Biographie

Abramowski, Rudolf

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Theologe, Märtyrer
* 15. Mai 1900 in Berlin
† 1. Januar 1945 in Insterburg

1904 nahm der Berliner Stadtmissionsinspektor Richard Abramowski eine Pfarrstelle in Milken bei Lötzen in Ostpreußen an, so kam es, dass sein Sohn Rudolf Abramowski in Ostpreußen aufwuchs. Vom 16.10.1914 bis zum 11.6.1918 besuchte er das altsprachliche Internat in Schulpforta/ Saale, das er mit dem Abitur abschloss. Sein Studium der Theologie begann er an der Universität in Königsberg, wechselte für ein Semester an die Universität in Erlangen und schloss sein Studium 1924 in Königsberg als Lizentiat ab. Seine Lizentiatenarbeit Zum literarischen Problem des Tritojesaja mit Behandlung des Textbereichs Jesaja 55-56 brachte er 1925 in der Reihe der „Theologischen Studien und Kritiken“ zum Druck. Eine Dissertation über Untersuchungen zum Liber Heraclidis des Nestorius beendete er nicht, weil der betreuende Theologe Erich Seeberg nach Breslau und später nach Berlin wechselte, dorthin folgte Abramowski ihm nicht. Dies Thema griff eine seiner Töchter, Luise, für ihre eigene Dissertation auf und vertiefte es in ihrer Habilitation. Sie kam dabei zu anerkannten Ergebnissen in der syrischen Kirchengeschichte.

Abramwoski kam bei seinen Forschungen zugute, dass er in Schulpforta solide altsprachliche Grundkenntnisse erworben hatte, die er während seines Studiums bei einem Studium der orientalischen Sprachen vertieft hatte. 1926 wurde er als Pfarrer ordiniert und war in seiner ersten Pfarrstelle Reisepfarrer des Evangelischen Bundes. 1927 bis 1929 versah er die Pfarrstelle in Schwentainen/ Ostpreußen. Hier wurden der Familie die ersten beiden Kinder geboren, die weiteren Kinder wurden in Riga geboren, denn er hatte 1929 die Pfarrstelle an der deutschen reformierten Kirche in Riga übernommen. In Riga erlebte er bald die Besonderheiten Lettlands nach der Gewinnung der Selbständigkeit von Russland. Die neugegründete Universität in Riga wurde nach dem Vorbild russischer Universitäten organisiert. Dies führte bei den Deutschbalten zum Wunsch, eine eigene Bildungsstätte zu schaffen. Im Herbst 1921 wurde die Herder-Gesellschaft als wissenschaftliche Gesellschaft ge­gründet, die das Herder-Institut einrichtete, in dem auch Theologie wie ein Lehrfach auf Hochschulniveau gelehrt wurde.

Neben seiner Pastorenaufgabe beteiligte sich Abramowski als Dozent für Altes Testament und Orientalistik an der Arbeit des Instituts. Sein Interesse für antiochenische Theologie und syrische Kirchengeschichte konnte er hierbei für die Lehre fruchtbar machen. Hierbei arbeitete er mit Dozenten zusammen, die ihm Freunde wurden: Zu ihnen gehörten Günther Bornkamm (1905-1990), Hans Joachim Iwand (1899-1960), Martin Noth (1902-1968) und Julius Daniel Schniewind (1883-1948). Nach Beginn des „Kirchenkampfes“ und dem Erstarken der „Deutschen Christen“ gewann Riga für die Theologen in Ostpreußen große Bedeutung. Resignierend stellte Abramowski fest: „Richtig ist, daß der Kampf gegen das Alte Testament uns schlecht vorbereitet traf. Wir sind genötigt, die Waffen während des Kampfes zu schmieden und müssen erfahren, daß sie zu kurz schießen“. Dennoch konnte er aus Riga Hilfe für Pfarrer leisten, die sich zur „Bekennenden Kirche“ bekannten.

Er war oft Gast bei Tagungen der Königsberger Theologischen Fakultät in Ostpreußen. Obwohl er von den Bedrängungen der Kirche nicht direkt betroffen war, konnte er sich 1942 mit gutem Recht als alten Bekenntnismann bezeichnen. Als nach der Wegversetzung von Bornkamm, Iwand und Schniewind der Druck auf die verbliebenen Theologen verstärkt wurde, ermöglichte Abramowski dem Theologen Konrad Bojack (1910-1941), der an dem von Dietrich Bonheffer (1906-1945) organisierten Predigerseminar in Fürstenwalde seine Ausbildung erhalten hatte, eine Pfarrstelle in Lyck (Ostpreußen) zu versehen.

Mit der Umsiedlung der Deutschbalten nach Ostpreußen (1939) endete seine Tätigkeit in Riga und am Herder-Institut. War er schon ab 1936 neben seiner Tätigkeit dritter Pfarrer in Lyck gewesen, so wurde er ab 1940 zweiter Pfarrer in Lyck. Im Herbst 1944 war absehbar, dass ein Einmarsch der sowjetischen Armee nach Ostpreußen erfolgen könnte. Daher zog seine Ehefrau mit den sechs Kindern zu Verwandten nach Potsdam. Mitte Januar 1945 besuchte seine Frau ihn noch einmal in Lyck. Ende Januar 1945 verließ er mit dem Regierungsbaurat Josef Ernst, der die letzten Monate im Pfarrhaus in Lyck gewohnt hatte, als letzte Zivilisten Lyck und fuhren in Lycks Auto nach Rastenburg. Vor der Weiterfahrt nach Westen sagte Abramowski, er habe einen Transport Lycker Pfarrkinder getroffen, die er nicht im Stich lassen wollte, so dass er nicht weiter nach Westen mitfahren werde. Noch kurze Zeit konnte er in Rastenburg wirken, in dieser Zeit beerdigte er 30 Personen.

Beim Einmarsch der Roten Armee wurde er als Spion angesehen und verhaftet. Über Georgenburg wurde er nach Insterburg verbracht und dort schließlich einem Transport ostpreußischer Gefangener für ein Arbeitslager im Ural zugewiesen. Der Transport in Viehwaggons begann am 18.2.1945 und sollte einen Monat später seinen Zielort erreichen. Zahlreiche Menschen verstarben während des Transports, für sie hielt Abramowski jeweils eine Andacht. In der dritten Woche des Transports erkrankte er selber und verstarb. Den Bericht über seine letzten Wochen gaben erst Mitgefangene, die 1947/1951 aus einem Arbeitslager in der UdSSR zurückkehrten.

In neueren theologischen Arbeiten werden aus seinen Veröffentlichungen der 1930er Jahre Passagen kritisch betrachtet, die sich mit dem biblischen Israel und ähnlichen Fragestellungen befassten. Leider verhinderte sein früher Tod, dass er nach 1945 seine Sichtweise zu den früheren Veröffentlichungen erläutern konnte, so dass Lesefrüchte unkommentiert bleiben müssen.

Lit.: Andreas Kurschat, Abramowski, in: Harald Schultze u.a. (Hrsg.): „Ihr Ende schaut an …“ – Evangelische Märtyrer des 20. Jahrhunderts, Leipzig, ²2008, S. 219 f. – Ulrich Dieter Oppitz, Abramowski, Rudolf (Wilhelm Sigismund), in: Traugott Bautz (Hrsg.), Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Nordhausen, Band XXXIX (2018), Sp. 1-6 (mit weiteren Hinweisen).

Bild: Harald Schultze u.a. (Hrsg.), „Ihr Ende schaut an …“.

Ulrich-Dieter Oppitz