Biographie

Albedyll, Emil (Heinrich Ludwig Wilhelm) von

Herkunft: Ostbrandenburg
Beruf: preußischer General
* 1. April 1824 in Liebenow, Kr. Arnswalde/Neumark
† 13. Juni 1897 in Potsdam

”So Gott will und Albedyll.” Dieser Ausspruch war in den 1870er Jahren in Berlin öfter zu hören und galt einem Mann, der in unmittelbarer Umgebung des greisen preußischen Königs und deutschen Kaisers agierte und nach einem vom Botschafter von Schweinitz mitgeteilten Wort Otto von Bismarcks als der ”zweitmächtigste und meistumschmeichelte Mann” galt.

Heinrich Ludwig Wilhelm Emil von Albedyll wurde auf dem elterlichen Gut zu Liebenow im damals neumärkischen Kreis Arnswalde geboren, der später, 1938, zur Provinz Pommern geschlagen wurde. Auf dem Gymnasium in Stargard, der Geburtsstadt seines Vaters, erhielt  Albedyll eine humanistische Bildung. Es schloß sich 1841 der Eintritt in eines der ältesten und vornehmsten preußischen Kavallerieregimenter, das in Pasewalk stationierte 2. Kürassierregiment, an. Die folgenden 20 Jahre verbrachte Albedyll im Truppendienst, davon fast acht Jahre als Regimentsadjutant. Ein Markstein für den gerade 38jährigen Rittmeister wurde 1862 seine Kommandierung zur Abteilung für persönliche Angelegenheiten im Kriegsministerium. Diese Abteilung leitete Edwin von Manteuffel (1809-1885), zugleich Chef des Militärkabinetts des preußischen Königs. Bei dem späteren Feldmarschall, einem treuen Anhänger des monarchischen Prinzips, holte sich Albedyll auch dann noch politischen Rat, als man ihn selbst 1871 zum Chef dieser wichtigen Abteilung ernannt hatte. Entgegen dem üblichen Wechsel zwischen Truppen- und Stabsdienst verblieb Albedyll in der einmal eingenommenen Wirkungssphäre und stieg dort schließlich bis zum General der Kavallerie auf. Dank rascher Auffassungsgabe, Sicherheit im Urteil und eines außergewöhnlichen Namens- und Personengedächtnisses war er Wilhelm I. schon bald unersetzlich geworden. Die Besetzung der maßgeblichen Kommandostellen der Armee bei der Mobilmachung 1870/71 plante er in einer Nacht. Wilhelm II., der dies später berichtete, fügte hinzu: ”Er kannte in der Tat die ganze Rangliste auswendig, ihm waren die Lebensläufe nicht nur der Offiziere, die im Heer standen, sondern auch von deren Vätern geläufig.” Die Abteilung für persönliche Angelegenheiten bearbeitete die Personalangelegenheiten der Armee, also Stellenbesetzungen, Beförderungen, Verabschiedungen und Bestrafungen, dazu gesellschaftlich bedeutsame Auszeichnungen wie Ordensverleihungen und besaß darum beim König Immediatstellung, also ein direktes Vortragsrecht.

Unter den preußischen Königen des 19. Jahrhunderts besaß insbesondere Wilhelm I. ein patriarchalisch unmittelbares Verhältnis zur Armee. Als oberster Kriegs- und militärischer Gerichtsherr die Kommandogewalt innezuhaben, war ihm auch im Frieden tägliche Verpflichtung und Erfüllung. Das führte aber zu einem permanenten Konflikt mit der Legislative sowie dem parlamentarisch verantwortlichen Kriegsminister über Umfang und Verwirklichung der Regierungsgewalt im militärischen Bereich, der durch Ressortstreitigkeiten innerhalb des Kriegsministeriums verschärft wurde. Gestützt auf den unbegrenzten Rückhalt bei Wilhelm I., akzeptierte Albedyll die Kontrasignatur (Gegenzeichnung) von Verordnungen und Erlassen durch eben jenen Minister nicht, dessen Haus er formal immer noch angehörte. Nach der Reichsgründung obsiegte die Kommandogewalt, die sich nunmehr (mit Einschränkungen) auf das gesamte Reichsheer erstreckte, vollends über die parlamentarisch zu verantwortende Seite des Oberbefehls, die nach wie vor durch den Kriegsminister wahrgenommen wurde. Der Einfluß des Militärkabinetts mit Immediatrecht und wöchentlich drei Immediatberichten von jeweils gut zwei Stunden Länge wuchs darum, die Einwirkungsmöglichkeit des konstitutionellen Kriegsministeriums hingegen sank. Sogar im Vergleich mit dem Zivilkabinett, der Vermittlungsstelle zwischen Herrscher und Staat, sozusagen dem Regierungsbüro des Monarchen, erwies sich das Militärkabinett als die einflußreichere Schlüsselstellung. Dabei bestand es einschließlich seines Chefs Albedyll nur aus vier Offizieren.

