Biographie

Kohn, Theodor

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Erzbischof von Olmütz
* 22. März 1845 in Berznitz
† 3. Dezember 1915 in Ehrenhausen/Steiermark

Im 20. Jahrhundert mussten verschiedene Bischöfe in Böhmen und Mähren ihr Amt aufgeben und „freiwillig“ zurücktreten. Nach dem Ersten Weltkrieg, dem Ende der Donaumonarchie und der Entstehung der Tschechoslowakei verlangte dies die neue Prager Regierung 1919 vom Prager Erzbischof Paul Graf von Huyn, weil er ein Deutscher war, und 1920 ebenso vom Olmützer Erzbischof Leo Kardinal Skrbensky. Wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Nuntius resignierte 1931 der Prager Erzbischof Franz Kordač. Auch der letzte deutsche Bischof von Leitmeritz, Anton Alois Weber musste im Januar 1947 auf seine Diözese verzichten. Begonnen hatte diese Kette von Resignationen 1904, als der damalige Olmützer Erzbischof Theodor Kohn am 13. März seinen Rücktritt erklärte. Er war 1892 als erster bürgerlicher Domherr nach 300 Jahren vom Domkapitel zum Erzbischof gewählt worden.

Seine Wahl zum Olmützer Erzbischof war eine große Überraschung gewesen, stammte Kohn doch aus einer jüdischen Familie und war nach drei Jahrhunderten der erste Bürgerliche auf einem Bischofsstuhl, der in Kreisen des Hochadels als dessen Domäne galt. Seine Vorgänger waren Grafen, Fürsten und österreichische Erzherzöge gewesen. Das mährische Erzbistum hatte bis dahin mehr Erzbischöfe mit dem Kardinalstitel aufzuweisen als das älteste böhmische Bistum Prag.

Theodor Kohn kam am 22. März 1845 in Breznitz bei Zlin zur Welt. Sein Großvater war als Gastwirt und Metzger nach dem Tode seiner ersten Frau wegen seiner Heirat mit einem katholischen Mädchen vom Judentum zur katholischen Kirche übergetreten. Der junge Theodor besuchte die Gymnasien der Piaristen in Straßnitz und Kremsier, studierte dann Theologie in Olmütz und wurde hier 1871 zum Priester geweiht. Als Seelsorger war er in Wsetin und Freiberg tätig, ehe er mit 30 Jahren promovierte und bald Konsistorialrat, päpstlicher Ehrenkämmerer und Domherr in Olmütz wurde, wo er auch an der Theologischen Fakultät Kirchenrecht und Fundamentaltheologie lehrte.

Als 1892 der Olmützer Erzbischof Kardinal Friedrich Landgraf von Fürstenberg starb, standen als aussichtsreiche Kandidaten Adelige wie die Grafen Gustav Belrupt zur Wahl oder der polnische Graf Adam Potulicki, an dessen Wahl die Wiener Regierung interessiert war. Gewählt wurde aber der jüngste Domherr: Theodor Kohn.

„Die Wahl des erst 47-jährigen Domherrn bildete für die Öffentlichkeit eine gewaltige Überraschung … In den Kreisen des Hochadels, als dessen Domäne seit jeher unser Bischofsstuhl galt, war man bestürzt, ja entrüstet. Im Volk aber wurde der Gewählte freudigst begrüßt. Zudem war er der beste Kenner der Diözese und ihres gesamten Personals. Ein Arbeitsmensch ersten Grades, hochintelligent, mit den besten Absichten für eine gerechte Verwaltung seines Amtes ausgestattet und von der Würde seiner Stellung durchdrungen. Alle Vorbedingungen einer segensreichen Wirksamkeit und glücklichen Laufbahn schienen gegeben; es fehlte dazu nichts als Gottes Segen!“, schrieb dazu Johann Kux der Chronist der Stadt Olmütz. Kohns bischöfliches Programm, das er nach der Wahl versprach, klang volkstümlich und friedfertig. Außerdem war er als Hochschullehrer und Wissenschaftler angesehen.

„Hochbegabt und fleißig, visitierte Kohn fast die gesamte Erzdiözese, förderte die katholischen Organisationen, Presse, Volks­missionen und Exerzitien. 1901 ließ er in Olmütz einen deutschen und in Kremsier einen tschechischen Katholikentag abhalten. Da Kohn die an sich großen Einkünfte der erzbischöflichen Güter noch zu steigern verstand, standen ihm hohe Summen zur Verfügung. Er besorgte die Restaurierung des erzbischöflichen Kremsierer Schlosses und seiner Gemäldegalerie, unterstützte wohltätige Einrichtungen (er gründete u.a. die St. Theodorstiftung für arme Priester) und gab viel für die Presse“, würdigt ihn der Kirchenhistoriker und Chorherr von Tepl Kurt Augustin Huber, muss aber auch feststellen: „Wegen seiner schlichten Herkunft anfangs vom Volke begrüßt, enttäuschte Kohn immer mehr durch wenig rücksichtsvolles Vorgehen in Rechtstreitigkeiten. Selbst aus der Mitte des Klerus kam es zu Presseangriffen gegen ihn, und auch in nationaler Hinsicht erregte Kohn die Unzufriedenheit beider Lager. So hatte auch die Wiener Regierung Bedenken gegen ihn.“

