Georg Bender brachte sein ausgeprägtes kommunalpolitisches Interesse von zu Hause mit. War doch sein Vater jahrelang Stadtverordneter in Königsberg und darüber hinaus liberaler Landtagsabgeordneter für die ostpreußische Provinzhauptstadt gewesen. Und reiche Erfahrung hatte der promovierte Jurist in der westpreußischen Festungsstadt Thorn sammeln können, wo er zunächst Richter und dann Erster Bürgermeister gewesen war. Die von den Liberalen beherrschte Breslauer Stadtverordnetenversammlung konnte im März 1891, als sie Georg Bender wählte, noch nicht ahnen, daß sie sich für den wohl erfolgreichsten Oberbürgermeister entschieden hatte, den die schlesische Metropole aufzuweisen hat. Über 21 Jahre lang, bis zum 30. September 1912, stand der gebürtige Ostpreuße an der Spitze der zweitgrößten Stadt Preußens.
Während Benders Amtszeit wuchs die Einwohnerzahl Breslaus um rund 200.000, und zwar von 340.000 auf fast 540.000. Dieses Wachstum war freilich auch auf die allgemeine Bevölkerungsentwicklung und den Sog, den die Großstädte nach der Industriellen Revolution auf ihr Umland ausübten, zurückzuführen. Schließlich konzentrierten sich in Breslau politische, wirtschaftliche und kirchliche Verwaltungsbehörden wie nirgend woanders in Preußen. Doch noch mehr trug zu dem ungewöhnlich raschen Wachstum auch Benders konsequente Eingemeindungspolitik bei. Als er sein Amt antrat, umfaßte der Stadtkreis Breslau 3.000 Hektar, und als er es niederlegte, bereits 5.000 Hektar. Insgesamt sieben große Dörfer „holte“ er aus dem Landkreis in den Stadtkreis und damit auch dringend notwendiges Baugelände für Wohnungen und Industrieansiedlungen.
Zwar stießen die zukunftsorientierten Pläne des liberalen Stadtoberhauptes in der Stadtverordnetenversammlung, in der alte, einflußreiche Kaufmannsgeschlechter vertreten waren, oft auf Zustimmung, aber doch längst nicht immer. Der dringend erforderliche Aufbau eines Schlachthofes beispielsweise hatte nicht nur die Stadtväter, sondern auch die ganze Bürgerschaft jahrelang in zwei feindliche Lager gespalten, von denen jedes auf seinem Standort beharrte. Der Oberbürgermeister löste den Konflikt diplomatisch, indem er einen dritten Standort vorschlug, dem dann beide Lager zustimmen konnten.
Bei seinem Amtsantritt äußerte der sehr naturverbundene Bender den Wunsch, aus Breslau „eine gesunde Stadt“ zu machen. Gewiß konnte er nicht verhindern, daß hier wie überall in den Großstädten düstere Mietskasernen in langen Reihen aus dem Boden wuchsen, doch setzte er sich gegenüber engstirnigen Wirtschaftsvertretern und übereifrigen Bodenspekulanten energisch für die Erhaltung oder Neuanlage „grüner Lungen“ in Form von Promenaden und Schrebergärten ein. Die von ihm geschaffenen Parkanlagen im Osten (Scheitnig) und im Süden (Südpark) entwickelten sich bald zu willkommenen Naherholungsgebieten. Zum Stadtbaurat berief Bender den Stettiner Bauingenieur Max Berg (über diesen siehe OGT 1997, S. 26-43), der mehrere städtische Bauwerke errichtete, beispielsweise das Wasserkraftwerk an der Oder und vor allem die Jahrhunderthalle.
Weit voraus war Georg Bender so manchen Kommunalpolitikern nicht nur in bezug auf die Gesundheitspolitik. Auch in puncto Verkehr und Bildung zeigte er Weitblick. Bald wurden die eingemeindeten Dörfer in das relativ enge Straßenbahnnetzmit einbezogen. Der neue Hafen und der Umgehungskanalbrachten für die Oderschiffahrt große Erleichterungen. Zur Hebung der Volksbildung bemühte sich Bender besonders um den Ausbau der Schulen und Büchereien. 1899 wurde das Kunstgewerbemuseum eingeweiht. Der Höhepunkt seiner Amtszeit mag der 1. Oktober 1910 gewesen sein, an dem im Beisein des Kaisers die Technische Hochschule eröffnet wurde. Nun besaß Breslau nach Berlin und München als dritte deutsche Stadtsowohl eine Universität als auch eine Technische Hochschule.
Es dürfte nicht viele Oberbürgermeister geben, die von einem Geschichtsverein eine Festgabe bekommen haben. Georg Bender, der in seiner Thorner Zeit selbst als Historiker geforscht und publiziert hatte, erhielt eine solche vom „Verein für Geschichte Schlesiens“ zu seinem 70. Geburtstag. Bis 1945 erinnerten ein großer Platz, ein kleiner Aussichtsberg und eine Oberrealschule an diesen so vielseitigen und erfolgreichen Kommunalpolitiker, bei dem sich Talent und Glück, Erfahrung und Weitblick sowie Kreativität und diplomatisches Geschick so erfolgreich verbanden. Was Franz Adickes für Frankfurt am Main und Konrad Adenauer für Köln, das war Georg Bender für Breslau.
Lit.: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens, Bd. 53, 1919. – Robert Samulski: Georg Bender, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 2, 1955, S. 38 (mit falscher Amtszeit). – Helmut Neubach: Die Verwaltung Schlesiens zwischen 1848 und 1945, in: Verwaltungsgeschichte Ostdeutschlands 1815-1945, hg. v. Gerd Heinrich u.a., Stuttgart 1992, S. 877-941, dort S. 893 f.
Helmut Neubach