Biographie

Loch, Walter Eberhard

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Maler
* 18. März 1885 in Breslau
† 30. Dezember 1979 in Neufrach

Zu der großen Zahl von Künstlern, die mit Ausstellungs- und Malverboten belegt wurden, ins Ausland oder in die innere Emigration gingen, gehört auch der am 18. März 1885 in Breslau geborene Walter Eberhard Loch, weithin unter seinem Siegel WEL bekannt. Von seiner Kindheit an körperlich behindert – er war in Königsberg auf dem Eis des Pregels eingebrochen – absolvierte Loch nach dem Schulbesuch zunächst eine Buchhandelslehre, folgte dann aber seinem schon in früher Jugend gefaßten Vorsatz, Maler zu werden und bezog im Oktober 1901 die Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau. Unter dem rastlosen Engagement zweier so unterschiedlicher Männer wie dem in der historisch-religiösen Tradition der Düsseldorfer Akademie verhafteten Eduard Kämpffer und dem 1899 nach Breslau berufenen genialen Architekten Hans Poelzig begann die Akademie in jenen Jahren eine Anziehungskraft zu entfalten, die bis zu ihrer Schließung im Jahre 1932 andauern sollte.

In dieser von konservativen ebenso wie von revolutionären Tendenzen geprägten Atmosphäre studierte Loch als Meisterschüler bei Poelzig, Fryderyk Pautsch, Hans Rossmann, Karl Hanusch sowie dem von Poelzig nach Breslau engagierten Bildhauer Ignatius Taschner, dessen frische künstlerische Kraft WEL nachhaltig beeindruckte. In diesen Jahren fand er den Zugang zum Kreis um Carl Hauptmann, Däubler, Wegener und Anton Schnack. Mehrere Studienreisen führten ihn nach Frankreich, Spanien und Süddeutschland; unvergeßlich wurde ihm ein längerer Aufenthalt in Prag, das er als Stadt des Golems nachhaltig empfand. 1913 zog es ihn wie so viele Schlesier nach Berlin, hier arbeitete er zunächst als Grafiker und Sportzeichner für das „Berliner Tageblatt“, „Ulk“ und mehrere andere Zeitschriften. Von einem 1914 bewilligten Italien-Stipendium konnte er bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges keinen Gebrauch mehr machen. Die Kriegszeit verbrachte Loch als Zeichenlehrer am Doppel-Gymnasium in Liegnitz, gleichzeitig wurde er auch zum Malunterricht ap der Breslauer Akademie herangezogen. In dem pazifistisch orientierten Kreis um Carl Hauptmann, Erich Worbs und Will Erich Peuckert entstand in jenen Jahren die von Loch gestaltete Kunstzeitschrift „Der Berg“.

Eine rege künstlerische Verbindung im Dreieck Berlin-Breslau-Dresden befruchtete das Schaffen von WEL maßgebend. Nachdem er durch die Heimat mit Dore Roth in den musikalischen Kreis des Dresdner Pianisten Bertrand Roth Eingang gefunden hatte, öffneten sich ihm weitere Tore künstlerischen Schaffens: als Mitglied der Dresdner Kunstgenossenschaft und Lehrer an der Buchdrucker-Innungsschule fand er seine bis in die letzten Lebensjahre ausstrahlende künstlerische Heimat im Kreis um die Tänzerin Mary Wigmann. Der Ausdruckstanz stand nun im Mittelpunkt hervorragender grafischer Arbeiten, in denen sich die ganze „innere Musikalität und in Form gesetzte Bewegungsfreude“ des Künstlers zeigte. WEL beteiligte sich an internationalen Ausstellungen in Basel, Paris und Berlin, gleichzeitig war er als Mitarbeiter bei namhaften Kulturzeitschriften (Reclams Universum, Greifen-Kalender, Ostdeutsche Monatshefte) tätig. Tief beeindruckt hatte den Künstler, der sich selbst als ein Wanderer zwischen der Welt des Sinnlichen und der ihn immer wieder verlockenden Welt alles Übersinnlichen verstand, Will Erich Peuckerts Iser-Roman „Apokalypse 1618“. Eugen Diederichs brachte das Werk nach dem Ende des Ersten Weltkrieges mit Linolschnitten Lochs heraus. Vor allem seine handkolorierten Schnitte wurden in ihrer kräftigen Zeichnung und einer reichen ausdrucksvollen Kolorierung von der Kritik in jenen Jahren als Zeugnisse einer starken Begabung gewertet. Aufsehen erregten seine Illustrationen zu Rilkes Weise von Liebe und Tod sowie eine Folge von Schnitten zu Ibsens „Peer Gynt“.

