Der in Thorn am 23. Oktober 1908 geborene Theologe studierte in Posen, Königsberg, Berlin, Tübingen, Göttingen und im schwedischen Lund, wo er auch in schwedischer Sprache den akademischen Grad eines theologischen Lizenziaten erwarb. Seine Verbindung zur schwedischen Theologie dokumentierte Kruska mit der Übersetzung der wichtigen Untersuchung von Folke Homström über „Das eschatologische Denken der Gegenwart“ (Gütersloh 1936).
Nach der Ordination wirkte Kruska als Pfarrer in Libau (Lubowo) bei Posen undübernahm zugleich eine Dozentur an der Kirchlichen Theologischen (Hoch-)Schule der Unierten Evang. Kirche in Polen (Posener Kirche) in Posen. Die Jahre dieser kirchlichen und akademischen Tätigkeit haben ihn tief geprägt. Nach der Vertreibung bemühte er sich in Berlin sofort um die Flüchtlinge aus den ostdeutschen Kirchengebieten. Schon 1946 wurde ihm ein Ruf in die Professur für Systematische Theologie und Kirchengeschichte an der Kirchlichen Hochschule Berlin zuteil. Am Aufbau dieser bedeutenden theologischen Lehr- und Forschungsstätte hatte Kruska entscheidenden Anteil. Im Amtsjahr 1952/53 übernahm er das Rektorat der Kirchlichen Hochschule, und von 1958 bis 1966 wirkte er als deren Ephorus. In einer Gratulationsadresse zum 75. Geburtstag würdigte die Kirchliche Hochschule Kruska als „den seelsorgerlich geöffneten Lehrer seiner Studenten“ und „sich selbst oft verleugnenden und die eigene Person zurückstellenden Kollegen seiner Kollegen“. Damit ist Wesentliches über das Wirken von Prof. Lic. Kruska gesagt. Seine Lehrveranstaltungen genossen unter Studenten hohes Ansehen. Zu eigenen größeren Studien reichte die Zeit aber nicht mehr, sah sich der Professor doch zunehmend vor andere Aufgaben gestellt.
Bereits 1945 hatte Kruska die Not der Vertriebenen erkannt. Er begriff Heimatlosigkeit als komplexes Problem: Der Verlust betraf den sozialen und ökonomischen Bereich ebenso wie den geistigen und geistlichen. Wer hier helfen wollte, mußte auf allen diesen Gebieten zugleich an die Arbeit gehen. Kruska hat sich dieser Aufgabe mit einer Bedingungslosigkeit gestellt, wie sie nur wenige aufzubringen vermochten.
Das Erbe seiner Posener Kirche hat er u.a. dadurch lebendig zu halten versucht, daß er in Fest- und Gedenkschriften sowie Aufsatzsammlungen an Männer wie den Generalsuperintendenten Paul Blau, an den viel zu früh verstorbenen Theologen Adolf Schneider und an den Superintendenten Arthur Rhode erinnerte. Eine Aufgabe von gesamtkirchlicher Bedeutung übernahm Kruska 1952 aus den Händen von Pfarrer lic. Richard Kammel: die Leitung des sogenannten „Kirchendienstes Ost“ in Berlin. Diese Institution war bereits am 28. Sept. 1945 auf Initiative von Bischof D. Otto Dibelius begründet worden. Zuerst ging es um die „Nothilfe im weitesten Sinne für die aus dem Osten stammenden kirchlichen Amtsträger und ihre Angehörigen“. Es mußte für finanzielle Beihilfen und theologische Literatur gesorgt, eine Anschriftenliste der früheren Ost-Pfarrer, ihrer Angehörigen und der Ruheständler aufgestellt und der Zusammenhalt aller dieser Menschen gestärkt werden. Dieser Aufgabe dienten u. a. Tagungen und Publikationen wie „Kirche und Heimat“ (1947-1950) und dann die „Kirchlichen Ostnachrichten“. Daneben bemühte sich der „Kirchendienst Ost“ vor allem um die in der alten Heimat zurückgebliebenen Evangelischen, deren Lage gerade in den Nachkriegsjahren besonders schwer war. Kruska hat den hier geforderten „geistlich-charitativen Dienst“ mit zäher Energie und großem menschlichen Einfühlungsvermögen über viele Jahre hin in aller Stille geleistet. Vieles von dem, was geschehen konnte, war ja nur möglich, wenn die Beteiligten sich damit nicht in die Öffentlichkeit drängten!
