Ereignis vom 1. September 1707

Die Altranstädter Konvention – Religionsfreiheit für Schlesien

Gedenkmedaille zur schwedisch-polnischen Allianz von 1706

Die Unterzeichnung der Altranstädter Konvention am 1. September 1707 und ihr feierlicher Abschluss mit dem Bres­lauer Exe­kutionsrezess vom 8. Februar 1709 stellen für die konfessionelle Entwicklung in Schlesien eine wichtige Etappe dar. Es wäre jedoch falsch zu glauben, dass diese Ereignisse bloß eine regionale konfessionshistorische Bedeutung gehabt hätten. Ganz im Gegenteil kann ihre Entstehung nur vor dem Hintergrund der geopolitischen Lage in Europa nachvollzogen werden.

Nachdem Schweden im Großen Nordischen Krieg, in dem zwischen 1700 und 1721 um die Vormachtstellung im Ostseeraum gerungen wurde, im März 1700 von Dänemark, Sachsen und Russland angegriffen worden war, besetzte der schwedische König Karl XII. 1706 nach erfolgreichen Kämpfen Sachsen und richtete im Schloss Altranstädt, das westlich von Leipzig gelegen war, sein ständiges Quartier ein. Von dort aus plante er militärisch und diplomatisch die Weiterführung des Krieges gegen den russischen Zaren Peter I. Dazu gehörte auch, dass er Kaiser Joseph I. provozieren wollte. Da er den Kaiser nicht zum Verbündeten gewinnen konnte, wollte er ihn zumindest zu Zugeständnissen zwingen, die ihn vom russischen Zaren entfremden mussten. Somit wollte der König verhindern, dass der Kaiser und der Zar als starke Verbündete gegen ihn kämpfen würden. Auf seinem Weg nach Sachsen zog Karl über Schlesien und somit über das kaiserliche Territorium, wodurch er die Verpflichtung zum Reichsfrieden verletzte. Der König verblieb ein Jahr in Altranstädt, man kann jedoch die lange Zeit vorherrschende Meinung nicht teilen, dass dies eine irrationale Fehlplanung und Zeitverschwendung gewesen war.

Die europäischen Höfe befanden sich zudem in einer zweiten großen Krise. Seit 1701 tobte der Spanische Erbfolgekrieg (bis 1714), so dass man wichtige Allianzen eingehen musste. Während­dessen kam es am 24. September 1706 zum Frieden von Altranstädt. Darin musste August II. (August der Starke), der zugleich Kurfürst von Sachsen und König von Polen war, auf die polnische Krone verzichten. Karl XII. setzte den von ihm favorisierten Stanislaus Leszczyński zum neuen polnischen König ein. Somit wurde das unterschätzte Schweden zu einer bedeutenden europäischen Macht, um deren Gunst der Allianz geworben wurde. Der deutsche Kaiser musste nun befürchten, dass Karl entscheidend in den Verlauf des Spanischen Erbfolgekrieges eingreifen könnte, indem er den traditionellen Verbündeten Frankreich unterstützen würde.

Um den schwedischen König nicht zu provozieren, entschloss sich Kaiser Joseph I., den neuen polnischen König anzu­er­kennen. Der Kaiser hegte die Hoffnung, dass der schwedische König im Gegenzug Erzherzog Karl als Prätendenten für den spanischen Thron unterstützen würde. Dies führte jedoch zur Verschlechterung der kaiserlich-russischen Beziehungen, da Zar Peter den Prinzen Eugen von Savoyen für die polnische Krone favorisiert hatte. Die kaiserliche Anerkennung des polnischen Königs erfolgte jedoch reichlich spät und wenig überzeugend, so dass sich König Karl verstimmt zeigte.

August der Starke hatte seinen Krieg gegen Schweden mit Hilfe von einer 1.226 Mann starken russischen Hilfstruppe ge­führt. Karl XII. forderte von ihm, sie ihm auszuliefern. Dieser Schritt sollte die Beziehungen zwischen Sachsen und Russland verschlechtern. August entzog sich dieser Forderung, indem er die Hilfstruppen an den Kaiser abtrat. Nun wandte sich der schwedische König mit dieser Forderung an den Kaiser mit scharfem Ton.

