Ansprache von Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg MdB (+)

Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, © Michaela Freifrau Heeremann

Der ehemalige Bundespolitiker der CSU und Parlamentarische Staatssekretär im Bundeskanzleramt Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg (* 23. Mai 1921 auf Schloss Weisendorf bei Höchstadt/Aisch, † 4. Oktober 1972 in Stadtsteinach) hatte bis zu seinem letzten öffentlichen Auftreten die Vertriebenen und seinen Fraktionskollegen Dr. Herbert Czaja immer unterstützt. Er war auch ein entschiedener Gegner der Ostverträge aus christlicher und patriotischer Überzeugung. In einer denkwürdigen BdV-Kundgebung, organisiert vom früheren Generalsekretär des BdV Dr. Hans Neuhoff, vor der Abstimmung über die Ostverträge sprach der schwerkranke Politiker mit letzter Anstrengung der Stimme am 27. Februar 1971 in der überfüllten Bonner Beethovenhalle zu den Vertriebenen, die durch Mitglieder aller Landsmannschaften vertreten waren:

 

 

 

„Meine Damen und Herren!

Zunächst möchte ich für die mir gegebene Gelegenheit danken, heute hier zu Ihnen sprechen zu können. Dabei richtet sich mein Dank besonders an Ihren Herrn Präsidenten, meinen alten Freund Dr. Czaja, mit dem mich lange Jahre gemeinsamen Handelns und Denkens verbinden.

Ich habe – wenn mich auch meine Gesundheit gezwungen hat, meine politische Aktivität stark einzuschränken – gerade diese Einladung freudig und gerne angenommen. Denn ich möchte heute meinen Teil dazu beitragen, jenen bösartigen Legenden entgegenzutreten, die über Sie – unsere vertriebenen Mitbürger – heute mit Eifer und Systematik verbreitet werden.

Da ist zuerst die Legende von jener isolierten, auf verlorenem Posten stehenden und im Grunde längst überlebten kleinen Gruppe der Heimatvertriebenen, über die die Ereignisse längst hinweggegangen seien.

Ich bin heute auch und vor allem hier, um Ihnen als Einheimischer zu bestätigen, dass dies nicht die Wahrheit ist. Ich stehe hier stellvertretend für unzählige, die sich mit Ihnen verbunden fühlen – nicht obwohl, sondern weil ihnen das Schicksal der Vertreibung erspart wurde. Ich erkläre mich hier solidarisch mit Ihrer Sache – weil dies eine Sache des Rechtes ist und also eine Sache aller Deutschen, die Recht höher achten als Gewalt.

Und ich bin hier als ein Mitglied der größten Fraktion des Deutschen Bundestages, um Ihnen aus der Erfahrung meiner Tätigkeit dort zu berichten, dass diese Fraktion entschlossen ist, auch weiterhin für die Rechte aller Mitbürger einzustehen und sich jenem Kleinmut zu widersetzen, der unter der Zauberformel des Fortschritts in Wahrheit bereit ist, sich mit dem Unrecht abzufinden, das an Deutschen geschah und geschieht.

Für uns bleibt Unrecht Unrecht und bleibt Verbrechen Verbrechen, gleichgültig, ob es von Deutschen oder an Deutschen verübt wurde oder wird. Wer hier einer doppelten Moral huldigen wollte, der stellte das Fundament in Frage, auf dem unser Rechtsstaat ruht.

Dann ist hier jene andere Legende von den Nationalisten, von den Ultrarechten und Ewiggestrigen, die die Ostpolitik der gegenwärtigen Regierung bekämpfen. Sie werden täglich auf solche Weise diffamiert, und mir geschieht ein Gleiches.

Wir haben auf diese Schmähung eine doppelte Antwort:

Erstens sagen wir, dass unsere Opposition gegen die Regierung nichts mit nationalem Pathos oder gar Größenwahn, aber alles mit unserer Entschlossenheit zu tun hat, Freiheit und Menschenrechte für alle Deutschen zu verwirklichen.

Und zweitens antworten wir kurz: wenn unsere Haltung heute ultrarechter Nationalismus sein soll, dann waren auch Sozialdemokraten und Freie Demokraten noch vor kurzem Nationalisten – damals nämlich, als sie 20 Jahre lang mit uns gemeinsam die gleichen Grundsätze vertraten, zu denen wir uns heute noch unverändert – aber nunmehr allein – bekennen.

Nicht wir haben diese Gemeinsamkeit in den entscheidenden Fragen unserer Nation zerbrochen – die gegenwärtige Regierung hat dies getan, ohne Not, ohne Zwang und ohne überzeugende Begründung.

