Biographie

Amler, Siegbert

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Bildhauer und Grafiker
* 7. November 1929 in Hirschberg/Schlesien

Am 7. November 1929 wurde Siegbert Amler als Sohn eines blinden Musikers in Hirschberg/Schlesien geboren. Er lebte bis zur Ausweisung im Juni 1946 unter polnischer Verwaltung in Hirschberg. In Seinstedt bei Wolfenbüttel/Niedersachsen fand er nach der Vertreibung  Aufnahme und arbeitete zwei Jahre in der Landwirtschaft bis er als 19jähriger eine Lehre bei einem Holzbildhauer in Wolfenbüttel beginnen konnte. Er beendete seine Lehre in Lemgo, sah sich in verschiedenen Ateliers um und nahm Zeichenunterricht bei Prof. Ehlers in Detmold. Erst 1954 konnte Amler ein Studium an der Werkkunstschule in Flensburg aufnehmen und legte 1956 das Staatsexamen ab. Bis 1961 war er Meisterschüler von Fritz Thomas-Gottesberg, der einst an der berühmten schlesischen Holzschnitzschule in Warmbrunn, vor den Toren Hirschbergs, studiert hatte.

1958 machte sich Siegbert Amler als Bildhauer und Grafiker selbständig. 1962 fand er in Glücksburg ein Grundstück. Aus einer Baracke entstanden ein Haus, ein Atelier und ein Ausstellungsraum. Heute ist alles umgeben von einem gepflegten Skulpturen-Park.

Siegbert Amler  produziert nicht nur Kunst, sondern vermittelt sie auch. Seit 1959 ist er in der Erwachsenenbildung in Deutschland und Dänemark tätig. 2009 fand sein hundertster Zeichenkurs in der VHS Flensburg statt. Seit 1988 leitet Siegbert Amler Zeichen- und Malreisen ins Ausland von Reval bis nach Kenia.

Siegbert Amler fand früh seine eigene Handschrift und variiert sie gelassen. Er richtet sich nicht nach modischen Kunstströmungen und beugt sich nicht dem Zeitgeschmack. Er fürchtet sich nicht vor neuen Materialien. Er arbeitet in Naturstein, Holz, Bronze, Aluminium, Ortbeton und Modellierbeton, Keramik, Mooreiche und Kunststoff.  Es entstanden Mosaike, Glas­fenster, Wandgestaltungen, Wandteppiche, Brunnen, Tauf­becken, Kruzifixe, Kunst für den sakralen und profanen öffentlichen Raum.

Zu den frühen Arbeiten gehören die neun Bleiglasfenster der Ostdeutschen Patenkapelle in Fahrdorf (1965) und  die Gedenkstätte am Karberg – Den Toten der Vertreibung (1966). Die philosophisch, religiöse Ernsthaftigkeit aus denen Amler seine Kunstwerke gestaltet, brachten ihm Aufträge für den sakralen Raum von Flensburg bis Berlin.

Siegbert Amler verlässt das Gegenständliche nicht, abstrahiert jedoch bis zum Formelement. Er bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen Realität und sichtbar gemachter Deutung. Er thematisiert Begriffe wie Beschirmt, Bronze (1983), Ölpest, Modell für Bronze (1987), Auseinandersetzung, Bronze (1989), Chaoten, Bronze (1989), Trauer, Modell für Bronze (1992), Verkettung, Edelstahl und Ankerkette (1997) Ganz oben, Modell für Bronze (2002), Im Schneckenhaus, gebrannter Ton (2004), Zwischen allen Stühlen, Bronze (2005) Flamme, Mooreiche (2006). Von den zahlreichen Arbeiten für den öffentlichen Raum seinen erwähnt: die DreifigurengruppeDas Gespräch, Modellierbeton, List (1973), Beschwingt, Aluminium, Husum (1974), Ballspieler, Bronze, Mildstedt (1976),Mensch auf der Leiter, Bronze, Schleswig (1984), Miteinander, Bronze, Tokio (1988), Füreinander, Bronze, Flensburg (2000), Frieden, Bronze, Schleswig (2001), Mensch auf der Leiter, Bronze, Wangen/Allgäu (2001), Begegnung, Bronze, Gedenkstätte Ladelund (2006). Die Begriffe werden zu Skulpturen, sie werden zu Formen und zur haptischen Realität. Sie werden, wie Siegbert Amler es formulierte „plastische Reaktionen auf das Zeitgeschehen“. Obwohl Amler seine Figuren immer in lange Gewänder hüllt und weder ihre Gesichter, noch ihre Hände herausarbeitet, die Körper also fast bis zur gegenstandslosen Form abstrahiert sind, wirken die Gruppen als würden sie aus lauter Persönlichkeiten bestehen. Die Körperhaltung, verschiedene Größe, die Neigung des Kopfes, eine angedeutete Geste bringen die Plastiken zum Sprechen und lassen sie zu Übermittlern einer Botschaft werden. Es sind sprechende Plastiken.

