PM: Kulturstiftung verbindet: Dialogveranstaltung 2021 im Heiligenhof

Im letzten Jahr nahm die Neuaufstellung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen Fahrt auf. Fachtagungen, Begegnungs- und Dialogveranstaltungen brachten die Menschen zusammen. Dann jedoch sorgte die Corona-Pandemie auch bei der Kulturstiftung dafür, dass neue Wege und Mittel gefunden werden mussten, Inhalte zu kommunizieren.

Mit Hybrid- und Online-Veranstaltungen konnten viele Punkte des umfangreichen Jahresprogramms aufgefangen werden. Vielfach war die Resonanz gar so gut, dass auch nach der Pandemie diese neuen Veranstaltungsformen zusätzlich angeboten werden sollen. Die Vorteile und die Bedeutung von Präsenzveranstaltungen, die gerade Dialogtagungen zu Tage treten lassen, wurden jedoch ebenso deutlich.

Bei der Tagung „Kultureinrichtungen im Dialog – Landsmannschaften und Kultureinrichtung der Vertriebenen im Dialog mit Bund, Ländern und Wissenschaft“ am 3. und 4. August in der Bildungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad Kissingen wurden diese und weitere Erfolge und Hürden des letzten Jahres diskutiert. In Themenblöcken zur Museumstätigkeit, zur Öffentlichkeitsarbeit, zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und zur Stärkung der Wissenschaft wurde so der Erfahrungsaustausch zu aktuellen Fragestellungen über Fachbereichsgrenzen hinweg gefördert.

Ständiger Dialog

Reinfried Vogler, Vorstandsvorsitzender der Kulturstiftung, sagte zur Begrüßung, die Kulturstiftung stehe für Dialog und Dienstleistung gleichermaßen: „Wir wollen ein Gesprächspartner sein.“ Als Kommunikator und Vernetzer der Einrichtungen der Vertriebenen und Spätaussiedler mit der Forschung, Wissenschaft und Verwaltung setze die Stiftung dabei auf ständigen Dialog.

Begegnungstagungen wie „Kultureinrichtungen im Dialog“ stellen sicher, dass alle Akteure im Gespräch bleiben. „Mit dem Wort ‚Begegnung‘ lässt sich die Kulturstiftung treffend umschreiben“, erklärte dementsprechend Thomas Konhäuser, Geschäftsführer der Kulturstiftung, in seinen einführenden Worten zur Tagung. Mit ihren verschiedenen Veranstaltungsformaten, die im letzten Jahr zudem ausgeweitet werden konnten, unterstützt die Kulturstiftung die Arbeit der Kultureinrichtungen und gibt neue Impulse für den Austausch über das deutsche kulturelle Erbe im Osten Europas.

Per Online-Zuschaltung stellte Dr. Gundula Bavendamm, Direktorin der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, anschließend das neue Dokumentationszentrum ihrer Stiftung im Berliner Deutschlandhaus vor. Nach einem einführenden Film und der Vorstellung des Ausstellungskonzeptes, beantwortete Dr. Bavendamm auch Publikumsfragen. Man habe sich für das Dokumentationszentrum bewusst für eine zurückhaltende, nüchterne Darstellung und gegen Inszenierungen entschieden, erklärte sie.

Dr. Lilia Antipow, Leiterin des Sachgebiets „Öffentlichkeits-, Medien- und Pressearbeit, Bibliothek“ des Hauses des deutschen Ostens (HDO) in München, schilderte daraufhin die komplexen Herausforderungen des Aufbaus einer virtuellen Ausstellung in Pandemiezeiten. Mit einem kleinen Team von nur drei Personen hat das HDO die Jubiläumsausstellung „Wer bin Ich? Wer sind Wir? Zu Identitäten der Deutschen aus dem östlichen Europa“ virtuell begehbar gemacht. Außerdem setze man jetzt noch stärker auf soziale Medien für die Breitenwirkung, sagte Dr. Antipow.

Auch für Heimatsammlungen und Heimatstuben bedeutete die Pandemie zusätzliche Sorgen in einer bereits vielfach angespannten Lage. Birgit Aldenhoff, wissenschaftliche Referentin für Kunstgeschichte der Kulturstiftung, informierte über den dramatischen Rückgang der öffentlich zugänglichen Sammlungen. Als Leiterin des Leuchtturmprojekts „Virtuelle Heimatsammlungen in Nordrhein-Westfalen“ der Kulturstiftung habe sie erleben müssen, dass Heimatsammlungen kurz vor einer möglichen Digitalisierung geschlossen wurden und ihre Ausstellungsobjekte im Depot landeten. Ihr Vortrag war ein eindringliches Plädoyer an Verbände, Wissenschaft und Politik für den Erhalt dieser Orte der Erinnerung. Ob in ein Stadtmuseum integriert oder im Idealfall selbstverwaltet an prominenter Stelle im Stadtbild, die Kulturstiftung unterstützt Heimatsammlungen bei ihrem Weg.

