Professor Dr. Josef Joachim Menzel war einer der profiliertesten Kenner der schlesischen Geschichte. Er war Hochschullehrer und gefragter Vortragsredner, der seine Kenntnisse auch in populären Veröffentlichungen sowie TV- und Hörfunksendungen anschaulich vermitteln konnte. Er war eine meinungsstarke Stimme in der Debatte um die deutsch-polnischen Geschichte – die auch seine eigene Biografie maßgeblich geprägt hat.
Menzel wurde als Sohn eines Landwirts geboren. Mit 13 Jahren wurde er aus seiner oberschlesischen Heimat vertrieben – eine traumatische Erfahrung, zugleich aber auch die entscheidende Wende in seinem Lebensweg hin zu einer beachtlichen akademischen Karriere. Im Münsterland fand die Familie Zuflucht, in Recklinghausen machte er Abitur und studierte anschließend Geschichte, Altphilologie und Germanistik in Münster und Heidelberg. Ein Stipendium des Marburger Herder-Forschungsrates ermöglichte Menzel nach dem Staatsexamen einen Forschungsaufenthalt in Graz und Wien am renommierten Institut für Österreichische Geschichtsforschung. Bei Professor Heinrich Appelt beschäftigte sich Menzel intensiv mit dem schlesischen Urkundenwesen, insbesondere den Siedlungsurkunden. Mit einer Arbeit über die Jura Ducalia, die mittelalterlichen Grundlagen der Dominialverfassung, wurde er 1962 promoviert.
1966 wechselte Menzel nach Mainz, wo er Assistent von Professor Ludwig Petry wurde. Auch Menzels Habilitationsschrift behandelt ein landeskundliches Thema – Die schlesischen Lokationsurkunden des 13. Jahrhunderts, 1972 erhielt er eine außerplanmäßige Professur, 1978 dann eine Universitätsprofessur. Bis zu seinem 65. Geburtstag im Jahr 1998 lehrte Menzel an der Universität Mainz Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften.
Neben seiner Lehrtätigkeit hat sich Professor Menzel in vielen Publikationen mit schlesischen Themen beschäftigt. Als Herausgeber oder Mitherausgeber hat er mehrere Fachzeitschriften und Buchreihen betreut, darunter das sechsbändige Schlesische Urkundenbuch, die dreibändige Geschichte Schlesiens, die Schlesischen Lebensbilder sowie das Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau. Menzel war in zahlreichen Organisationen und Gremien engagiert, beispielsweise als Vorsitzender der Historischen Kommission für Schlesien, Zweiter Vorsitzender der Stiftung Kulturwerk Schlesien und des Gerhard-Möbus-Instituts an der Universität Würzburg, stellvertretendes Vorstandsmitglied der Stiftung Schlesisches Museum zu Görlitz und Mitglied des Herder-Forschungsrates. Er war Vertrauensdozent der Konrad-Adenauer-Stiftung und engagierte sich über viele Jahre im Heimatwerk Schlesischer Katholiken. Das Ludwig-Petry-Institut an der Universität Mainz konnte dank vieler von Professor Menzel eingeworbener Drittmittel etliche Forschungsprojekte zur schlesischen Geschichte umsetzen.
Josef Joachim Menzel war ein warmherziger, humorvoller und lebenskluger Mann. Er war ein äußerst „nahbarer“ Hochschullehrer ohne akademische Dünkel und stand seinen Studenten jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. „Machen Sie den Sack zu“, war beispielsweise seine stete freundschaftliche Mahnung, wenn ein Dissertationsprojekt zeitlich auszuufern drohte. Er nahm regen Anteil am weiteren Lebensweg seiner Studenten und blieb vielen von ihnen auch nach dem Examen freundschaftlich verbunden. Die „akademische Familie“ wurde bei ihm aktiv gelebt. Regelmäßig lud er seine Institutsmitarbeiter und Doktoranden zu sich nach Hause in Mainz-Ebersheim ein, wo seine Frau Dr. Maria Menzel stets köstliche österreichische Gerichte auf den Tisch brachte. Er war ein begnadeter Netzwerker mit besten Kontakten in Wissenschaft, Politik, Verbänden und Kirche und zugleich ein engagierter „Anwalt Schlesiens“, wie ihn Herbert Hupka einmal genannt hat. Und er war ein Brückenbauer, der stets den Dialog mit seinen polnischen Fachkollegen suchte und trotz mitunter konträrer Standpunkte Anerkennung wegen seiner geradlinigen und klaren Haltung fand.
Bei allen, die ihn kennenlernen durften, wird Josef Joachim Menzel in dankbarer Erinnerung bleiben.
Werke (Auswahl): Jura Ducalia. Die mittelalterlichen Grundlagen der Dominialverfassung in Schlesien, Würzburg 1964. – Die schlesischen Lokationsurkunden des 13. Jahrhunderts. Studien zum Urkundenwesen, zur Siedlungs-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte einer ostdeutschen Landschaft im Mittelalter, Würzburg 1977. – Individualität und Bedeutung der Geschichts- und Kulturlandschaft Schlesien, München 1985. – Sankt Annaberg. Oberschlesiens Mitte (zusammen mit Markus Dworaczyk), Würzburg 1993. – Als Herausgeber oder Mitherausgeber: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, Bde. 19-44. – Schlesisches Urkundenbuch, Bde. 2-6. – Geschichte Schlesiens, Bde. 1-3. – Quellen und Darstellungen zur Geschichte Schlesiens, Bde. 12-30. – Schlesische Forschungen, Bde. 1-8. – Schriften des Ludwig-Petry-Instituts, Bde. 1-6. – Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Oberschlesiens, Bde. 1-4. – Schlesische Bibliographie, 6 Bde. – Schlesische Lebensbilder, Bde. 6-7.
Lit.: Herbert Gross, Josef Joachim Menzel, in: Bedeutende Obeschlesier, Dülmen 1995, S. 407f. – Harald Zimmermann, Schlesienforschung als Lebensaufgabe, in: Kulturpolitische Korrespondenz Nr. 876 vom 5.6.1993, S. 5-7. – Opuscula Silesica. Hrsg. V. Winfred Irgang und Hubert Unverricht, Stuttgart 1998. – Eberhard G. Schulz, Geschichtswissenschaft und Glaube, in: Kulturpolitische Korrespondenz Nr. 1168 vom 30.5.2003, S. 9f. – Herbert Hupka, Historiker und Anwalt Schlesiens, in: Schlesische Nachrichten 12/2003 vom 15.6.2003.
Bild: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen.
Karsten Eichner