Der kaiserliche Gesandte am schwedischen Hof, Ludwig Graf von Zinzendorff, befürchtete nun, dass Karl XII. seiner Forderung Ausdruck verleihen könnte, indem er mit seinem Heer nach Schlesien ziehen und dort unter religiösem Vorwand verbleiben könnte. Laut dem Westfälischen Friedenstraktat von 1648 hatte der schwedische König das Recht, in schlesische Konfessionsangelegenheiten einzugreifen und sich für die Protestanten einzusetzen. Am Wiener Hof glaubte man zunächst nicht daran, weil Karl noch im Februar 1707 diese Möglichkeit ausgeschlagen hatte. Unter den schlesischen Protestanten wurde er indes als Retter und als ein „zweiter Gustav Adolf“ angesehen, der ihnen ihre Freiheit wieder bringen könnte.

Karl XII. beauftragte jedoch seinen Gesandten in Wien, Hen­ning Freiherr von Stralenheim, bereits im März 1707, ein genaues Gutachten über die Lage der schlesischen Protestanten anzufertigen. Obwohl sich der König in erster Linie auf die Vorbereitungen zum Krieg gegen Russland konzentrierte, war ihm dieser religiöse Vorwand willkommen, um Druck auf den kaiserlichen Hof auszuüben. Man kann also durchwegs behaupten, dass der König diese „Herzensangelegenheit“ bloß aus nüchternem politischem Kalkül gewählt hatte und auch den Kaiser demütigen wollte.

Der Streit ging in erster Linie um die den Protestanten weg­genommenen (rekonziliierten) Kirchen in den Fürstentümern Liegnitz, Brieg und Wohlau. Nachdem der letzte kalvinistische Piastenherzog von Niederschlesien, Georg Wilhelm I. 1675 gestorben war, verloren die Reformierten ihre Stütze. Kaiser Leopold I. begann dort sodann mit der Gegenreformation, die sich jedoch wegen drohender Türkengefahr erst langsam entfalten konnte. Nun entstand in diesem Gebiet ein publizistischer Streit um die Auslegung des Westfälischen Friedenstraktates: waren ihre Bestimmungen zugunsten der Evangelischen bloß aus kaiserlicher Gnade entstanden, so dass sie jederzeit zurückgenommen werden konnten, oder waren sie bindend und somit nicht vom Wohlwollen des Kaisers abhängig? Der Wiener Hof behauptete das Erstere, die Protestanten betonten, dass die nach 1648 rekonziliierten Kirchen ihnen zustünden.

Da es dem seit 1705 regierenden Kaiser Joseph I. nicht möglich war, seine reformierten Verbündeten im Spanischen Erbfolgekrieg England, Preußen und die Generalstaaten auf der einen Seite, und den vor dem Reichsgebiet lagernden Schwedenkönig auf der anderen Seite zu ignorieren, nahm er Gespräche mit den evangelischen schlesischen Ständen auf. Diese hofften darauf, dass der Herrscher ihre Anliegen erhören und ein Toleranzedikt erlassen würde. Die Stände wollten zudem, dass die Protestanten in größeren Städten wie Hirschberg, Landeshut, Schmiedeberg, Freystadt, Guhrau, Sprottau, Sagan, Naum­­­burg, Polnisch-Neustadt (1708 geändert in Neustadt), Bielitz, Pleß, Oppeln, Teschen und Jägerndorf Kirchen bekämen. Zunächst zeigte sich aber der Kaiser unnachgiebig und wollte von der Religionspolitik seines Vaters Leopold I. nicht abweichen.