Das Leuchtturmprojekt „Virtuelle Heimatsammlungen“, das nun nach NRW auch auf Hessen ausgeweitet werden konnte, stellte anschließend Dr. Ernst Gierlich, Vorstandsmitglied der Kulturstiftung und Initiator des Projekts, im Detail vor. Die Projektwebseite www.heimatsammlungen.de bietet neben einem stetig wachsenden Glossar und vielen Informationen zu Heimatmuseen auch Panorama-Ansichten der digitalisierten Heimatstuben und virtuelle Räume mit ausgewählten Exponaten in dreidimensionaler Darstellung.

Den Abschluss des ersten Tagungstages bildete ein Themenblock zur Öffentlichkeitsarbeit in Pandemiezeiten. Im ersten Impulsvortrag beschrieb Ulrich Rümenapp, Bildungsmanager am Heiligenhof, die Schwierigkeiten und Lösungsansätze der Stiftung Sudetendeutsches Sozial- und Bildungswerk. Auch als bereits seit vielen Jahrzehnten bestehende Einrichtung musste der Heiligenhof neue Wege beschreiten und ist an den Aufgaben gewachsen, erklärte Ulrich Rümenapp.

Christina Meinusch, Heimatpflegerin der Sudetendeutschen, stellte ihre neuen und ausgebauten Formate vor, die im letzten Jahr online ausgerichtet wurden. Viele davon seien so gut angekommen, dass man sie auch weiterhin beibehalten wolle. Es gehe aber auch darum, eine gute Mischung anzubieten, die verschiedene Zielgruppen erreicht.

Stephan Rauhut, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien, Nieder- und Oberschlesien, betonte vor allem die Chancen, die aus der digitalen Öffnung der Gesellschaft entstanden. So sei im Juni 2021 das erste digitale Schlesiertreffen unter dem Motto „Schlesien verbindet“ auf sehr gute Resonanz gestoßen. Diesen Schwung nutzt man nun für das Filmprojekt „360 Grad Schlesien“, das im September auf Youtube Premiere feiern wird.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion kamen neben Dr. Lilia Antipow, Christina Meinusch und Stephan Rauhut auch Jolanta Lemm, Geschäftsführerin des BdV-Landesverbandes Hessen, und Dietmar Schulmeister, Vorsitzender der Landesgruppe NRW der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (LmDR), ins Gespräch mit Tomáš Randýsek, Referent für Öffentlichkeitsarbeit der Kulturstiftung. Die Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer waren sich einig, dass die Pandemiezeit den Digitalisierungsdruck erhöht hat, dies aber auch neue und alte Zielgruppen zusammenführte. Die Podcast-Reihe des BdV Hessen „culture to go“ baut genau diese Brücken, auch zwischen Generationen. Auch die LmDR unterstützt Projekte wie den „x3 Podcast“ und baut ihre Präsenz im Netz aus. Über Landsmannschaftsgrenzen hinweg arbeitet Dietmar Schulmeister gar an den Filmprojekten der Landsmannschaft Schlesien mit.

Zusammenarbeit im Blick

Den ersten Impulsvortrag des zweiten Tages hielt Martin Dzingel, Präsident der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik. Zusammen mit Maximilian Schmidt, Kulturmanager des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) bei der Landesversammlung, stellte er aktuelle grenzüberschreitende Projekte vor. Besonders wurde dabei das diesjährige Sommercamp der deutschen Minderheiten hervorgehoben, das zwar nur online stattfinden konnte, aber auch 2021 wieder Kinder und Jugendliche aus ganz Mittel- und Osteuropa sowie aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion zusammenbrachte und ihnen half, ihre Deutschkenntnisse im gemeinsamen Austausch zu verbessern. Erste Ergebnisse der Workshops kann man schon auf www.sommercamp.online sehen.

Auch Heimatpflegerin Christina Meinusch präsentierte viele neue Projekte, die grenzüberschreitend angelegt sind. Ein wichtiges Thema ist und bleibt hier die Pflege und Restauration von deutschen Denkmälern und Friedhöfen im Nachbarland Tschechien. Mit engagierten Menschen und Vereinen vor Ort konnten so bereits verfallene Gottesacker gerettet oder zumindest durch Gedenktafeln ins kollektive Gedächtnis zurückgeholt werden. Die Erinnerung an die deutsche Kultur in Mittel- und Osteuropa trägt die Sudetendeutsche Landsmannschaft zudem auch in die Schulen.

