Einer der verdienstvollsten Schulmänner der arg bedrängten „donauschwäbischen Provinz“ in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war Josef Prokopetz, der als Begründer dreier donauschwäbischer Gymnasien in die donauschwäbische Schulgeschichte eingegangen ist. Am 13. Mai 1885 in einer Lehrerfamilie geboren und in der deutsch-serbischen Kreisstadt Plankenburg im Batscherland aufgewachsen, absolvierte Josef Prokopetz das Gymnasium in Neusatz und erwarb sich anschließend das Diplom für das Lehramt an höheren Schulen an der Universität zu Budapest in den Fächern Deutsche sowie Ungarische Sprache und Literatur. Seine Facharbeit schrieb er über die donauschwäbische Mundart seiner Heimatgemeinde. Bereits als Student war er mit dem Germanisten der Budapester Universität Prof. Jakob Bleyer in Berührung gekommen, der einen aufrüttelnden Einfluß auf ihn ausübte. Er betätigte sich auch als Sprachforscher und sammelte jahrzehntelang volks-und sprachkundliches Material der donauschwäbischen Gemeinden im südlichen Teil des Batscherlandes. Leider blieb dieses Material weitgehend unveröffentlicht und wurde bei der Flucht eineBeute der Eindringlinge. Als Lehrer war er tätig an Gymnasien und Oberrealschulen in Segedin 1909, Maria Theresiopel, Ketschkemet, Neusatz bis 1936, Belgrad, Apatin 1940 und wieder Neusatz 1944. Es ist bezeichnend für die mißliche politische und schulische Lage der Donauschwaben, daß Josef Prokopetz in seinem beruflichen Werdegang dreimal vor der schwierigen Aufgabe stand, eine deutsche höhere Schule aus dem Nichts aufzubauen.
In Südslawien unterwarf der Staat nach Abschluß des Friedensvertrages 1920 das Unterrichtswesen restlos seiner Verfügungsgewalt. Die in der Übergangszeit 1919/20 von den Serben zugelassenen höherstufigen schulischen Einrichtungen in donauschwäbischen Großgemeinden und Städten wie Hatzfeld, Werschetz, Werbaß, Neusatz, Apatin, Pantschowa, Weißkirchen u. a. konnten ihre Eigenständigkeit nicht lange behaupten. Am 8. August 1921 erschien im „Deutschen Volksblatt“, Neusatz, ein Aufruf an die deutschen Eltern, sie möchten ihre Kinder zur Aufnahme in die deutsche Parallelklasse des staatlichen Gymnasiums anmelden. Unter schwierigen Verhältnissen konnte Josef Prokopetz unter Mithilfe von einigen schulfreundlichen deutschen Männern deutsche Gymnasialklassen in Neusatz aufbauen. Der Zustrom deutscher Schüler war erfreulich, für die Serben und Ungarn überraschend.
Es mangelte allerdings an deutschen Lehrkräften. Diese deutschen Gymnasialklassen erlagen nach einigen Jahren der brutalen minderheitenfeindlichen Politik, der auch alle anderen deutschen höheren Schulen zum Opfer fielen. Mitten im Schuljahr lösten die Schulbehörden die deutsche höhere Schule in Neusatz 1925 auf und wiesen die deutschen Schüler an, in serbische Klassen überzutreten. Der Unterrichtsminister hat auf einmal entdeckt, der Staat sei nicht verpflichtet, für die Minderheiten höhere Lehranstalten in ihrer Sprache zu errichten. Die von den deutschen Vertretern im Unterrichtsministerium eingereichten Proteste verzögerten wohl den Abbau der deutschen höheren Schulen, verhindern konnten sie ihn nicht. Die Zeit der Rückschläge im schulischen Bereich bis 1928, die Josef Prokopetz mit der ganzen Volksgruppe ertragen mußte, ist gekennzeichnet durch die totale Verstaatlichung und weitgehende Vernichtung aller höherstufigen schulischen Einrichtungen in deutscher Unterrichtssprache. Die katastrophale schulische Lage hat die deutsche Führung in einer Denkschrift an den vom König, nach der Auflösung des Parlaments und aller politischen Parteien, direkt eingesetzten Ministerpräsidenten so dargestellt: „600000 loyale deutsche Staatsbürger des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen sind ohne eine einzige Volksschule, die den Bestimmungen des Art. 9, Abs. l und 2 des Minderheitenschutzvertrages entsprechen würde, ohne eine einzige Lehrerbildungsanstalt, ohne eine einzige höhere oder Fachschule. Alle ihre Bildungs- und Schulinstitutionen sind verloren und vernichtet. Ganze Generationen bleiben so ohne den notwendigen Unterricht in der Muttersprache, Zehntausende deutscher Kinder lernen weder deutsch lesen und schreiben und verlieren so jeden Zusammenhang mit dem kulturellen Leben ihrer Nation …“ Um der immer stärkeren Überfremdung der deutschen Schüler in den staatlichen Gymnasien zu begegnen, schlug J. Prokopetz in der pädagogischen Monatsschrift „Unsere Schule“, Neusatz (1/1928, S. 1), die Errichtung von deutschen Schülerheimen vor. Das deutsche Internat sollte für die deutschen Kinder vom Lande zur Erziehungsstätte mit Bibliothek, Lese- und Vortragszimmer, Spielraum und Turnsaal werden. Seine mahnenden Worte an die deutsche Führung und Bevölkerung blieben nicht ohne Auswirkung. Eine andere Maßnahme, deutschen Schülern an staatlichen Gymnasien einen wirksameren Deutschunterricht zu erschließen, legte er der schulisch interessierten Öffentlichkeit mit seinem pädagogisch-methodischen Beitrag „Ein Mittel zur Verbesserung des deutschen Unterrichts in unseren Gymnasien“ vor (Unsere Schule, 6/1929, 2f.). Die Erfahrung zeigte, daß die freiwillige Mitarbeit des Deutschlehrers und der deutschen Schüler mit einem entsprechenden Lehrplan die Freude des Schülers an der Deutschstunde bedeutend steigern, das Interesse aller Schüler erwecken, den Deutschen aber die Liebe zum deutschen Wesen sichern kann.