Eine erste Wende ergab sich am 2. August 1707, als König Karl XII. zugunsten der schlesischen Stände intervenierte. Nun wurde dem am Wiener Hof agierenden wichtigsten kaiserlichen Minister, Johann Wenzel Graf Wratislaw von Mitrowitz, sowie dem Obristen Böhmischen Kanzler Wenzel Norbert Oktavian Kinsky klar, dass der Kaiser zugunsten der schlesischen Protestanten einlenken musste, indem er den Zustand, der zur Zeit des Westfälischen Friedens geherrscht hatte, wieder­herstellte. So traten beide Seiten, der kaiserliche Hof und Schweden, in Verhandlungen, um ein Dokument herauszuarbeiten. Der schwe­­dische Gesandte Stralenheim legte den Kaiserlichen einen Vertragsentwurf vor, in dem auch den Reformierten Zuge­ständnisse gemacht wurden. Der katholischen Seite gelang es jedoch, einige Verbesserungen durchzusetzen, so dass nur die Protestanten von den Konzessionen betroffen werden sollten. Der schwedische König sah es nicht für notwendig an, darauf zu beharren, dass auch die reformierten Konfessionen in Schlesien toleriert werden sollten. Das führte zu Spannungen zwischen Schweden und den reformierten Ländern. Der Wiener Hof musste sich aber auch im Hinblick auf seine reformierten Bündnispartner noch jahrelang mit dieser Angelegenheit beschäftigen.

So kam es zur Unterzeichnung des Vertragswerkes am 1. September 1707. Dazu kam es jedoch nicht mehr in Altranstädt, sondern am Ziel der ersten Tagesetappe König Karls, der in Liebertwolkwitz bei Leipzig angekommen war. Es gab lange Zeit Datierungsschwierigkeiten des Vertragswerkes, die aus verschiedenen Zeitrechnungen und falschen Berechnungen resultierten. Der Wiener Hof benutzte den in der katholischen Welt seit 1582 geltenden Gregorianischen Kalender. Der julianische Kalender lag damals um elf Tage hinterher, so dass er demnach den 11. August anzeigte. In Schweden galt jedoch eine Zeitrechnung, die dem julianischen Kalender einen Tag voraus war, d.h. die Schweden datierten den 12. August.

Die Konvention selbst bestand nicht aus einem Dokument, sondern aus zwei „Instrumenten“. Grund dafür waren pro­tokollarisch bedingte Spannungen. Entgegen gängiger diplomatischer Gepflogenheiten wollte Karl XII. unbedingt vor dem Kaiser erwähnt und mit „Majestät“ angeredet werden, was Kaiser Joseph I. jedoch nicht zulassen wollte. So wurde das erste „Instrument“, das die eigentliche Konvention darstellte, von der katholischen Seite, nämlich vom Minister Wratislaw und dem Kaiser unterzeichnet. Das zweite „Instrument“ bildeten drei schwedische Separatartikel, in denen Karl XII. einige seiner Vorbehalte artikulierte. Den Hauptteil der Konvention bilden vier Artikel, wobei der erste der wichtigste ist. Er beschreibt in elf Paragraphen die umstrittenen schlesischen Religionsbestimmungen. Am meisten profitierten von diesen Bestimmungen die Fürstentümer Liegnitz, Brieg, Wohlau, Oels, Münsterberg und die Stadt Breslau. In diesen Städten mussten alle Kirchen und Schulen, die den Protestanten nach dem Westfälischen Frieden weggenommen worden waren, wieder zurückgegeben werden (Art. 1 § 1). Der Kaiser verpflichtete sich, keine Kirche und keine Schule im ganzen schlesischen Gebiet mehr wegzunehmen, sondern die Geistlichen und Schul­ange­stellten zu schützen. In jenen Gebieten, in denen ein katholischer Herr das Patronatsrecht über eine evangelische Kirche ausübte, musste dieser die evangelischen Geistlichen berufen (Art. 1 § 8).

Die weiteren Bestimmungen bezogen sich auf ganz Schlesien. Insbesondere in den Erbfürstentümern, in denen seit 1648 das öffentliche Bekenntnis der Augsburgischen Konfession ver­boten, das private dagegen erlaubt war, wurde das Recht zur öffentlichen Ausübung eingeräumt. Die Zahl der protestantischen Geistlichen sollte nicht verringert und niemand zum Besuch katholischer Gottesdienste gezwungen werden (Art. 1 § 2 und 3).

