Biographie

Alzog, Johann Baptist

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Kirchenhistoriker
* 29. Juni 1808 in Ohlau/Schlesien
† 1. März 1878 in Freiburg/Breisgau

Johann(es) Baptist Alzog wurde am 29. Juni 1808 als Sohn eines Rotgerbermeisters in der fast 2.000 Einwohner zählenden Kreisstadt Ohlau, Bezirk Breslau, geboren, absolvierte das Gymnasium in Brieg, studierte an den Universitäten Breslau und Bonn Theologie und Philosophie und war von 1830 bis 1834 in Aachen als Hauslehrer tätig. Am 4. Juli 1834 empfing er in Köln die Priesterweihe. 1835 wurde er in Münster i.W. zum Doktor der Theologie promoviert und 1836 als Professor der Kirchengeschichte und Exegese an das Clericalseminar in Posen berufen, das damals neu strukturiert wurde und mit Hilfe deutscher Professoren auf ein höheres Niveau gebracht werden sollte. Im Streit wegen der konfessionellen Mischehen, in dem der Erzbischof von Gnesen und Posen, Martin von Dunin, gerichtlich verurteilt und von der preußischen Regierung abgesetzt wurde, verteidigte Alzog den Erzbischof, was seiner beruflichen Karriere schadete.

Als nämlich 1843/1844 der damals die Erzdiözese Köln leitende Bischof-Koadjutor und spätere Erzbischof Johannes von Geissel sich für die Berufung Alzogs auf den Lehrstuhl für Kirchengeschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn einsetzte und diesen als den besten katholischen Kirchenhistoriker nach Döllinger bezeichnete, lehnte der zuständige preußische Minister Johann A.F. Eichhorn den Schlesier wegen seiner Haltung im Mischehenstreit ab. So wechselte Alzog, der sich in Posen/Polen als in einem „Land fremder Zunge“ fühlte, nach Hildesheim, wo er 1844 Domkapitular wurde, 1845 die Ämter eines Professors und des Vize-Regens des Priesterseminars übernahm und neun Jahre verblieb. Wegen der Zusage für Hildesheim trat er als aussichtsreichster Bewerber für den Kirchengeschichtlichen Lehrstuhl an der Universität Freiburg im Breisgau zurück, der ihm an sich lieber gewesen wäre.

1848 wurde Alzog zum Regens befördert und nahm in demselben Jahre als Berater des Hildesheimer Bischofs Jakob Joseph Wandt an der besonders für die Neuregelung des Verhältnisses von Kirche und Staat wichtigen Würzburger Bischofskonferenz teil. Ein Jahr später stand der Name Alzog auf der Kandidatenliste für die Neubesetzung des Hildesheimer Bischofsstuhles.

1853 erfolgte dann doch die Ernennung Alzogs zum Professor an einer deutschen Universität. Was ihm in Bonn, in Preußen, versagt geblieben war, geschah im Großherzogtum Baden, an der Universität Freiburg im Bresgau, an der er am 4. März1854 seine Antrittsvorlesung als Kirchhistoriker hielt und dann 25 Jahre, bis zum Tode, mit großem Erfolg wirkte. Ein Beweis für sein hohes Ansehen in der gelehrten Welt ist, dass er, zusammen mit dem berühmten Professor Johann Joseph Ignaz Döllinger und Abt Daniel Bonifaz (von) Hanenberg, dem späteren Bischof von Speyer, im Jahre 1863 die „Vertreter der katholischen Wissenschaft,geistlichen und weltlichen Standes aus allen Gebieten des Wissens, welche mit der Religion und Theologie in irgendeiner Wechselwirkung stehen“, zu einer dann in München durchgeführten Versammlung einlud. Er wurde eines der Mitglieder des leitenden Ausschusses der Tagung, die dem wissenschaftlichen Gedankenaustausch dienen und das Zusammenfinden der unterschiedlichen Meinungen in kirchenpolitischen Fragen befördern sollte. Doch die Gegensätzlichkeiten zwischen den „deutschen“ und den „römischen“ Theologenschulen, zwischen kirchenpolitisch Liberalen und Ultramontanen, konnten nicht beigelegt werden und verschärften sich in der Folgezeit im Zuge der Entwicklungen in Rom. Zu den engagierten Tagungsteilnehmern gehörte auch der damalige Breslauer Kirchengeschichts-Professor und nachherige erste Bischof der altkatholischen Kirche Joseph Hubert Reinkens.

