Biographie

Dewischeit, Curt Walter

Herkunft: Westpreußen
Beruf: Pädagoge, Kurzschriftexperte
* 11. Mai 1874 in Rosenberg/Westpr.
† 18. Februar 1941 in Freiburg/Breisgau

Nach dem Abitur am Gymnasium Kulm studierte er an den Universitäten zu Berlin und Königsberg Geschichte, Geographie und Germanistik. In Königsberg schloß er im Jahre 1899 sein Studium mit einer Station über den deutschen Orden in Preußen als Bauherr (in: Preuß. Monatsschr. N.F. Bd. 36) und dem ersten Staatsexamen ab. Jahre 1902 ging er als Oberlehrer an das Realgymnasium „Zum Heiligen Geist“ in Breslau, wurde aber schon 1909 Direktor der höheren Mädchenschule in Hirschberg in Schlesien, wo er ab 1913 auch die neugegründete Studienanstalt für Referendare leitete. Ab 1916 übernahm er als Oberlyzealdirektor, später als Oberstudiendirektor das Städtische Lyzeum I in Halle/Saale. Nach seiner Pensionierung im Jahre 1936 zog er nach Freiburg im Breisgau.

Schon als Zwölfjähriger hatte er im Selbstunterricht die Alt-Stolzesche Kurzschrift erlernt, bald darauf auch die Kurzschriftsysteme von Gabelsberger und Neu-Stolze. Zu Beginn seines Studiums in Berlin hatten ihn die Professoren Gustav Michaelis und Theodor Mommsen dazu angeregt, sich mit Theorie und Geschichte der verschiedenen Kurzschriftsysteme der Antike und der Neuzeit zu beschäftigen. In den Jahren 1900/01 hielt er an der Universität Königsberg Vorträge zur Geschichte der Kurzschrift und praktische Übungen in Stolze-Schrey. Obgleich er 1922 zu den Beratungen der Preußischen Regierung über eine Einheitskurzschrift als Sachverständiger hinzugezogen worden war, sah er in der 1924 erreichten Lösung nicht den Abschluß der stenographischen Entwicklung in Deutschland.

Als Ergebnis seiner frühzeitigen Beschäftigung mit der Kurzschrift veröffentlichte er einen grundlegenden Aufsatz über die englische Kurzschrift zur Zeit William Shakespeares (Shakespeare und die Stenographie, in: Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, 34/1898). Hierin führte Dewischeit den Nachweis, daß die ersten Drucke der Dramen Shakespeares, die sog. Quartos, Raubdrucke der Buchhändler waren, die die Stücke während der Aufführungen durch Schreiber in Kurzschrift mitschreiben ließen. Dewischeit wies nach, daß in jener Zeit viele eine Kurzschrift beherrschten und für die Aufzeichnung der Dramen Shakespeares das System von Timothy Bright verwendet wurde, der im Jahre 1588 sein System unter dem Titel Characterie veröffentlicht hatte. Durch die doppelte Bedeutung aller Kürzel und andere Eigenheiten des Systems konnte Dewischeit die vielen scheinbaren Fehler der Quartos erklären und so die Shakespeare-Forschung erheblich fördern. In fünf von Max Förster in Erlangen und Leipzig angeregten Dissertationen wurden Dewischeits Forschungen bestätigt.

In späteren Untersuchungen ging er u.a. Goethes Beziehungen zur Kurzschrift nach (in: Archiv f. Stenographie 1896), stellte die Männer vor, die Martin Luthers Predigten und Reden durch Kurzschrift der Nachwelt überliefert haben (in: Deutsche Stenographen 1933), konnte als erster die Stenogramme der Frau Fedor Dostojewskis benutzen und so die Entstehungsgeschichte der Werke des russischen Schriftstellers untersuchen (ebd. 1926). Eingehend hat er sich mit den Stenogrammen Lothar Buchers befaßt (ebd. 1932), der Bismarcks Gedanken und Erinnerungen in Kurzschrift aufgenommen hatte. Dabei stellte Dewischeit fest, daß die Herausgeber den Ton der Äußerungen des deutschen Reichskanzlers zum Teil erheblich gemildert haben. Dewischeit hat seine Beiträge meist in Zeitschriften der Stenographenverbände veröffentlicht, die ihm auch viele Beiträge zur Geschichte und Theorie der Kurzschrift verdanken.

Dewischeit war ein erfolgreicher Schulleiter, der durch seine umfassende Kenntnis der Geschichte der Kurzschrift der Wissenschaft eine Reihe bedeutender Erkenntnisse zur Geschichte und Literatur vermittelte.

Lit.: Rudolf Weinmeister, in: Neue Deutsche Biographie Bd. 3,1957. – Klaus Bürger, in: Altpreußische Biographie, Bd. IV, Lief. 2,1989 (dort Einzelnachweise).

Bild: Deutsche Kurzschrift 1941, S. 123.

Klaus Bürger