Als Christ wußte Kruska, daß die Aufgabe der Versöhnung zwischen dem deutschen und polnischen Volk alle Kräfte fordern würde. Unermüdlich hat er deshalb die Kontakte zum polnischen Protestanismus und seinen Vertretern gesucht und in beachtlichem Ausmaß auch herstellen können. Dieser Zweig seiner Arbeit, der durch manche Höhen und Tiefen ging, hat Kruska stets besonders am Herzen gelegen. Nichts konnte seinen entschiedeneren Protest hervorrufen als leichtfertige Urteile über die polnischen Protestanten. Im Jahrbuch „Kirche im Osten“ hat er von 1959-1980 fortlaufend über die Entwicklungen innerhalb der im Polnischen Ökumenischen Rat zusammengeschlossenen Kirchen berichtet.
In zahlreichen kirchlichen Gremien hat dieser entschiedene Anwalt der Vertriebenen mitgearbeitet. Der Konvent der zerstreuten Ostkirchen wählte ihn zu seinem Vorsitzenden. Die gleiche Funktion nahm Kruska bis zum November 1985 bei den Hilfskomitees der Evangelischen Kirche der Union (EKU) wahr. Der Ostkirchenausschuß der Evang. Kirche in Deutschland (EKD) zählte ihn über lange Jahre hin zu seinem Mitglied. Von 1961-1982 wirkte Kruska auch als Vorsitzender der Berliner Stelle des Gustav-Adolf-Werkes. Er war Mitglied der Synode der EKU und nahm als ständiger Gast an den Sitzungen des Rates der EKU teil. Im Bereich kirchlicher Vertriebenenarbeit hat sich Harald Kruska verdient gemacht wie wenige andere. Eine adäquate Würdigung seiner Leistungen wird erst dann möglich sein, wenn die entsprechenden Archive ausgewertet werden können, in denen sich die Spuren dieser entsagungsvollen Arbeit in der Stille niedergeschlagen haben. Ein „geflügeltes Wort“, das Harald Kruska oft seinen Zuhörern zugerufen hat, lautet: „Es gibt viel zu danken.“ Zu seinem 80. Geburtstag habe viele Menschen bei diesem Satz sehr direkt und persönlich an Harald Kruska gedacht.
Werke (Auswahl): H. Kruska (Hg.), Festgabe f. Arthur Rhode zum 90. Geb. am 13.12.1958. Gestalten und Wege der Kirche im Osten, Ulm 1958; ders. (Hg.), Festschrift zum Gedenken an Generalsuperintendent D. Paul Blau anläßlich seines 100. Geburtstages am 15.5.1961, Berlin 1961; A. Schneider, Gesammelte Aufsätze, neu hg. v. H. Kruska, Berlin 1963. – H. Kruska, Der Kirchendienst Ost, in: C. Brummack (Hg.), Die Unverlierbarkeit evangelischen Kirchentums aus dem Osten, Ulm 1973, S. 97-106; Konvent der zerstreuten evangelischen Ostkirchen, in: ebd., Teil 2, Ulm 1973, S. 59-76; Evangelischer Kirchendienst Ost, in: ebd., S. 87-89; Die Christliche Theologische Akademie in Warschau, Sonderdruck 1960; fortlaufende Berichterstattung über den polnischen Protestantismus, in: Kirche im Osten 2, 19S9ff.
Lit.: H. Rudolph, Evangelische Kirche und Vertriebene 1945 bis 1972, 2 Bde. (= Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte B/11.12), Göttingen 1984/85, Reg.