Es sind viele Legenden um seinen Führungsstil und der Grund seiner Absetzung gesponnen worden. So soll Kaiser Franz Joseph, der die Wahl des Domkapitels bestätigen musste, bereits damals beim jüdischen Namen Kohn gestutzt und gefragt haben, „ob der Jude schon getauft sei“. Die jüdische Herkunft und tschechische Vorfahren waren dabei für seine späteren Kritiker und Gegner ebenso Ansatzpunkte wie damals bald entstandene Misshelligkeiten mit dem Domkapitel, aber auch mit dem Kaiserhaus und der Geistlichkeit des Erzbistums. Obwohl der Erzbischof beiden Nationen in seinem Erzbistum gerecht werden wollte und von seinen Priester perfekte Sprachkenntnisse in beiden Sprachen forderte, wurde er von Tschechen und Deutschen gleichermaßen angegriffen. Im Wiener Reichrat beschuldigten ihn tschechische Abgeordnete, er verwalte seine Diözese „ad maiorem Germaniae gloriam“, während ein deutscher Abgeordneter ausrief, durch Kohn sei das „Erzbistum durch und durch vertschecht.“ Dabei hatte Kohn nach seiner Wahl sogar Papst Leo XIII. um ein Schreiben gebeten, das die versöhnliche Rolle der Kirche in Nationalitätenstreiten anmahnte …

Erzbischof Kohn führte Prozesse um Lappalien und machte sich immer unbeliebter. Seit 1902 erschienen in dem tschechischen Olmützer Blatt Pozor Artikel gegen ihn, die mit „Rectus“ gezeichnet waren und die so genannte Rectus-Affäre auslösten. Sie spaltete die Diözese noch mehr und nahm bald peinliche und groteske Züge an. Auch der Kardinalstaatsekretär Rampolla und Kardinal Vincenzo Vanutelli wurden eingeschaltet. Es kam zu gerichtlichen Klagen und Verdächtigungen, Demonstrationen und Interpellationen im Wiener Reichsrat. In dieser Zeit starb Leo XIII. Bei der Papstwahl 1903 legte Kaiser Franz Joseph durch den Krakauer Kardinal im Konklave ein Veto gegen die Wahl Rampollas ein, so dass Pius X. gewählte wurde. Der Streit um Kohn nahm dramatische Formen an. Der Kaiser verweigerte ihm eine Audienz. Kohn wurde nach Rom zitiert und resignierte am 13. März 1904 auf höchste Weisung.

Er lebte dann bis zu seinem Tode 1915 auf der Herrschaft Ehrenhausen in der Steiermark, die er erworben hatte. Sein Nachfolger wurde der bisherige Brünner Bischof Franz Sales Bauer, denn der Kaiser ernannte, da wegen des Rücktritts Kohn das Domkapitel nicht zur Wahl berechtigt war. Papst Pius X. ernannte 1911 Erzbischof Bauer zum Kardinal. Er starb im gleichen Jahr wie Kohn 1915. Seine größten Gegner hatte Kohn im tschechischen Klerus und im Adel gehabt.

Auf seine jüdische Herkunft spielten lange nach seinem Tode noch die Nationalsozialisten an, als 1934 der „Deutsche Hort Verlag“ in Dessau eine böswillige antisemitische Satire druckte: „Der Fürstbischof Kohn an seinen geliebten Bruder, den Fürsterzbischof Faulhaber.“ Darin gratuliert der tote Kohn dem Münchner Erzbischof Michael Faulhaber zu einer Predigt gegen den Antisemitismus.

Lit.: Josef Streicher, Arme Brüder, Stuttgart 1913. – Johann Kux, Geschichte der königlichen Hauptstadt Olmütz, Reichenberg-Olmütz 1937. – Friedrich Engel-Janosi, Österreich und der Vatikan 1846-1918, 2 Bde., Graz 1960. – Josef Matzke, Die Olmützer Erzbischöfe, Esslingen 1978. – Aleš Zelenka, Die Wappen der böhmischen und mährischen Bischöfe, Regensburg 1979. – Johann Kux, Geschichte der königlichen Hauptstadt Olmütz, Reichenberg-Olmütz 1937. – Handschriftliches Material von sudetendeutschen Priestern der Erzdiözese Olmütz im Institut für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien in Nidda.

Bild: Wikipedia.

Rudolf Grulich, 2017