Der Sohn eines Hallenser Universitätsprofessors studierte zunächst Medizin an der Universität seiner Heimatstadt und in Göttingen, ehe er sich entschloß, Hüttenmann zu werden. An der Montanistischen Hochschule Leoben (Steiermark), dem Zentrum des obersteirischen Eisen- und Braunkohlenbergbaus, erwarb er die dazu erforderlichen wissenschaftlichen Kenntnisse. Im Anschluß an das wissenschaftliche Studium wurde er nach den üblichen Wanderjahren der Anfängerzeit 1858 Leiter eines Eisenwerks zu Reschitza, einer Bergbaustadt im Banater Gebirge. Von da ging er nach Tätigkeiten in Neuwied und Düsseldorf als Betriebsdirektor zum Hörder Bergwerks- und Hüttenverein bei Dortmund.
Im Sommer 1880 übernahm Meier die Leitung der Oberschlesischen Eisenbahnbedarfs AG (Friedenshütte), im Börsenjargon “Oberbedarf” genannt. Der Zustand, in dem sich die Produktionsanlagen der Gesellschaft 1880 befanden, war alles andere als erfreulich. In ihrer Mehrzahl waren sie veraltet, wurden nach patriarchalischen Grundsätzen geführt und warfen nicht zuletzt deshalb keine Erträge ab. Lediglich das Friedenshütter Hochofenwerk sowie das Puddel- und Walzwerk in Malapane genügten einigermaßen den technischen Ansprüchen. Alles in allem schien “Oberbedarf” den Anschluß an den technischen Fortschritt verpaßt zu haben. Doch damit nicht genug: Nach der Scheinblüte der ersten Jahre nach 1870, ausgelöst durch das Spekulationsfieber der Gründerzeit, mußte das oberschlesische Eisenwesen schwere Absatzkrisen durchstehen; sein Untergang schien einige Male bedrohlich nahe.
Der Zeitpunkt, zu dem Meier nach Oberschlesien kam, hätte mithin kaum ungünstiger sein können. Doch ging ihm nicht nur der Ruf voraus, ein hervorragender Hüttenmann zu sein, zumal er mit Massenez und Pink an der Einführung des neuen Windfrischverfahrens beteiligt gewesen war, gerühmt wurden auch seine Energie und sein immenser Fleiß. “Schon seine gedrungene Gestalt, sein kühn geschnittenes Gesicht kündeten den willensstarken, unbeugsamen und unverzagten Mann. Hochgebildet, ein vorbildlicher Pianist, war sein Wesen vorbildlich schlicht. Er wollte für den letzten seiner Arbeiter nicht der Generaldirektor, sondern der Herr Meier sein. Er wollte, so wie er es von jedem Mann der Belegschaft verlangte, ein Diener des Unternehmens sein. Bestrickend war seine Liebenswürdigkeit, jedoch aufbrausend und keinen Widerspruch duldend, wenn er zürnte” (Karl Tanzer). Mutig und voller Vertrauen auf eine günstigere wirtschaftliche Lage ging er daran, die Unternehmen der “Oberbedarf” von Grund auf zu erneuern. Meiers Zuversicht angesichts der ungünstigen wirtschaftlichen Lage zu Beginn der 80er Jahre im allgemeinen und der von “Oberbedarf” im besonderen blieben auf den Aufsichtsrat der Gesellschaft nicht ohne Eindruck. Daher bewilligte er ihm im August 1881 für seine Vorhaben, die der Modernisierung der “Friedenshütte” dienen sollten, zweieinhalb Millionen Mark. Hinzuweisen gilt es darauf, daß Meier bei seinen Bemühungen die seit den 80er Jahren einsetzende allgemeine allmähliche wirtschaftliche Erholung zustatten kam.
Der Neugestaltung der “Friedenshütte” lag die Absicht zugrunde, sie zum Kernwerk von “Oberbedarf” zu machen. Sie sollte ein Thomas-Stahlwerk mit angeschlossenen Werksanlagen erhalten. Dadurch wurde die Möglichkeit geschaffen, den Prozeß von der Verhüttung der Erze bis hin zum Endprodukt am Orte zu bewerkstelligen. Nach gut drei Jahren des Um- und Neubaus konnten im Spätherbst 1884 das Thomas-Stahlwerk und einige Wochen später ein Grob- und ein Blechwalzwerk in Betrieb genommen werden. Die Hochöfen der “Friedenshütte” hatten eine völlige Erneuerung erfahren; zudem waren eine moderne Kokerei, auf der auch Nebenprodukte gewonnen werden konnten, sowie eine Benzolproduktionsanlage errichtet worden. Im Anschluß daran begann Meier mit der Errichtung eines Siemens-Martin-Stahlwerks.