Die schwedischen Separatartikel wurden mit dem Willen des schwedischen Königs zur Festigung der „aufrichtigen Freundschaft“ mit dem Haus Österreich eingeleitet, wonach drei Artikel folgten. Im ersten beschwor Karl die Bedeutung des Westfälischen Friedens, im zweiten versprach er, sich mit seiner Armee aus den kaiserlichen Erblanden sofort zurückzuziehen, nachdem sichergestellt werden sollte, dass der Kaiser die Konvention ratifiziert und genügend publiziert haben würde. Im dritten Artikel drohte Karl, dass er so lange in Schlesien verbleibe, bis die Beschlüsse ratifiziert worden seien, sollte die Konvention in der festgelegten Zeit nicht erfüllt werden. Die Frist betrug sechs Monate.

Vom Inhalt her war die Konvention in erster Linie ein Reli­gionsvertrag zugunsten der schlesischen Protestanten – die Re­formierten blieben ausgeschlossen. Der Wiener Hof war um Scha­densbegrenzung bemüht und musste sich nun überlegen, inwiefern der Vertrag die kaiserliche Religionspolitik beein­flussen würde. Man kam zur Einsicht, dass die Konvention im Hinblick auf die reformierten Verbündeten eher stabilisierend wirken könnte, da nichts beschlossen worden war, was nicht über den Westfälischen Friedenstraktat hinausging. Dennoch gab es nicht wenige negative Stimmen, die unabhängig von ihrer toleranten Denkweise eingestehen mussten, dass die seit dem Dreißigjährigen Krieg geführte absolutistische Universal-Religions-Einigkeit in Schlesien ihr Ende gefunden habe. Schlesien wurde somit zum konfessionell gemischten Gebiet.

Nach der Unterzeichnung der Altranstädter Konvention versuchten die Kaiserlichen, so schnell wie möglich mit der Ratifizierung zu beginnen, damit sich Karl nicht zu lange in Schlesien aufhalten würde. Am 14. September wurde die Konvention in Breslau publiziert, und drei Tage später wurden die ersten Kirchen wieder eröffnet, was von den Protestanten mit Begeisterung aufgenommen wurde. Dabei kam es dort zu einem Massenphänomen, das fast an die Kinderkreuzzüge erinnert: die Bewegung der Betenden Kinder. Seit Dezember 1707 erfasste sie die niederschlesischen Dörfer, Städte und auch zuletzt Breslau. Darin zeigte sich die Verzückung über die Rückgabe der rekonziliierten Kirchen an die Protestanten und die Hoffnung auf den Bau neuer. Womöglich waren die schwedischen Feldgottesdienste der Soldaten, die im September durch Schlesien durchgezogen waren, ein Vorbild dieser Bewegung. Es versammelten sich Kinder im Alter von vier bis vierzehn Jahren auf den Feldern und bildeten zwei nach Geschlechtern getrennte Gebetskreise, um die die Erwachsenen versammelt waren.

Die Durchführung der Konvention wurde jedoch durch die ablehnende Haltung von zwei Personen gefährdet: Papst Klemens XI. und Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg, seit 1683 Fürstbischof von Breslau. Der Papst drohte zwar nicht in einem Breve mit „Waffen und Bann“, sondern übersandte dem Kaiser einen Privatbrief, um die Angelegenheit nicht unnötig hochzuspielen. Der Brief war dennoch im schar­fen Ton verfasst. Der Wiener Hof nahm den Brief verständnisvoll auf und musste sich lange und diplomatisch darum bemühen, dem Papst die schwierige Lage zu erklären und um Verständnis zu bitten, auch wenn das in klarer und abweisender Form geschah, da der Papst mit Frankreich sympathisierte.

Der Breslauer Bischof konnte sich zwar gegen die kaiserliche Entscheidung nicht offen widersetzen, da sich zudem das schwedische Heer in Schlesien befand. Dennoch verließ er aus Protest seine Residenz und blieb ihr zwischen September und Dezember 1707 fern. So wurde das Reskript, mit dem das Breslauer Oberamt die Konvention publizierte, nicht von ihm, sondern vom Oberamtskanzler Johann Adrian Freiherr von Plencken unterzeichnet. Die Distanzierung des Bischofs hatte auch familiäre Gründe, die auf gekränkte Ambitionen zurück­zuführen sind. Er war nämlich Schwager des vorherigen Kaisers Leopold I. und Onkel des amtierenden Kaisers Joseph I. Als Deutschmeister und Administrator des Hochmeistertums in Preußen erachtete er es als eine „Verachtung der Kirchen“, dass Kaiser Leopold 1701 die Errichtung des Königreichs Preußen billigte und es Brandenburg, nicht aber ihm überließ.

