Biographie

Abraham, Paul

Herkunft: Donaugebiet
Beruf: Komponist
* 2. November 1892 in Apatin/Batschka
† 6. Mai 1960 in Hamburg

Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts stellten die vom deutschen Bürgertum begründeten Städte Ungarns noch einen lebendigen Bestandteil des deutschen Kulturraumes dar. Es sei nur auf das Deutsche Theater in Pest (fiel 1889 einem Brand zum Opfer und wurde nicht wieder aufgebaut) und die Tätigkeit des Verlegers Gustav Heckenast in dieser Stadt verwiesen, der Werke von Nikolaus Lenau, Adalbert Stifter und anderen deutschen Dichtern dieser Zeit herausbrachte. Nach dem Ausgleich des Jahres 1867 verloren diese Städte mit der fortschreitenden madjarischen Überfremdung weitgehend ihre Bedeutung als Pflegestätten deutscher Kultureinrichtungen sowie als Arbeitsfeld für Talente, die aus dem deutschen Element in Ungarn hervorgingen. Diese schöpferischen oder kulturpflegerischen Kräfte mußten sich jetzt selbst der Überfremdung fugen oder im binnendeutschen Sprachraum ein Betätigungsfeld suchen, viele mußten auch daheim bleiben und resignieren. Einer, der aus der donauschwäbischen Kleinstadt Apatin über Budapest in den binnendeutschen Kulturraum vorstieß, um dort dann zum weltbekannten Operettenkomponisten zu werden, war Paul Abraham. Als er am 6. Mai 1960 in Hamburg starb, berichteten fast alle Zeitungen und Rundfunkstationen darüber. Dabei war bei der Schilderung seines Lebenslaufes gewöhnlich auch vermerkt, daß er in Apatin in Ungarn geboren und ein ungarischer Komponist sei.

Die Familie Abraham, der der Komponist entstammt, ist seit 1758 in Apatin ansässig, also fast seit der Gründung und Besiedlung dieser Marktgemeinde durch deutsche Handwerker und Bauern. Die Angehörigen der Familie widmeten sich als solide Kaufleute dem Handel, und sie spielten bis zur Vernichtung eine führende Rolle in der wirtschaftlichen Entfaltung der Kleinstadt, in der sie Inhaber des bestgeführten Warenhauses waren. Die Eltern von Paul Abraham waren Getreidehändler in Apatin, als er hier am 2.11.1892 geboren wurde. Er besuchte die Apatiner Realschule, die er im Schuljahr 1905/ 06 absolvierte. In Budapest widmete er sich dem Studium der Musik. Als junger Musiker wirkte er aktiv im Apatiner Salon-Orchester mit. In Budapest absolvierte er die von Franz Liszt begründete Musikhochschule.

Seine musikalische Laufbahn begann er mit „ernsten“ Ambitionen und Studien: Er komponierte Streichquartette, und es gibt ein Cellokonzert von ihm. 1922 wurde bei den Salzburger Festspielen ein Streichquartett aufgeführt. Er war schon 36 Jahre alt, als er sich seiner eigentlichen Begabung bewußt wurde und den Sprung zur Operette wagte. Die erste, „Der Gatte des Fräuleins“, aufgeführt 1928, war kein Erfolg, der ihn sonderlich hätte ermutigen dürfen. Aber schon „zwei  Jahre später errang er den durchschlagenden Erfolg mit „Victoria und ihr Husar“, aufgeführt an der Städtischen Oper in Leipzig 1930, dann auch in Berlin und Wien. Ein großer Teil der Melodien aus dieser Operette hat bis heute seine Volkstümlichkeit nicht verloren. Überboten wurde dieser Erfolg schon ein Jahr später mit der „Blume von Hawai“, uraufgeführt am 24. Juli 1931 in Leipzig. Mit der Operette „Ball im Savoy“ gelang ihm ein ähnlicher Erfolg in Berlin 1932; Richard Tauber und Gina Alpar waren die Sterne des Abends. Paul Abraham schrieb 13 Operetten und Musicals und mehr als 30 Filmmusiken. Zu dem Umkreis der Matadore des „silbernen Zeitalters“ der Wiener Operette mit Franz Lehar, Oskar Straus, Leo Fall, Emmerich Kalman u.a. gehört auch der aus dem donauschwäbischen Apatin im pannonischen Batscherland (bis 1918 Österreich-Ungarn, heute Jugoslawien) stammende Paul Abraham.

Die Ereignisse des Jahres 1933 zwangen den Künstler, seinen Berliner Wohnsitz aufzugeben und Deutschland zu verlassen. Über Wien und Paris führte ihn sein Weg als Emigrant schließlich nach New York. Das Interesse des amerikanischen Publikums zu erwecken ist ihm aber nicht mehr gelungen. Sein Stern war im Sinken. Geldnot und Erfolglosigkeit führten zu einem Nervenzusammenbruch. Einflußreiche Freunde setzten sich seit 1955 für seine Rückkehr nach Deutschland ein. Sie gründeten die „Paul-Abraham-Gesellschaft“ in Hamburg, die sich um eine moralische Wiedergutmachung für den Künstler bemühte. Am 6. Mai I960 ist Paul Abraham im Eppendorfer Krankenhaus in Hamburg an einer Herz- und Kreislaufschwäche gestorben.

Die Melodien von Paul Abraham sind heiter und traurig, keß und gefühlvoll, sehnsüchtig und hinreißend; ihre rhythmische Eleganz, ihr exotischer Reiz, das Chroma ihres Klangs und Klanggewandes, das großstädtisch Mondäne, der Seelenraum zwischen Wien und Hawai, die Folklore-Farbigkeit, die Charakterisierung der russischen, japanischen, ungarisch-pannonischen Stimmungslandschaften, das alles macht sie unverkennbar, das alles lebt über den hinaus, der sie schuf.

Lit.: Hans Schnorr, Oper, Operette, Konzert 1955; Hans Renner, Oper, Operette, Musical, München 1969; Brockhaus/Riemann, Musik Lexikon 2. Bände, 1978, S. 10; Josef Volkmar Senz, Wir bleiben dem Strum verbunden. Apatiner Betrachtungen und Berichte. Straubing 1977, S. 65; Clemens Wolthens, Oper und Operette, Köln; Anton Würz, Reclams Operettenführer, Stuttgart 1953, S. 268. – Elisabeth Th. Hilscher-Fritz: Abraham, Paul, in: Österreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff. – Daniel Hirschel: Paul Abraham, in: Wolfgang Schaller (Hrsg.): Operette unterm Hakenkreuz, Berlin 2007. – Bernd Braun: Abraham, Paul, in: Hamburgische Biographie, Bd. 5, Göttingen 2010, S. 13–14.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Abraham

Josef Volkmar Senz