Eine ebenso plötzliche wie unerwartete Unterbrechung erfuhr sein Aufbauwerk in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1887. Aus nie geklärter Ursache explodierte die aus 22 Unter- und vier Oberkesseln bestehende Dampfkesselanlage des Hochofenwerks. Doch Meier ließ sich durch diesen Schlag nicht entmutigen. Das für das Friedenshütter Stahlwerk erforderliche Roheisen wurde nun auf der durch ihn gepachteten benachbarten Antonienhütte, die damals außer Betrieb stand, produziert. Währenddessen erfolgte der Wiederaufbau der zerstörten Anlagen der “Friedenshütte”. Bereits Ende 1887 waren sämtliche Produktionsstätten – modernisiert und vergrößert – wieder in Betrieb. Meier hatte damit eine Meisterleistung vollbracht. Zufriedengestellt war er gleichwohl nicht. Ihn beschäftigte unausgesetzt der Gedanke, wie man die im Hochofen entstehenden Gase (Gichtgase), die die Explosion ausgelöst hatten, zum Antrieb von Kraftmaschinen einsetzen konnte. Seine Bemühungen, die zunächst keine Ergebnisse zeitigten, waren schließlich doch von Erfolg gekrönt. Ende 1898 konnten die beiden ersten, Anfang 1899 zwei weitere Gichtgasmaschinen in Betrieb genommen werden.
Meier hatte jedoch nicht nur die “Friedenshütte” modernisiert, erweitert und zu einem profitablen Unternehmen gestaltet, 1882 waren durch ihn außerdem ein Eisenwerk in Milowice aufgebaut und die Sosnowitzer Röhrenwerke in Russisch-Polen für “Oberbedarf” erworben worden, Damit folgte er einer Entwicklung, die 1856 der oberschlesische Industrielle Graf Renard auf Groß-Strehlitz begonnen hatte, als er die Herrschaft Sielce-Modrzewo einschließlich der Ortschaft Sosnowice erwarb und hier Gruben anlegte, und die Unternehmer wie Kramsta, Dietel, Fitzner, Gamper, Huldschinski und Deichsel fortsetzten. Schließlich erwarb Meier sich durch die Gründung des Zweigvereins der “Eisenhütte Oberschlesien” bleibende Verdienste.
Die Früchte seines Wirkens, vor allem die “Friedenshütte” zum leistungsfähigsten Stahl- und Walzwerk Oberschlesiens entwickelt zu haben, konnte er nicht mehr genießen, denn bereits im Alter von 64 Jahren erlag er, am Schreibtisch sitzend, einem plötzlichen Tod. Mit ihm verschied der vermutlich ideenreichste Eisenhüttenmann Oberschlesiens. Eindrucksvoll widerlegt hatte er während der Jahre seines Wirkens im oberschlesischen Revier die in den dortigen hüttenmännischen Kreisen an der Lebensfähigkeit von “Oberbedarf” geäußerten Zweifel, die durch die Zeitschrift des Oberschlesischen Berg- und Hüttenmännischen Vereins folgendermaßen formuliert worden waren: “Ob die glänzenden Geschäfte, die der unlängst in den Tageszeitungen veröffentlichte Prospekt der Oberschlesischen Eisenbahn-Bedarfs AG ankündigt, sich verwirklichen, darüber sind unsere Fachleute noch nicht einig. Was übrigens die von der neuen Gesellschaft als ihr Eigentum proklamierten Gruben und Hüttenwerke anlangt, so sind dieselben zwar geeignet, große Hoffnungen zu erregen, ob zu erfüllen, wird die Zukunft lehren.”
Lit.: Generaldirektor Eduard Meier †, in: Stahl und Eisen, 19 (1899), S. 113-115. – 75 Jahre Verein Deutscher Eisenhüttenleute, in: Stahl und Eisen, 55 (1935), S. 106, 1356. – Alfons Perlick (Hrsg.):Landeskunde des oberschlesischen Industriegebietes. Ein heimatwissenschaftlichesHandbuch, Breslau 1943, S. 392. – H. Jellen: Eduard Meier. Der Umgestalter des oberschlesischen Hüttenwesens, in: Der Oberschlesier, 13 (1913), S. 210-212. – Karl Tanzer: Oberschlesiens Eisenindustrie, in: Stahl und Eisen, 72 (1952), S. 573. – Alfons Perlick: Oberschlesische Berg- und Hüttenleute. Lebensbilder aus dem oberschlesischen Industrierevier, Kitzingen/Main 1953, S. 185. – Konrad Fuchs: Meier, Eduard, Eisenhüttenmann, in: Neue Deutsche Biographie, 16. Bd. (1991), S. 644-645.
Konrad Fuchs