Um die Exekution der Konvention zu gewährleisten, wurde eine vierköpfige Religionskommission berufen, die vor Ort monieren und die Angelegenheit in ihre Hände nehmen sollte, damit der schwedische Abgesandte Stralenheim die erfolgreiche Erfüllung bloß quittierte. Da sich der Böhmische Kanzler Wratislaw nach Frankfurt begeben musste, um die Kriegsplanung für das nächste Jahr auszuhandeln, wurden die Kommissionsmitglieder nach anfänglichen Verzögerungen ernannt. An der Spitze stand der Landeshauptmann der Fürstentümer Schweidnitz-Jauer, Johann Anton Reichsgraf und Semperfrei Schaffgotsch. Die weiteren Mitglieder waren der Landeshaupt­mann des Fürstentums Liegnitz, Christoph Wilhelm Graf Schaff­gotsch, der Landeshauptmann des Fürstentums Breslau, Franz Anton Graf von Schlegenberg sowie der Schlesische Oberamtsrat Franz Albrecht Langius von Krannichstädt. Am 29. Oktober 1707 trafen sie in Stephansdorf, dem Besitz des Grafen Schlegenberg, zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Am nächsten Tag reisten sie nach Liegnitz ab, wo am 31. Oktober der Landtag mit den schlesischen Ständen beginnen sollte. Die weiteren Landtage fanden in Wohlau (14. November) sowie in Brieg (am 21. November) statt.

Der schwedische Gesandte Stralenheim wollte jedoch nicht bloß eine passive Rolle einnehmen, sondern sich profilieren. So sprach er sich mit allen schlesischen Ständen ab und bewirkte, dass die Landtage ergebnislos verliefen. Der Kaiser wollte näm­lich den Protestanten einige Zugeständnisse abringen. So wandte er sich mit einer Proposition an die schlesischen Stän­de, um für den Unterhalt für die sog. reduzierten Pfarrer zu sorgen. Das waren Geistliche, die in den reduzierten Kirchen, also den katholischen Gotteshäusern, die an die Protestanten zurückgeführt werden sollten, tätig waren und nun ihre Einkünfte verlieren sollten. Die Stände zeigten sich auch bei den Bemühungen der Religionskommission unnachgiebig, eine Äqui­valenz für die reduzierten Kirchen zu gewähr­leisten, den Katholiken einige dieser reduzierten Kirchen zurückzugeben. Die Zeit verging, ohne dass etwas passierte, so dass der Wiener Hof ein Zerwürfnis mit König Karl immer mehr fürchtete.

Für die Katholiken war die Rückgabe der Kirchen fast schon eine Zumutung, da es sich um keine geringe Zahl handelte. Im Fürstentum Brieg war zu der Zeit fast die Hälfte aller luthe­ri­schen Kirchen reduziert. Im Fürstentum Wohlau war es ein Drit­tel und im Fürstentum Liegnitz weniger als ein Drittel. Die größten Bedenken waren jedoch theologischer Natur, da es den Katholiken schwer fiel, bereits konsekrierte Kirchen wieder abzu­geben. So begann die Religionskommission zunächst, die noch nicht geweihten Kirchen (gesperrte Kirchen) zurückzugeben.

Die zweite und eigentliche Etappe der Kirchenrückgabe setzte erst im Dezember 1707 an, nachdem der Breslauer Generalvikar Leopold Graf Franckenberg im Namen des Bischofs alle Erzpriester angewiesen hatte, ein genaues Inventar über die vorhandenen bzw. abzugebenden Kirchengüter sowie über die Anzahl der Katholiken und Protestanten im jeweiligen Seelsorgebezirk anzufertigen. Nachdem man sich im Generalvikariat einen Überblick über das genaue Ausmaß der Situation verschafft hatte, konnte man mit den Kirchenrückgaben beginnen.