In der anschließenden Diskussion sprachen neben Christina Meinusch und Martin Dzingel auch Ewa Czeczor, wissenschaftliche Assistentin und Koordinatorin des Projekts Archivierung und Dokumentation der Geschichte der deutschen Minderheit in Polen, Prof. Dr. Andreas Otto Weber, Direktor des Hauses des deutschen Ostens in München, und Vitalij Brodhauer von der Arbeitsgemeinschaft deutscher Minderheiten (AGDM) mit Matthias Lempart, Referent der Kulturstiftung für grenzüberschreitende Zusammenarbeit, über internationale Kooperationen. So konnte Prof. Weber zusätzlich zur Arbeit des Hauses des deutschen Ostens auch über seine Erfahrungen mit Uniseminaren berichten, die bayerische und tschechische Wissenschaftler zusammenbringen. Frau Czeczor stellte das neue Forschungszentrum der deutschen Minderheit in Polen vor, das seinen Sitz in Opole/Oppeln hat und sich aus verschiedenen Perspektiven mit dem deutschen kulturellen Erbe beschäftigt.

Um Perspektiven ging es auch im nächsten Tagesordnungspunkt. Thomas Konhäuser, Geschäftsführer der Kulturstiftung, und Dr. Kathleen Beger, wissenschaftliche Referentin der Kulturstiftung für Staats- und Völkerrecht, (Zeit-)Geschichte und Literaturgeschichte, zeigten anhand der beiden Initiativen der Kulturstiftung „Junges Netzwerk Zukunft“ und „JUWOST – Nachwuchsnetzwerk Junge Wissenschaft West-Ost“ Wege der Vernetzung auf, die in die Zukunft weisen. Mitglieder beider Netzwerke waren per Zuschaltung in Bad Kissingen dabei und luden weitere Interessierte zum Mitmachen ein. Details zu Beteiligungsmöglichkeiten gibt es auf der Webseite www.kulturstiftung.org und auf der neuen Seite www.juwost.de, die bei der Tagung erstmals vorgestellt wurde. Vitalij Brodhauer sprach von den Chancen, die auch der grenzübergreifende Austausch bietet. Man müsse es nutzen, dass es auch in Deutschland eine Jugendverbandsarbeit gibt und diese mit den Minderheiten vernetzen.

Einen genaueren Blick auf die bereits etablierte Wissenschaft rund um das deutsche kulturelle Erbe bot der letzte Themenblock der Dialogtagung. In diesem Segment sprachen Prof. Dr. Manfred Walter, Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll und Prof. Dr. Manfred Kittel über derzeit laufende Publikationsprojekte und neue Ideen für Reihen wie „Widerstand im Widerstreit“ oder „Literarische Landschaften“, die in Zusammenarbeit mit der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen erscheinen. Gemeinsam wiesen sie darauf hin, dass diese Publikationen Impulse zu aktuellen Debatten bieten können und ein größeres Publikum verdienen. Bei zeitgemäßen Formaten und der immer wichtiger werdenden Medienarbeit seien aber auch die Verlage gefragt.

Mit ihrer nun jährlich stattfindenden Tagung „Kultureinrichtungen im Dialog – Landsmannschaften und Kultureinrichtungen der Vertriebenen im Dialog mit Bund, Ländern und Wissenschaft“ war die Kulturstiftung zum ersten Mal im Heiligenhof in Bad Kissingen zu Gast und unterstrich damit ihre bundesweite Arbeit. Zum Abschluss der zwei informativen Tage unterstrich Thomas Konhäuser, Geschäftsführer der Kulturstiftung, nochmals die Bedeutung der Vernetzung und Zusammenarbeit aller Akteure. Nur gemeinsam könne es gemäß §96 BVFG gelingen, das vielfältige Kulturgut der Vertreibungsgebiete im Bewusstsein der Deutschen und des Auslands lebendig zu erhalten und das in seiner Tradition stehende kulturelle Schaffen zu fördern.

  • Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen / (tra)

 

Text der Pressemitteilung als pdf:
2021-08-19-KS-16-Dialogtagung-2021

 

Gebäude: Der Heiligenhof
Der Heiligenhof trägt das Motto „Alles Leben ist Begegnung“
Foto: Thomas Konhäuser am Rednerpult
Thomas Konhäuser, Geschäftsführer der Kulturstiftung, sprach zur Einleitung der Tagung über das vergangene Jahr der Neuaufstellung der Kulturstiftung.
Foto: Brigitta Gottmann am Rednerpult
Brigitta Gottmann, Leiterin der Ostdeutschen Heimatstube in Lüdenscheid, sprach aus persönlicher Erfahrung über Zukunftssorgen der Heimatsammlungen
Foto: Podiumsdiskussion zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit
An der Podiumsdiskussion zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nahmen Vitalij Brodhauer, Mitarbeiter des AGDM-Koordinierungsbüros in Berlin, Christina Meinusch, Heimatpflegerin, Prof. Dr. Andreas Otto Weber
Prof. Dr. Andreas Otto Weber, Direktor des Hauses des deutschen Ostens in München, Matthias Lempart, Referent der Kulturstiftung für grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Martin Dzingel, LV-Präsident, und Ewa Czeczor, wissenschaftliche Assistentin und Koordinatorin des Projekts Archivierung und Dokumentation der Geschichte der deutschen Minderheit am neuen Forschungszentrum der DMi in Polen, teil.