Außen- und innenpolitische Beweggründe veranlaßten die Regierung in der Zeit der Königsdiktatur, auch den Schulbedürfnissen der deutschen Minderheit einige Zugeständnisse zu machen. So wurde am 15.5.1929 grundsätzlich die Errichtung der Deutschen Schulstiftung zugesagt, die 1931 erfolgte und am 11.10.1931 zur Eröffnung der Privaten deutschen Lehrerbildungsanstalt führte. 1933 durfte die Schulstiftung eine deutsche Bürgerschule eröffnen. Die mit der Gründung der Schulstiftung eingeleitete Aufbauperiode im donauschwäbischen Schulwesen in Jugoslawien durch Selbsthilfe erhielt erst wieder 1940 durch innen- und außenpolitische Zwänge der damaligen Regierung neue Impulse: Die Regierung gestattete die Errichtung eines vollausgebauten deutschenGymnasiums in Neuwerbaß, eines mit der ersten Klasse beginnenden deutschen Gymnasiums in Apatin, je ein deutsches Gymnasium in Belgrad und Agram, eine deutsche Landwirtschaftsschule, einen Abiturientenlehrgang an der Lehrerbildungsanstalt, um den deutschen Lehrermangel schneller zu beseitigen, und einen Lehrgang zur Ausbildung von deutschen Kindergärtnerinnen.
Zum Leiter des Apatiner deutschen Gymnasiums wurde Josef Prokopetz ernannt. Mit Begeisterung nahm er diesen Auftrag an; es war ja nach der gewaltsamen Sperrung der deutschen Klassen am Neusatzer Staatsgymnasium die zweite deutsche Schule, die er errichten durfte. Die Arbeit war nicht leicht. Es gab vor allem keine Schulgebäude und außer dem Direktor keine Lehrkräfte. Doch die Gemeindeverwaltung zeigte sich aufgeschlossen, und die Männer des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes setzten die bereitgestellten Räumlichkeiten für den Schulbetrieb instand. Auch die erforderlichen Lehrkräfte wurden durch die Schulstiftung bald ernannt. Zur Aufnahme in den ersten Klassenzug meldeten sich 124 Schüler aus Apatin und den umliegenden donauschwäbischen Gemeinden. Das nächste Schuljahr brachte eine Steigerung auf mehr als das Doppelte, und im Jahr darauf erhöhte sich die Schülerzahl auf 336. Die steigenden Schülerzahlen erforderten wieder neue Schulräume und Lehrkräfte. Besondere Schwierigkeiten erwuchsen der Schule bei dem durch den Krieg 1941 herbeigeführten Zerfall Jugoslawiens und der Eingliederung des Batscherlandes in die ungarische Verwaltung. Dem maßvollen Auftreten und ausgleichenden Wesen von Dir. Prokopetz gelang es aber, auch diese Belastung zu überwinden. Mit Hilfe der begeisterten jungen Lehrkräfte gelang es ihm, die Beeinträchtigungen zu meistern und das Apatiner deutsche Gymnasium zu ungeahntem Aufschwung zu führen. Leider mußte er krankheitshalber 1942 von der Leitung der Schule zurücktreten, in der ihm Anton Seigrad folgte.
Im August 1944 unternahm es dann Josef Prokopetz, von der Schulstiftung dazu aufgefordert, zum dritten Male, eine deutsche höhere Schule aufzubauen, diesmal wieder in Neusatz. Die Einschreibungen wurden noch vorgenommen, die herannahende Front und die beginnende Flucht aus der Heimat brachten dann für diese wie für alle anderen donauschwäbischen höheren Schulen die Auflösung.
Tragisch und unfertig wie das Leben und Schicksal der Donauschwaben überhaupt ist auch das Lebenswerk des donauschwäbischen Pädagogen Josef Prokopetz, wenn es nur nach den äußeren Ergebnissen gewertet wird. Zieht man aber den inneren Gehalt des Lebens in Betracht, die Werte und Ideale, die es erfüllen, wird man erkennen: Es war ein gesegnetes Leben, das sich im Dienste der Jugend, im Dienste am Nächsten verzehrte und bewährte. Noch bis in seine letzten Tage erfüllte ihn die Sorge um das Recht und die Würde seines Volkes. Am 2. Juni 1964 ist er in Stuttgart im 80. Lebensjahr von uns gegangen. Die AG donauschwäbischer Lehrer hat ihn zu ihrem Ehrenmitglied ernannt.
Lit.: Anton Seigrad, Das Apatiner Deutsche Gymnasium, Straubing 1977. – Josef Volkmar Senz, Das Schulwesen der Donauschwaben im Kgr. Jugoslawien, München 1969. – Josef Volkmar Senz, Apatiner Heimatbuch (Donauschwäbische Beiträge Bd. 55), Straubing 1965, S. 258-261.