Biographie

Abegg, Georg Friedrich Heinrich

Herkunft: Ostpreußen, Danzig
Beruf: Arzt
* 19. Februar 1826 in Königsberg i.Pr.
† 3. Oktober 1900 in Wiesbaden

Georg F. Heinrich Abegg stammte aus einer alten badischen Familie, die auf verschiedenen Gebieten eine Reihe bedeutender Wissenschaftler hervorgebracht hat. Er wirkte fast 50 Jahre als Arzt und Mitglied des Medizinalkollegiums der Provinz Westpreußen in Danzig. Als langjähriges Mitglied und Stellvertreter des Direktors der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig gründete er 1876 als Medizinische Sektion in dieser den ärztlichen Verein. Sein soziales Engagement in der Stadt hat sein persönliches Wirken als Arzt noch überlebt.

Georg Heinrich Abeggs Vater, Professor Heinrich Abegg, war als Jurist, Strafrechtler und Kriminalist tätig gewesen. Da er noch im Geburtsjahr des Sohnes einen Ruf auf eine Professur an der juristischen Fakultät der Universität Breslau annahm, wuchs Georg Heinrich Abegg in Breslau in Schlesien auf. Er besuchte hier das St. Maria-Magdalena-Gymnasium, das er Ostern 1844 mit dem Abitur verließ. In Breslau begann er ein Medizinstudium und ging dann nach Heidelberg, wo er den Studenten und später bekannten Dichter Joseph Victor Scheffel (1826 bis 1886, 1876 geadelt) kennenlernte, mit dem ihn eine lange und enge Freundschaft verband. Seine Doktordissertation De capacitate arteriarum et venarum pulmonalium wurde am 2. Juni 1848 in Breslau angenommen. Diese Arbeit war bereits vorher mit einem akademischen Preis ausgezeichnet worden. Nach dem Staatsexamen im selben Jahr betrieb Abegg seine weitere Ausbildung in Prag und Wien. Beide Orte galten damals als führend in der physikalischen Diagnostik und in der pathologischen Anatomie. Nach einem Aufenthalt in Würzburg betätigte er sich im Auftrage der Regierung bei der Bekämpfung der Cholera-Epidemie in Schlesien und wurde anschließend Militär-Assistenzarzt in Breslau, Neisse und Schweidnitz.

In dieser Eigenschaft wurde Abegg 1851 nach Danzig versetzt, wo er für die Dauer seines beruflichen Lebens blieb. Er übernahm die schwierige und verantwortungsvolle Stelle eines Armenarztes, von denen es damals in Danzig insgesamt nur drei gab. Im Jahre 1856 trat er in die Naturforschende Gesellschaft (NFG) in Danzig ein, in der er bis an sein Lebensende sehr engagiert und vorausschauend wirkte. Aufgrund seiner praktischen Erfahrung und seiner großen Einsatzbereitschaft übernahm er 1857 die Leitung des Diakonissenhauses. 1863 wurde er zweiter Lehrer an der in Danzig ansässigen Hebammen-Lehranstalt und fand hier nun seine eigentliche Berufung als Arzt. Drei Jahre später bereits wurde er nach dem Tode von Dr. Fischer dessen Nachfolger als Direktor des Königlichen Provinzial Hebammeninstitutes, eine Stellung, die in den Jahren von 1835 bis 1850 der berühmte Physiologe Carl Theodor Ernst von Siebold aus Würzburg innegehabt hatte. Das Institut lag im Osten der Danziger Altstadt, in der Niederstadt, in der Straße Langgarten. Bereits im Jahre 1819 auf Initiative von von Franz Christian Brunatti in Danzig angesiedelt, entsprach es inzwischen nicht mehr dem damaligen aktuellen Standard eines Krankenhauses. Schon 1860 und dann als Direktor 1869 hatte Abegg auf diesen Mißstand hingewiesen. Durch sein inzwischen erhebliches Ansehen in der Stadt und durch seinen persönlichen Einsatz gelang es ihm, daß 1878 unter seiner Leitung ein Neubau im Westen der Stadt, in der Sandgrube, begonnen und 1880 als Provinzial-Hebammen-Lehranstalt in Betrieb genommen wurde. Ganz allgemein hatte die Wiedereinrichtung der preußischen Provinz Westpreußen mit der Hauptstadt Danzig im Jahre 1878 zu einer Aufbruchstimmung im ganzen Lande geführt. Abegg sah sich in einer besonderen Weise ausgezeichnet, indem er im selben Jahr in das neu gegründete Medizinalkollegium der Provinz Westpreußen berufen wurde.