Bis zum Ablauf der Sechsmonatsfrist (1. März 1708) sind bis auf einige strittige Ausnahmen alle rekonziliierten Kirchen zurückgegeben worden. Bis 1709 waren es insgesamt 125. Da­nach stand dem Abschluss der Konvention jedoch noch einiges im Wege. Die Kaiserlichen legten das Dokument wortgetreu aus und weigerten sich, den Protestanten jede weitere Vergünstigung zu gewährleisten. Eine neue Verhand­lungs­run­de fand erst im Herbst 1708 in Breslau statt. Die sechs im Westfälischen Frieden privilegierten schlesischen Territorien bekamen weitgehend ihre alten evangelischen Freiheiten zurück. Die evangelischen Stände versuchten, in den übrigen Gebieten weitere Vergünstigungen zu erzielen. Einige Erfolge konnten sie dabei verbuchen. So durften sie neben den turmlosen Friedenskirchen von Glogau, Schweidnitz und Jauer Türme, Glocken und Schulen erbauen, wenngleich sie aus Fachwerk bestehen mussten, es sei denn, dass sich die Kirchen einen Kanonenschuss weit weg von den Stadttoren befanden. Außerdem wurde die Wiedererrichtung der lutherischen Konsistorien in den Fürstentümern Liegnitz, Brieg und Wohlau beschlossen. Einen positiven Nebeneffekt stellte die Gründung der Liegnitzer Ritterakademie am 11. November 1708 dar. Nach der Grün­­dung der Breslauer Leopoldina 1702 war es ein weiterer Versuch, universitäre Einrichtungen in Schlesien zu errichten. Die Akademie war eine höhere Schule auf fast Universitätsniveau, die für den schlesischen Adel gedacht war. In späteren Jahren wurde sie auch von ausländischen Adeligen besucht. Sie war paritätisch ausgerichtet und abwechselnd von einem Katholiken und einem Protestanten geführt. Somit stellte die Schule ein großes Zeichen der Toleranz dar, obgleich auch dort den Reformierten kein Zugang gewährt wurde.

Doch konnten die Protestanten sicherlich den größten Erfolg in der zweiten Verhandlungsrunde erzielen, als sie vom Kaiser die sechs sog. Gnadenkirchen in Freystadt, Sagan, Militisch, Hirschberg, Landeshut und Teschen abverlangten. Die Errichtung von fünf bis sechs zusätzlichen evangelischen Kirchen war schon Gegenstand der Verhandlung vor der Unterzeichnung der Altranstädter Konvention. In der zweiten Verhandlungsrunde wurde dieser Punkt aufgegriffen. Die kaiserlichen Unterhändler wollten dafür eine Äquivalenz in Form der Rückgabe einiger rekonziliierten Kirchen erlangen. Der Druck der schwedischen Seite war jedoch so groß, dass der Kaiser darauf verzichtete. Norbert Conrads betont, dass der kaiserliche Merkantilismus hier womöglich den Ausschlag gegeben hatte. Die schlesische Wirtschaft war in Krise geraten, und der Spanische Erbfolgekrieg erwies sich als teuer. Die schlesischen Stände bedienten sich jedoch ständig des Arguments, wie eng religiöse Toleranz und florierender Handel verbunden seien. Nicht zu vernachlässigen waren die Excursiones der Lutheraner zu den Grenzkirchen. So gingen an Sonn- und Feiertagen um die vier bis fünf Tausend Gläubige über die Lausitzer und Brandenburger Grenze, wobei sie viel Geld sowohl für die Wegzehrung als auch für fromme Stiftungen außerhalb der Reichsgrenzen ließen. Daher war es für Kaiser Joseph I. und seinen wichtigsten Minister Wratislaw viel wichtiger, dass die Altranstädter Konvention problemlos exekutiert würde, da sich der Wiener Hof wegen der „Welt Conjunctur“ im Hinblick auf die reformierten Verbündeten keinen katholischen Absolutismus erlauben konnte.