Angesichts seiner künstlerischen und politischen Auffassungen fühlte sich WEL in den Veränderungen der Dresdner Kulturszene zu Beginn der dreißiger Jahre zunehmend unwohl. 1932 zog sich das Ehepaar in die ländliche Abgeschiedenheit des Bodensees zurück. Im Hause Hermann Hesses in Gaienhofen fand man vorübergehend Unterkunft, bei Kriegsausbruch 1939 konnte das Paar im eigenen kleinen Haus an der Tobelhalde in Neufrach eine endgültige Künstlerheimat beziehen. In der Ruhe und Ausgeglichenheit der Bodensee-Landschaft entfaltete WEL eine umfangreiche künstlerische Tätigkeit. Eine Fülle von Aquarellen, Zeichnungen, Schnitten und Ölgemälden mit weitgespannter Thematik entstand, mehrere Reisen ins Tessin inspirierten ihn zu Landschaftsdarstellungen, die vor allem aufgrund ihrer zeichnerischen Qualitäten zunehmend Freunde fanden. Daneben trat immer wieder das Engagement für den Pazifismus hervor; von den Künstlern nach 1945 verlangte Loch, daß sie sich mit dem nach seiner Auffassung dringendsten Thema der Zeit „Nie wieder Krieg“ auseinandersetzten. In seinem eigenen Werk, aber auch in einer Vielzahl von öffentlichen Stellungnahmen, hat er sich für dieses Ziel engagiert und für eine Kunst plädiert, „die der durchlebten Zeit und ihren Folgen Rechnung trägt“.

In den fünfziger Jahren wandte sich Loch in zunehmendem Maße auch der Schriftstellerei zu. Er zählte zu den gern gesehenen Mitarbeitern der Ostdeutschen Monatshefte, veröffentlichte Erzählungen in schlesischer Mundart, 1953 kam als erstes badisches Dorfbuch eine von ihm verfaßte Dorfchronik seiner Wahlheimat Neufrach mit eigenen Illustrationen heraus. Einen Stoff aus diesem Lebenskreis verarbeitete er in dem „Spiel vom verbrannten Dorf“ (1961), das als Hörspiel im Süddeutschen Rundfunk mehrfach gesendet wurde. Bei seinem Tode 1979 hinterließ Walter Eberhard Loch ein viele Jahrzehnte umspannendes Werk, das es in kaum vergleichbarer Weise erlaubt, den von erstaunlicher Stetigkeit geprägten Werdegang eines schlesischen Künstlers vor dem Hintergrund geradezu umwälzender kultureller und politischer Entwicklungen zu verfolgen.

Lit.: Rainer Zimmermann: Die Kunst der verschollenen Generation. Deutsche Malerei des Expressiven Realismus von 1925-1975. Düsseldorf-Wien 1980. Der Künstler Walter Eberhard Loch. In: Schles. Rundschau 7 (1955) Nr. 20/21, S. 7. Christian Seile: W. E. Loch 70Jahre. In: Der Schleaer 1955, Nr. 14, S. 76. Erich Worbs: Walter Eberhard Loch. In: Ostdt. Monh. 11 (1930), S. 51-58. Ders.: Der unverwüstliche Maler, Erlebnisse mit Walter Eberhard Loch. In: Ostdt. Monh. 24 (1958), D 667-674. Ders.: Walter Eberhard Loch, ein schlesischer Maler. In: Der Schlesier. Hauskalender 1960, S. 40-44.