Biographie

Schulz, Ferdinand

Herkunft: Westpreußen
Beruf: Segelflieger
* 18. Dezember 1892 in Pissa (später Waldensee)
† 16. Juni 1929 in Stuhm/Westpr.

Bereits als Schüler suchte Schulz beim Schlittschuhlaufen auf dem Eise des seinem Heimatdorf benachbarten Lauternsees den Wind zur Fortbewegung nutzbar zu machen. Nach dem Besuch der Dorfschule, in der sein Vater Ferdinand Schulz unterrichtete, kam Schulz nach Thorn auf das Lehrerseminar. Am 1. April 1914 wurde er zum Inf.Rgt. 128 eingezogen, nahm am 1. Weltkrieg teil, wurde als Unteroffizier am 9. November 1916 an der Somme verwundet, kam ins Kriegslazarett St. Quentin, dann ins Reserve-Lazarett nach Kassel, von hier aus am 31. Januar 1917 als garnisonsdienstfähig zum Ersatz-Btl. nach Preußisch-Stargard; am 26. Februar 1917 wurde Schulz dienstfähig geschrieben. Vom 1. Januar 1918 an flog er als Schlachtflieger an der Front, wurde mit dem E.K.I ausgezeichnet und als Leutnant d.R. bei Kriegsende entlassen. Zunächst wurde Schulz Junglehrer in Tuchel/Westpr., verlor jedoch diese Stelle durch die Errichtung des Polnischen Korridors. Nach dem Tode des Vaters unterrichtete Schulz einige Zeit in der Schule seines Heimatorts und erhielt anschließend eine Anstellung in Neumark (Kr. Stuhm/Westpr.).

Nach dem 1. Weltkriege war den Deutschen von den Siegern (bis 1924) der Motorflug verboten worden; man erinnerte sich daher an Otto Lilienthal und dessen ersten Gleitflug vom 29. Juni 1895 bei Lichterfelde bei Berlin; die Gebrüder Wright (und andere) hatten diese Bestrebungen fortgeführt. Orville Wright segelte am 24. Oktober 1911 9:45 Minuten, eine Leistung, die erst 1921 auf der Rhön überboten werden sollte. Auch in Deutschland waren vor dem 1. Weltkriege weitere Versuche auf diesem Gebiete unternommen und die Wasserkuppe als geeignetes Gelände entdeckt worden. Nach dem Kriege war es Oskar Ursinus, genannt der „Rhönvater“, der im März 1920 zum Modell- und Gleitflug aufrief; Kriegsflieger und interessierte Jugend folgten ihm im Juli 1920 zum 1. Rhön-Wettbewerb.