Die schlesischen evangelischen Stände hatten bis zum 20. November 1708 Zeit, sich für die Errichtung einer Gnaden­kirche auf ihrem Territorium zu bewerben. Im Januar 1709 fiel schließlich die Entscheidung über die sechs Städte. Der Begriff Gnadenkirchen wurde jedoch nicht sofort verwendet. Man sprach zunächst von Toleranzkirchen. Der Kaiser war zwar zu diesem Eingeständnis bereit, wollte jedoch sein Gesicht wahren. So wollte er nicht, dass sich Schweden der Errichtung dieser Kirchen rühmte. Sein Anliegen war es vielmehr, nach außen zu zeigen, dass die Entstehung dieser Kirchen dem Ausdruck der kaiserlichen Gnade zu verdanken sei. Dieser Be­griff wurde daher bald übernommen.

Fast anderthalb Jahre nach der Unterzeichnung der Altranstädter Konvention und elf Monate nach der festgesetzten Sechsmonatsfrist wurde die Konvention am 8. Februar 1709 mit dem Breslauer Exekutionsrezess zum Abschluss gebracht. Die Religionskommission und der kaiserliche Sonderbevollmächtigte, Graf Zinzendorff, trafen sich im Breslauer Quartier des schwedischen Gesandten Stralenheim, um dort die entsprechenden Urkunden auszustellen. Beide Seiten waren nun froh, dass es zum Abschluss gekommen war. So gesehen gab es anders als noch anderthalb Jahre vorher keinen Verlierer. Für die Kaiserlichen stellte der sog. schwedische Revers den wichtigsten Punkt dar. Darin erklärte Stralenheim, dass alle Forderungen der Protestanten erfüllt worden seien. Somit war auch das schwe­dische Interzessionsrecht zugunsten der schlesischen Pro­­­­testanten aus dem Westfälischen Frieden erloschen.

Die Altranstädter Konvention stellte einen bedeutenden Einschnitt in der Konfessionsgeschichte Schlesiens dar. Sie beendete den katholischen Absolutismus und somit die Gegenreformation und bewirkte, dass Schlesien zu einer konfessionell gemischten Region wurde. Denn die im West­fälischen Friedenstraktat verankerte Religionsfreiheit wurde in Schlesien wenig zur Anwendung gebracht bzw. im Nachhinein revidiert. Die Altranstädter Konvention stellte somit für die Protestanten eine sehr wichtige Etappe auf dem Weg zur Erlangung der religiösen Gleichberechtigung dar, die jedoch erst später erreicht werden konnte. Freilich war diese Toleranz lediglich auf das Augsburgische Bekenntnis beschränkt. Für die reformierten Konfessionen verbesserte sich die Situation erst unter dem preußischen König Friedrich II. bzw. am Ende des 18. Jhs. während der Herrschaft des Kaisers Joseph II. im österreichischen Teil Schlesiens.

Für die schlesische Kirchengeschichte stellen dagegen die nach 1648 entstandenen drei Friedenskirchen und die im Zuge der Verhandlungen vor dem Abschluss der Altranstädter Konvention zugesprochenen sechs Gnadenkirchen ein beson­deres Zeugnis der schlesischen Religiosität, aber auch der architektonischen Schönheit dar.

Lit.: Norbert Conrads, Die Durchführung der Altranstädter Konvention in Schlesien 1707-1709 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 8), Köln, Wien 1971. – Jörg Deventer, Gegenreformation in Schlesien. Die habsburgische Rekatholisierungspolitik in Glogau und Schweidnitz 1526-1707. (Neue Forschungen zur schlesischen Geschichte 8), Köln, Wien (u.a.) 2003. – Andrea Langer, Die Gnadenkirche „Zum Kreuz Christi“ in Hirschberg. Zum protestantischen Kirchenbau Schlesiens im 18. Jahrhundert. (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 13), Stuttgart 2003. – Fritz Gleisberg, Die Gnadenkirche zum Heiligen Kreuz vor Militsch in Schlesien, Düsseldorf 1971. – Erich Prüfer: Die Hirschberger Gnadenkirche, Ulm 1957.

Bild: Gedenkmedaille zur schwedisch-polnischen Allianz von 1706 / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Gregor Ploch (OGT 2007, 339)