Ich habe jedenfalls noch keine Antwort auf die Frage gehört, ob es eigentlich nationalistischer Ungeist war, der prominente Sprecher der SPD vor der Bildung dieser Regierung sagen ließ: „Verzicht“ sei „Verrat“ und es gelte, „von Deutschland so viel als möglich für die Deutschen zu retten“. Lassen Sie mich – gerade hier – ein Wort sagen zu dieser Vokabel „Verzicht“. Es ist doch Torheit – oder vielleicht feindselige Methode? –, uns vorzuwerfen, wir seien Maximalisten, wir hätten irreale, utopische Ziele, wir glaubten daran, dass alles in Deutschland wieder einmal so werden könnte, wie es einmal in friedlicher und besserer Zeit gewesen ist.

Wir denken doch nicht daran – wie diese Kampf-Formel da lautet –, den „Krieg nachträglich gewinnen zu können“. Wir wissen im Gegenteil sehr wohl, dass Ausgleich und Frieden nur dann einmal möglich sein werden, wenn auch wir zu geben bereit sind – zu geben in einem „do ut des“, in einem „Geben und Nehmen“ – in dem aber auch die andere Seite gibt.

Wir wenden uns jedoch entschieden gegen eine Politik, die der Illusion huldigt, dass totalitäre Diktaturen Vorleistungen honorieren werden. Wir haben gelernt – ein für alle Mal aus bitterer Erfahrung gelernt –, dass der Hunger des totalitären Imperialismus – gleich welcher Farbe – durch Essen nicht gestillt, sondern gestärkt wird.

Deswegen ist es auch eine Legende, dass wir uns weigerten, die Wirklichkeit zu sehen. Das Gegenteil ist der Fall. Eben weil wir die ganze Wirklichkeit erkennen und weil wir es ablehnen, wie Hans im Glück nur die Realitäten zu sehen, die uns ins Konzept passen – eben deshalb warnen wir vor einer Politik, die unter der Flagge des Realismus segelt, aber in Wahrheit blind ist für die volle Wirklichkeit des Macht- und Hegemonieanspruchs der sowjetischen Kommunisten über ganz Europa.

Mit Nachdruck auch wehren wir uns gegen jene weitere üble Legende, die flinke Meinungsmacher landauf landab verbreiten, nach der die Politik der Regierung die einzig denkbare Friedens- und Versöhnungspolitik sei; also dass jene, die diese Politik als falsch und gefährlich ablehnen, sich damit als Feinde des Friedens und der Versöhnung zeigten.

Wer so redet, setzt sich selbst ins Unrecht. Wer so redet, macht sich der Verketzerung seines demokratischen Gegners schuldig. Und wer so redet, beweist, dass er fehlende Argumente durch Pseudomoral ersetzen muss.

Wie kann zum Beispiel ein SPD-Minister heute ohne rot zu werden sagen, „wer die Hoffnung auf eine Änderung in den Oder-Neiße-Gebieten wachhalte, spiele mit dem Feuer“, wenn er selbst noch vor zwei Jahren einer Regierung angehört hat, die eben diese Hoffnung wachzuhalten sich verpflichtet fühlte? Hat er vielleicht damals auch mit dem Feuer gespielt? Oder spielt er nicht vielmehr heute mit dem Feuer einer unerträglichen und gefährlichen Spaltung unseres Volkes in gute und in böse Deutsche? In die guten, die für seine Politik, und in die schlechten, die gegen sie sind?

Wir lassen uns dieses Etikett nicht anhängen. Unser Motiv und unser Ziel war und ist und wird bleiben: Frieden und Versöhnung mit all unseren Nachbarn. Nur: wir werden nicht davon ablassen, dass wir ganzen Frieden und volle Versöhnung wünschen. Es gibt aber keinen ganzen Frieden und volle Versöhnung ohne das Recht. Genauer gesagt: ohne Menschenrechte und ohne Selbstbestimmung bleibt der Friede gefährdet und die Versöhnung ein Wunschtraum.

Deshalb, weil wir dem Frieden und der Versöhnung verpflichtet sind, wenden wir uns gegen eine Politik, die diejenigen in ihrem Kurs bestätigt und damit weiter ermuntert, die täglich das Recht der Menschen unter ihrer Herrschaft mit Füßen treten. Und wir setzen gegen diese Politik unseren Willen und unsere Entschlossenheit, zäh und unbeirrt an den Freiheitsrechten unserer ganzen Nation festzuhalten – wissend, dass unsere Geduld und unsere Festigkeit eines Tages auch unseren Nachbarn im Osten zugute kommen wird, die ihre Freiheit so lieben wie wir die unsere.“

Die deutschen Heimatvertriebenen haben Grund dazu, Freiherrn zu Guttenberg ein ehrendes Andenken zu bewahren!

(Eingereicht von Stefan P. Teppert M.A.)