Der Weltkriegsflieger Schulz konstruierte und baute in seiner Freizeit, ohne jede Hilfe, ein Segelflugzeug, die sagenhafte „Besenstielkiste“ (von ihm so genannt); Stangen und Bettbezüge waren das Material. Das Flugzeug erschien so primitiv, daß es beim Rhön-Wettbewerb 1921 nicht zugelassen wurde. Auf der Wasserkuppe stellte damals (30. 8.1921) Wolfgang Klemperer einen Weltrekord im Dauersegelflug in 13:03 Minuten auf. Mit seiner so primitiven „Besenstielkiste“ gelang es Schulz am 11. Mai 1924, über den Hängen der Kurischen Nehrung am Haff bei Rossitten in seiner Heimat Ostpreußen den Weltrekord im Dauersegelflug auf 8:42:09 Stunden zu steigern; in diesem Jahr nahm Schulz auch am Rhön-Wettbewerb teil. Er flog auf einem kleinen Brettchen sitzend; seine Füße mußte er hintereinander auf die Kufe stellen, weil diese so schmal war. Die „Besenstielkiste“ besaß keinen stehenden Steuerknüppel, sondern zwei am Flügelholm hängende, der eine für das Querruder, der andere für das Höhenruder. Sein Weltrekord wurde am 26. Juli 1925 von dem Belgier Massaux überboten, der den Rekord auf 10:28 Stunden brachte. Schulz holte sich jedoch wenige Monate später (2.10.1925) über der Krim (auf Typ „Moritz“) mit 12:07 Stunden den Weltrekord zurück und steigerte ihn (auf Typ „Westpreußen“) am 3. Mai 1927 über Rossitten auf 14:07 Stunden (dieser Rekord wurde zu seinen Lebzeiten nicht mehr übertroffen). Einige Tage später (14.5.1927) glückte Schulz ein Streckenrekordflug mit 60,2 Kilometern von Rossitten nach Memel; dabei erreichte er eine Höhe von 503 Metern. Auch im Doppelsitzer hatte er einen Weltrekord im Dauerflug aufgestellt, am 3. Juni 1926 über Rossitten mit 9:21 Stunden. Nach diesen Erfolgen wurde Schulz als Fluglehrer nach Rossitten berufen, wo er gleichzeitig als Volksschullehrer tätig war. Bei Rossitten befindet sich mit 4 Kilometern die breiteste Stelle der Kurischen Nehrung zwischen Haff und Ostsee. Das Kirchdorf hatte seit 1901 eine Vogelwarte, hinzu kam ein naturkundliches Museum. Darüber hinaus machte sich Rossitten nun in der Geschichte des Segelfluges einen Namen. Das war das Verdienst von Schulz, der an den Osthängen der Dünen seine Rekorde flog. Das Segelfliegerlager befand sich in der Nähe des Predin-Berges, nicht weit davon entfernt waren Startstelle und Landewiese, auch eine Flugzeughalle; ein Nebenlager gab es nördlich des nächsten Dorfes, des etwa 11 Kilometer entfernten Pillkoppen. Die Höhe der Dünen lag zwischen 33 und 60 Metern. Der meist lockere Sandboden (von Vorteil bei mißglückten Landungen) stellte besondere Anforderungen an die Methoden des Starts sowie des Transports. Schulz blieb nicht allein beim Segelflug, er kehrte auch zum Motorflug zurück. Am 16. Juni 1929 sollte in Stuhm ein Fliegerdenkmal durch den Westpreußischen Verein für Luftfahrt eingeweiht werden. Schulz übernahm hierbei den Auftrag, vom Flugzeug aus einen Kranz abzuwerfen. Beim Anflug löste sich ein Flügel, die Maschine stürzte auf den Marktplatz der Stadt ab; Schulz und sein Flugschüler Bruno Kaiser fanden den Tod. Auf Wunsch seiner Mutter Rosa Schulz, geborener Scharneck, wurde Schulz auf dem Waldfriedhof in Heilsberg beigesetzt.

Trotz seiner Erfolge war und blieb Schulz ein stiller bescheidener Mensch, ein erfolgreicher Pädagoge in der Schule und beim Segelflug. Die Entwicklung des Segelfliegens hat Schulz entscheidend beeinflußt. Der Westpreußische Verein für Luftfahrt setzte dem Pionier des Segelfluges im Juli 1930 auf dem Willenberger Segelfluggelände einen Gedenkstein.

Quellen: Dt. Biogr. Jahrbuch Bd. XI, 1929, S. 368. – Der Große Brockhaus, 15. Aufl. Bd. 17. Leipzig 1934, S. 230 f. – Adolf Poschmann: Schulz, Ferdinand. In: Altpr. Biographie, Bd. II, 5. Lfg. Marburg/L.: N. G. Elwert Verl. 1963, S. 646 (Litr.-Hinw.). – Die Kartei Quassowski (Sa-Sd) zsgst. v. Günter Boretius. Hamburg 1989, S. 479/290 u. S. 483/385 (Ver.f. Familienforsch. in Ost- u. Westpreußen e.V., Quellen, Materialien u. Sammlungen). – Die Kurische-Nehrung. Königsberg Pr.: Gräfe u. Unzer Verl. 1932.Reprint Leer: Rautenberg 1989. – Auskunft Krankenbuchlager Berlin, v. 23. 5. 1991.