), zusammen mit Iosif Kovács von Ripensia und mit Angelo Niculescu, dem zukünftigen Trainer der rumänischen Nationalmannschaft (1967-1972) und von Poli Temeswar (1977-1979). In der Saison 1942/43 gewann der FC Craiova mit Árpád Thierjung in seinen Reihen mit 34 Punkten aus 22 Spielen (14 Siege, 6 Unentschieden, 2 Niederlagen; Torverhältnis 81:31) den Titel und verwies die Bukarester Vereine Rapid mit 30, Unirea Tricolor mit 27 und Venus mit 23 Punkten auf die Plätze. Die Torschützenliste der Liga führten gleich drei Spieler des FC Craiova an: Iosif Kovács 23, Dănilă Bătrân 21, Árpád Thierjung 13 Tore. Obwohl 1942/43 alle Ligaspiele ausgetragen wurden und der FC Craiova regulär die Landesmeisterschaft gewann, wertete der Rumänische Fußballverband die gesamte Zeitspanne von 1941 bis 1946 als Meisterschaftsunterbrechung. Der Titel des FC Craiova zählt somit nur als „Kriegsmeisterschaft“.
Nach Kriegsende wurde der Fußballsport in Rumänien umstrukturiert; Vereine wurden aufgelöst oder fusionierten und es wurden neue gegründet. Nach der Wiederaufnahme des regulären Spielbetriebs belegten die Hatzfelder Fußballclubs Unirea (entstanden durch Vereinigung des Zs.S.E. mit Hertha) und der 1931 im Umfeld der Bohn’schen Ziegelfabrik gegründete Bohn S.C. (1948 in A.S. Ceramica umbenannt) in der ersten Nachkriegssaison 1946/47 die Plätze 2 und 5 in der 3. Liga, Serie V (A). Gewinner der Serie V und damit Aufsteiger in die 2. Liga war Ripensia Temeswar. Thierjung spielte 1947/48 bei Ripensia und ein Jahr bei C.A.M.T. (der inzwischen mit Chinezul fusioniert hatte) in der 2. Liga. Anschließend kehrte er nach Hatzfeld zurück, wo er noch zwei Saisons bei Ceramica absolvierte, bevor er seine aktive Fußballerkarriere beendete.
Von 1950 bis 1969 betreute Thierjung 19 Jahre lang den Hatzfelder Fußballnachwuchs bei Ceramica und war Trainer Hatzfelder Vereine in den regionalen Wettbewerben: Unirea, Recolta, Ceramica und CFS. Mit letzterem erzielte er schöne Erfolge und brachte wertvolle Spielerpersönlichkeiten wie Aurel Șunda (Poli Temeswar) und Pavel Széll (Luceafărul Bukarest, UTA) hervor.
Thierjungs Lebensinhalt blieb bis zuletzt der Fußball. „Arpi“ – so kannte ihn jeder in Hatzfeld – wusste stets über den Fußball im Land und in der Welt Bescheid. Wenn irgendwo ein Fußballspiel lief, war er mit dem Herzen immer dabei. Árpád Thierjung starb am 29. Mai 1981 67jährig in seiner Heimatstadt. Aus seiner Ehe mit Elisabeth Maczák ist der Sohn Árpád jr. (geboren 1953) hervorgegangen. Thierjung, der Stürmer und Torschützenkönig aus Hatzfeld, war ein begnadeter Fußballspieler erster Güte. In Würdigung seiner Verdienste um den Fußballsport wurde das Hatzfelder Fußballstadion „Ceramica“ – der 1931 eröffnete ehemalige Sportplatz des Zs.S.E. – 1999 in „Árpád-Thierjung-Stadion“ umbenannt. Am Hauptgebäude wurde eine Gedenktafel aus Marmor angebracht, die an diese herausragende Banater Fußball-Legende erinnert.
Bild: Árpád Thierjung, Privatarchiv Árpád Thierjung jr.
Uwe Detemple