Ihre Kinderzeit verlebte Marie Wernicke in Thorn, wo ihr Vater Oberlehrer und Professor am Gymnasium war. Ihre Mutter hatte sie früh verloren. Nach seiner Pensionierung siedelte ihr Vater nach Berlin über und bildete seine Tochter selbst zur Lehrerin aus. Ihre Prüfung legte sie am Königlichen Luisen-Seminar in Posen ab und war seit 1869 in ihrem Beruf in Berlin tätig. Nach dem Tode ihres Vaters wechselte sie nach Schlesien, kehrte aber bald nach Berlin zurück, bestand am Königlichen Augusta-Seminar ihre Prüfung als Schulvorsteherin und übernahm 1875 die Leitung einer höheren Töchterschule in der Dreifaltigkeitsparochie. 1881 gab sie diese Stellung wieder auf und gründete 1886 im Norden Berlins eine neue höhere Töchterschule, die sie mit Erfolg 20 Jahre lang bis 1906 leitete.
Nebenbei beschäftigte sich Marie Wernicke schriftstellerisch und veröffentlichte literarische Arbeiten. Dabei trat sie sowohl als Lyrikerin als auch als Erzählerin und Dramatikerin in Erscheinung. Als Motive wählte sie oftmals historische Themen. Sie veröffentlichte Gedichte und feuilletonistische Beiträge in Zeitschriften und Almanachen. Größere Werke erschienen als Monographien. Außerdem übersetzte sie aus dem Englischen. Ihre schriftstellerische Neigung veranlaßte sie, 1896 den „Deutschen Schriftstellerinnenbund“ zu gründen, dessen Vorsitzende sie wurde und bis 1898 blieb. Die Interessen der Mitglieder indes waren widerstrebend. Um jedoch an den Grundzügen einer solchen Vereinigung nach ihrem Verständnis festhalten zu können, sah sie sich genötigt, die „Freie Vereinigung deutscher Schriftstellerinnen“ ins Leben zu rufen, wobei sie wiederum den Vorsitz und die Geschäftsführung übernahm. Diese Vereinigung wurde Mitglied der „Association literaire et artistique internationale“ in Paris. Daher nahm Marie Wernicke seit 1900 an deren Kongressen in Paris, Vevey, Neapel, Rom, Marseille, Weimar, Mainz, Kopenhagen und anderswo als Delegierte teil und lernte dadurch auch das Ausland kennen.
Werke: Gouvernantenlieder (1878). – Kaiserlieder – Die Rache des Jupiters – Phaetons Sturz. Dramatische und epische Dichtungen (1893). – Der Stein der Weisen oder Nikolaus Flamel, Roman (1894). – Die weiße Frau, histor. Erzählung (1896). – Der letzte Kampf, historisches Drama (1896). – Des Volkes Ende, historisches Schauspiel, das in die Deutsch-Ordenszeit führt (1897). – Luise Brachmann, Schauspiel (1898, neu bearb. 1911). – Poesie und Prosa (1904) und Café Mottl, Lustspiel (1914). Außerdem gab sie eine Auswahl von Arbeiten ihrer Vereinigung heraus: Mosaik (2 Bd. 1909 und 1913).
Lit.: Sophie Pataky: Lexikon deutscher Frauen der Feder. Berlin 1898. Bd. 2. – Bruno Pompecki: Literaturgeschichte der Provinz Westpreußen. Danzig 1915. – Franz Brümmer: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten. 6. Aufl. Leipzig 1913. – Kürschn. Dt. Lit. Kal. 1914 und Nekrolog 1901-1935. – Wilhelm Kosch: Dt. Lit. Lex. 2. Aufl. – Elisabeth Friedrichs: Die deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. Stuttgart 1981. S. 333. – Altpreußische Biographie, S. 1531. – Hugo Rasmus: Lebensbilder westpreußischer Frauen in Vergangenheit und Gegenwart. Quellen und Darstellungen zur Geschichte Westpreußens. Bd. 22. Münster i.W. 1984.