Es ist ganz erstaunlich, in welchem Maß Heinrich Abegg sich neben seiner zeit- und energieraubenden Tätigkeit als Arzt und Lehrer auch im Verbands- und im Wissenschaftsbereich eingesetzt hat. Nach 20jähriger Mitgliedschaft in der Naturforschenden Gesellschaft (NFG) gründete er deren medizinische Sektion als zweite von später insgesamt neun Sektionen, die ihre erste Sitzung am 19. Dezember 1876 abhielt. Abegg wurde ihr Vorsitzender und blieb es, bis er Danzig verließ. Anschließend wurde er zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Auch hierin zeigte sich das Ansehen Abeggs in der Provinz Westpreußen, aber auch umgekehrt, die Wirkung, die er auszuüben in der Lage war. Alle Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft, die Ärzte waren, gehörten der Sektion an. 1890 konnte diese zu einem Verein der Ärzte Westpreußens ausgestaltet werden. Dieser Verein nahm auch solche Ärzte auf, die nicht Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft waren, jedoch mußte der Vorstand des Vereins aus den eingeschriebenen Mitgliedern der Gesellschaft gewählt werden.

Auf wissenschaftlichem Gebiet hat Abegg eine Reihe von Arbeiten veröffentlicht, die im Archiv für Gynäkologie, in der Berliner klinischen Wochenschrift, im Centralblatt für Gynäkologie, in der Monatsschrift für Geburtskunde und in der Festschrift zur Feier des 50jährigen Jubiläums der „Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie“ in Berlin erschienen sind. Seine viel beachtetenBeiträge zur Geburtshülfe und Gynäkologie erschienen zwischen 1873 und 1882 in Danzig und Berlin. Bei der dritten Auflage des Lehrbuchs für Hebammen hat Abegg mitgewirkt. Er war einer der ersten Befürworter der Anwendung des sogenannten „Credè-Handgriffs“ bei Geburten, den er natürlich auch selbst anwandte.

Abegg war von der Ausübung seines Berufes wirtschaftlich unabhängig, so daß er seinen sozialen Neigungen und seiner Hilfsbereitschaft nachgeben und wohltätige oder gemeinnützige Veranstaltungen fördern konnte. Er schuf schließlich die „Abegg-Stiftung zur Einrichtung gesunder Familienwohnungen für Arbeiter und kleine Handwerker“, deren Aufsichtsrat er mit großem Einsatz führte. Es gelang ihm und der Stiftung, eine große Zahl von Wohnungen zu bauen, die sein Anliegen in weiten Kreisen der Bevölkerung bekannt machten. Auch die Einrichtung der Kinderheilstätte in Zoppot ging auf das unermüdliche Arbeiten Abeggs zurück. Nachdem er bereits zum Medizinalrat und zum Geheimen Sanitätsrat ernannt worden war, erhielt er anläßlich seines 50jährigen Doktorjubiläums am 2. Juni 1898 die Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Danzig. Dieser Tag wurde für Abegg auch ohnedies ein unvergeßlicher Festtag, da ihm zahlreiche Mitbürger und Freunde aus der Stadt und der Provinz ihren Dank und ihre Glückwünsche überbrachten.

Am Anfang des Jahres 1900 erlitt Heinrich Abegg einen Schlaganfall, der dazu führte, daß er seine sämtlichen Tätigkeiten und Ämter aufgeben mußte. Für ihn, der sich zeitlebens nie geschont hatte, sondern stets seinen vielfältigen Aufgaben hingebungsvoll gedient hatte, war das eine völlig neue Situation. Mit seiner Frau verließ er am 30. Mai Danzig in der Hoffnung, in seiner Villa in Wiesbaden, in der Nähe seines einzigen Sohnes und in milderem Klima Erholung und Genesung zu finden. In den ersten Wochen schien sich diese Hoffnung auch zu erfüllen, doch überlebte er den Herbst nicht. Sein Ansehen in Danzig blieb noch lange lebendig. Zu dem, was er in Danzig geschaffen hatte, gehörte auch eine in vielen Jahren gewachsene Münzsammlung. Er hatte sie testamentarisch der Provinz Westpreußen vermacht. Sie ging 1929 an das Staatliche Landesmuseum im Schloß von Oliva über. Die Naturforschende Gesellschaft gedachte ihres langjährigen Vizedirektors am Jahrestag ihres 158jährigen Bestehens, am 2. Januar 1901, mit einem Nekrolog auf Heinrich Abegg durch seinen langjährigen Freund und Berufskollegen Dr. Oehlschläger.

Werke: Über Luftreinigung in Krankenhäusern. Casper’s Vierteljahrsschrift. 1860. – Bericht über die Hebammen-Lehranstalt von 1819 bis 1868. Danzig. 1869. – Über Rettungsmittel bei Verblutungsgefahr. Schriften der NFG, Band III, H. 4. 1875. – Die wichtigsten Neuerungen in der Krankenbehandlung. Schriften Band IV, H. 1. 1876.

Lit.: E. Schumann: Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Danzig 1893. – Oehlschläger: Nekrolog auf Heinrich Abegg. In: Schriften der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Neue Folge, Band X, Heft 4. Danzig 1902. – S. Rühle: In: Altpreußische Biographie, Band 1, S. 1.

Hans-Jürgen Kämpfert, 2000