Die entscheidende Verringerung der kriegsministeriellen Kompetenz erfolgte 1883. Nun wurden die drei Hauptorgane des Heerwesens, das Militärkabinett, bewußt etwas zeitversetzt danach der Generalstab sowie das Kriegsministerium, einander gleichgestellt –  und dies bei erheblich unterschiedlichen Diensträngen: Emil von Albedyll als Chef des Militärkabinetts war (noch) Generalmajor, der Kriegsminister stand gewöhnlich im Rang eines Generals und Generalstabschef Helmuth von Moltke war gar Feldmarschall. Vor der Öffentlichkeit wurde die Aufwertung des Militärkabinetts damit begründet, daß der neue Kriegsminister im Dienstalter jünger sei als Albedyll und dieser darum dem Minister nicht untergeordnet werden könne.

Bis zum Tod des alten Kaisers blieb Albedyll dessen vertrautester Ratgeber und Gehilfe, nach Bismarck eine der einflußreichsten Persönlichkeiten am Hof. So kam es zum eingangs zitierten Spruch. Was der aus altem schlesischen Adel stammende preußische General Hans Lothar von Schweinitz (1822-1901), in den beiden ersten Jahrzehnten nach der Reichsgründung deutscher Botschafter in Wien und St. Petersburg, zu diesem Bonmot ausführte, charakterisiert treffend die deutsche Gesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert: Es gebe ”nur wenige Familien höheren Standes, welche nicht durch einige ihrer Mitglieder in der Armee vertreten sind, also vom Chef der persönlichen Angelegenheiten nichts zu hoffen oder zu fürchten haben. Von dieser allgemeinen Regel sind die regierenden Fürsten ebenso wenig ausgenommen wie die … Magnaten …; alle persönlichen Gnadenerweise, wie die Verleihung eines höheren Charakters, die Zuzählung zu irgendeinem Regiment, die Berechtigung, eine kleidsame Uniform zu tragen, gehen durch das Militärkabinett und sind, trotz ihrer scheinbaren Wertlosigkeit, ja ungeachtet ihrer Lächerlichkeit, brauchbare Machtmittel.” Bismarck, Albedyll, ein weiterer Generaladjutant und der Oberhofmarschall bildeten einen Ring, und dieser ”disponiert über wirksame Instrumente, um die Eitelkeit, die Begehrlichkeit und den Ehrgeiz der Hohen und Reichen sich dienstbar zu machen.” Schweinitz berichtet auch vom ”stillschweigenden Kartell”, wodurch selbst die engste Umgebung des liberal gesinnten Kronprinzen mit altpreußisch-konservativem Geist durchsetzt wurde.

Unter Kaiser Friedrich III. blieb Albedyll noch im Amt, das seit längerem getrübte Verhältnis zum jungen Wilhelm II. ließ hingegen 1888 eine enge Zusammenarbeit nicht zu. Nun wurde dem ehrgeizigen General seine Selbständigkeit bei der Disposition von Personal als selbstherrliches Verhalten unter starkem Einfluß seiner zweiten Frau vorgehalten. Wie in solchen Fällen üblich, suchte der Betroffene um seine Entlassung nach. Man ernannte ihn zum Kommandierenden General des VII. Armeekorps im westfälischen Münster und erkannte seine langjährigen Verdienste an, indem er á la suite (ins Gefolge) seines pommerschen Stammverbandes gestellt wurde und beim 50jährigen Dienstjubiläum 1891 den höchsten preußischen Orden, den vom Schwarzen Adler, verliehen bekam. In der Zeit nach Albedylls Ausscheiden nahmen die Machtbefugnisse des Militärkabinetts weiter zu; insbesondere in den Wirkungsbereich des Kriegsministeriums wurde beliebig eingegriffen und der Kriegsminister so vom Ratgeber zum bloßen Ausführenden.

Nach der Pensionierung 1893 lebte Emil von Albedyll in Potsdam. An seiner Beisetzung auf dem Bornstedter Friedhof nahm Kaiser Wilhelm II. teil. Unmittelbar hinter der Kirche befindet sich das gepflegte Grabmal mit einem aus efeuumranktem Felsen emporsteigenden Kreuz, darauf die biblische Aufschrift ”Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn…”.

Lit.: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 45, 1900, S. 726. –  Neue Deutsche Biographie, Bd. 1, 1953, S. 122 (Friedrich-Christian Stahl). –  Kurt von Priesdorff: Soldatisches Führertum, Bd. 10, Hamburg (1941), S. 472-478 (faktenreiche, wohlwollend unkritische Biogr.). – Rudolf Schmidt-Bückeburg: Das Militärkabinett der preußischen Könige und deutschen Kaiser. Seine geschichtliche Entwicklung und staatsrechtliche Stellung 1787-1918. Berlin 1933 (fundierte Monogr.) – Schweinitz, Hans-Lothar von: Briefwechsel des Botschafters General von Schweinitz. Berlin 1928. –  Klaus Arlt: Der Bornstedter Friedhof. Regensburg 1994 (S. 12 f. mit Abb. von Albedylls Grabmal).

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Emil_von_Albedyll

Bild: aus Priesdorff (s.o.).

Stephan Kaiser