Alzogs Ansehen beruhte großenteils auf seinen Veröffentlichungen, besonders auf den viel beachteten und wirkmächtigen Büchern.Bereits während seiner Posener Zeit, im Jahre 1841, erschien die Universalgeschichte der christlichen Kirche vom katholischen Standpunkte, sein wissenschaftliches Hauptwerk, das – unter wechselnden Titeln – bis 1872 neun Auflagen erreichte, auch die neueste Kirchengeschichte einbezog und sich durch Details auszeichnete, aber auch als zu sehr mit von anderen Autoren übernommenen und manchmal dieses nicht vermerkenden Texten behaftet kritisiert wurde (Plagiatvorwurf).„Über drei Jahrzehnte war es das Standardwerk des kirchengeschichtlichen Unterrichts, und es vermittelte Generationen von Theologen nicht nur Information, sondern einen Zugang zur lebendigen Wirklichkeit der Kirche in ihrer Geschichte. Ergänzt wurde das Lehrbuch durch die Patrologie“ (Stockmeier), durch den 1866 erstmals veröffentlichten Grundriß der Patrologie, der als „Handbuch“ im Jahre 1888 in 4. Auflage herauskam und eine französische Übersetzung erfuhr. Die 9. Auflage seiner immer wieder überarbeiteten Universal-Kirchengeschichte erschien 1872 und informiert auch über das Erste Vatikanische Konzil (1869/70), an dessen Vorbereitung Alzog als nach Rom gerufener Konsulator teilgenommen hatte. Es wurde in acht Sprachen übersetzt: in das Französische, Spanische, Italienische, Portugiesische,Tschechische, Polnische, Armenische und Englische.

In Freiburg widmete sich Alzog auch der kirchlichen Landesgeschichte, begründete 1857 das Freiburger Katholische Kirchenblatt und redigierte dessen erste zwei Jahrgänge. 1874 war er für die Neubesetzung des Freiburger Erzbischofsstuhls im Gespräch, verzichtete aber. Seine Bemühungen um den Zusammenschluss katholischer Wissenschaftler wurden 1876 bei derersten General-Versammlung der Görres-Gesellschaft in Frankfurt am Main durch die Wahl in das Ehrenpräsidium anerkannt.

Nach 25-jähriger fruchtbarer Tätigkeit als Freiburger Universitätslehrer starb Johann Baptist Alzog am 1. März 1878 in der Stadt an der Dreisam, wo er zwei Tage später beerdigt wurde, 65 Jahre alt. Er war – man mag hier vielleicht schlesisches Erbe sehen – ein Mann des Dialogs, des Ausgleichs und der Mitte. Durch und durch kirchlich gesinnt stellte er seine großen Bedenken gegen die Erklärung der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubens- und Sittenfragen nach der Konzilsentscheidung zurück und wandte sich scharf gegen den „Altkatholizismus“. Sein bedeutendster Schüler, der kirchenpolitisch liberale Franz Xaver Kraus, wurde sein Lehrstuhlnachfolger, lobte den Doktorvater in einer Gedächtnisrede als einen liberalen Mann im besten Sinne und gab Alzogs Hauptwerk 1882 unter dem Titel Handbuch der allgemeinen Kirchengeschichte neu bearbeitet heraus – in 10. Auflage.

Werke:Universalgeschichte der christlichen Kirche vom katholischen Standpunkte, Mainz 1841, 10. Aufl.: Handbuch der allgemeinen Kirchengeschichte, hrsg. v. Franz Xaver Kraus, ebd., 1882. – Katholisches Gebet-, Gesang- und Betrachtungsbuch, Mainz 1849. – Antrittsrede, gehalten am 4. März 1854 an der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg, Freiburg 1854. – Grundriss der Patrologie oder der ältern christlichen Literatärgeschichte, Freiburg i.Br. 1866. – Artikel in Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon.

Lit.: Franz Xaver Kraus, Gedächtnisrede auf J. Alzog, gehalten bei dessen akademischer Todtenfeier am 4. Februar 1879, Freiburg 1879. – Hermann Hoffmann, Johannes Alzog, Breslau 1938. – Hubert Jedin,Kirchenhistoriker aus Schlesien in der Ferne, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 11, 1953, S. 243-259, v.a. S. 246f. – Peter Stockmeier, Johann Baptist Alzog (1808-78), in: Katholische Theologen Deutschlands im 19. Jahrhundert, hrsg. v. Heinrich Fries und Georg Schwaiger, Bd. 3, München 1975, S. 44-59. – Otto Bohr, Johann Baptist Alzog (1808-1878). Sein Leben und Wirken als Kirchenhistoriker im Spiegel der zeitgenössischen Kritik, theol. Diss, Freiburg i.Br. 1988. – Allgemeine Deutsche Biographie 45, 1900, Nachdr. 1971, S. 759-761 (Lauchert). – Neue Deutsche Biographie 1, 1953, S. 236 (Wolfgang Müller). – Lexikon für Theologie und Kirche 11, 1930, Sp. 330 (F. Lauchert); 21, 1957, Sp. 410f. (P. Säger); 31, 1993, Sp. 479f. (Heribert Smolinsky). – Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, bearb. und hrsg. v. Friedrich Wilhelm Bautz, 1, 1975, Sp. 137. Deutsche Biographische Enzyklopädie der Theologie und der Kirchen, hrsg. v. Bernd Moeller mit Bruno Jahrn, Bd. 1, 2005, S. 36.

Bild: Otto Bohr, wie oben.

Hans-Ludwig Abmeier