Das Dreiländereck um Preßburg, wo sich österreichisches, ungarisches und slowakisches Volksgut begegnen, brachte eine größere Zahl von bedeutenden Musikern hervor, wie J.N. Hummel, J. Joachim,E. v. Dohnßányi u.a.. Preßburg war auch die Heimatstadt Franz Schmidts. Er entstammte einem Elternhaus, in dem der Musik eine große Bedeutung zukam. Seine Mutter, von ungarisch-slowakischer Abstammung, war eine vortreffliche Pianistin und wurde ihm die „erste und beste Lehrerin", wie Franz Schmidt in seiner Autobiographie schrieb. Seine weitere musikalische Ausbildung erhielt er bei dem Kapellmeister des Stadttheaters L. Burger, bei F. Dohnányi (Vater von Ernst v. D.), sowie bei dem Organisten des Franziskaner-Klosters Pater Felician J. Mocsik, der auch Schmidts Liebe zur Orgel erweckte, die in seinem kompositorischen Schaffen eine hervorragende Bedeutung erlangte. Bereits im Kindesalter war er ein vielbestaunter Pianist und trat am Hofe Erzherzog Friedrichs im Preßburger Grassalkovich-Palais auf, wo er mehrmals in Wohltätigkeitsveranstaltungen der Erzherzogin Luise mitwirkte. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie, die 1888 nach Wien übersiedelt war, hatten sich verschlechtert. Dort mußte sich der junge Franz Schmidt seinen Lebensunterhalt mit Tanzmusik verdienen. 1890 kam er an das Wiener Konservatorium, wo er kurze Zeit Schüler von Anton Bruckner wurde und dann bei R. Fuchs und F. Hellmesberger studierte. Von 1896—1911 gehörte er den Wiener Philharmonikern als Cellist an. In den Jahren bis zum 1. Weltkrieg entstanden neben den ersten beiden Sinfonien auch die Oper „Notre Dame", deren erfolgreiche Uraufführung 1914 in Wien ihm zu großem Ansehen verhalf. Seine Kompositionen, die vor dem 1. Weltkrieg entstanden, weisen eine Tonsprache voll Melodie und Wohlklang auf, getragen von einem ursprünglichen Musikantentum. Mit seinen Werken, die in den 20er und 30er Jahren entstanden, gelangte er zu einer tiefen Aussagekraft. Genannt seien seine meisterhaften Variationen über ein Husarenlied und seine 4. Sinfonie, die häufiger im Konzertsaal zu hören ist und „welche mittels der Variationen-Durchdringung zu einem einzigen großen Satzgebilde wird" (A. Liess). Das ein Jahr vor seinem Tode entstandene große Oratorium „Das Buch der sieben Siegel" ist als der Gipfel seines Schaffens zu bezeichnen. Es zeigt einen Komponisten, der auf der Höhe seiner Zeit wirkte und in diesem Werk in modernste Regionen vorstieß.
Aus der freundschaftlichen Verbindung zu dem einarmigen Pianisten P. Wittgenstein, dem zahlreiche bedeutende Komponisten Werke für die linke Hand zueigneten (Ravel, Britten, Prokofieff u. a.), entstanden mehrere Kammermusikwerke,zwei Klavierkonzerte und Klaviermusik.
Von großer Bedeutung war auch Schmidts Wirken auf pädagogischem Gebiet. Seit 1901 war er dem Wiener Konservatorium (später umbenannt in Musikakademie u. Musikhochschule) verbunden, zunächst als Lehrer für Violoncello, dann ab 1914 durch eine Professur für Klavier und seit 1922 als Professor für Komposition. 1925-27 war er Direktor der Akademie und bis 1933 Rektor der Musikhochschule. In seinen letzten Lebensjahren wurden ihm hohe Ehrungen zuteil. Franz Schmidt verstarb 1939 in Prechtholdsdorf. Sein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof schmückt ein von den Wiener Philharmonikern gestiftetes Grabmal. Sein schöpferisches Vermächtnis wird von einer Franz-Schmidt-Gemeinde betreut.
1987 machte eine geplante szenische Aufführung des Oratoriums „Das Buch der sieben Siegel" im Dom bei den Salzburger Festspielen Schlagzeilen. Die szenische Aufführung wurde abgesagt, da die Einrichtung des Regisseurs G. Tabori nicht kirchlichen Vorstellungen entsprach. Dieser Vorfall brachte das Werk Franz Schmidts ins Bewußtsein vieler Musikfreunde, für die der Name Franz Schmidt weitgehend mit dem Zwischenspiel aus „Notre Dame" besetzt war. Geplante Konzerte zum 50. Todestag, auch außerhalb Österreichs, lassen ein zunehmendes Interesse an dem Werk Franz Schmidts erkennen, das bislang etwas im Schatten der Protagonisten der „Wiener Schule" stand. Sein Weg „als ein letzter zusammenfassender Gestalter spätromantischer Komponierkunst, einer, der in der Welt Bruckners weiterschritt" (Pahlen), sollte, bei einer umfassenden Betrachtung der Musikgeschichte zwischen den Kriegen, weit mehr berücksichtigt werden.
Lit.: Franz Schmidt: Autobiographische Skizze (Ms.); A. Liess: Franz Schmidt, Graz-Köln 1951; A. Liess: Franz Schmidt in „Die Musik in Geschichte und Gegenwart"; Kurt Pahlen: Sinfonie der Welt, Zürich 1967; A. E. Emeritzy: Franz Schmidt, vor 100 Jahren in Preßburg geboren, in: Karpatendeutsches Jahrbuch, Stuttgart 1974.