Ab den siebziger Jahren entstehen als weitere Werkgruppe filigrane Kleinplastiken wie Am Pferd, Bronze (1975),  Seiltänzer, Bronze (1979), Tänzerinnen, Bronze (1981). Diese Figurinen kombiniert Amler mit  Stäben zu raumgreifenden Kompositionen wie in Regenbogen, Aluminium (1997),  Balance, Edelstahl (1998), Brücke, Aluminium (1999), oder Seilakrobat, Edelstahl (2000).

Neben den Werkgruppen, in denen die menschliche Figur Ausgangspunkt der Arbeiten ist, darf die Tierplastik nicht vergessen werden. Auf zahlreichen Reisen und in seinem Skulpturen-Park beobachtete Amler Tiere. Durch Abstraktion und den Verzicht auf realistische Details versteht er es, die Besonderheit der Bewegung und den Charakter eines Tieres zu gestalten wie den Marabu, Bronze (1980), Elefanten, Grüner Dolomit (1988), Pfau, Muschelkalk (1989), Schreitvogel, Bronze (1991), die Springende Gazelle, Bronze (1992), den Jagenden Gepard, Bronze (1999), den Aufrechten Gepard, Bronze (2000) oder den Fliegenden Vogel, Bronze (2001).

Als weitere Werkgruppe sind die Brunnen zu nennen. Sie sind sensibel der Umgebung angepasst. Zu den frühesten Arbeiten gehört der Brunnen mit der Wasserschöpferin im Kurpark von Glücksburg (1968). Die Brunnenanlage vor dem Polizeidienstgebäude in Schleswig (1972) gestaltete Amler mit Blöcken aus Modellierbeton über die Wasser fällt, der Brunnen auf dem alten Rathausmarkt (1984) in Schleswig zeigt drei Wasserspender aus Bronze mit einer Höhe von 2,00 bis 3,20 m in einem sechseckigen Becken, der Wasserspender des Brunnens auf dem Friedhof von Büdelsdorf (1987) wirkt wie eine brennende Kerze.

Siegbert Amler ist nicht nur ein eigenwilliger, hochbegabter Bildhauer sondern auch ein hervorragender Zeichner und Grafiker. Er ist ein minimalistischer Landschaftszeichner. Mit wenigen Strichen wirft er eine Landschaft aufs Papier und suggeriert die Hitze einer Wüstenlandschaft bei Kairo, den Regen an der Memelmündung, das Menschengewimmel bei Marrakesch, die Felsformationen des Riesengebirges. Er zeichnet keine Porträts, sondern notiert ein Gesicht, einen Kopf. Er arbeitet das Charakteristische heraus fast bis zur Karikatur.

Er ist ein ebenso guter Zeichner von Tieren. Er hält mit wenigen Strichen die Bewegung, den Blick fest und erreicht eine frappierende Lebendigkeit. Einen Einblick in das zeichnerische Schaffen bietet die Publikation: Siegbert Amler: Mit Zeichenstift und Skizzenblock in Kenya und Tansania – Der etwas andere Reisebericht, 1994.

Siegbert Amler schuf eine Reihe von interessanten Holzschnitten in denen er überlegt die Holzmaserung als Teil der Landschaftsdarstellung nutzte.

In mehr als siebzig Einzel- und Gruppenausstellungen waren seine Arbeiten im In- und Ausland zu sehen. Sein Ausstellungsraum und der Skulpturen-Park in Glücksburg bieten einen informativen Einblick in Amlers Schaffen. Seine Werke wurden von renommierten Privatsammlern, Museen und Galerien in der Bundesrepublik, in Schweden, Dänemark, Frankreich, Australien, London, San Francisco, Prag, Rotterdam, Moskau und Guatemala-City erworben. Eine besondere Auszeichnung war der Ankauf von drei Plastiken des Künstlers durch das Design-Center in Tokio. Siegbert Amlers Schaffen wurde mit zahlreichen Preisen gewürdigt: 1998 mit der Ehrenmedaille der Stadt Hirschberg, 2006 mit dem Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen und 2010 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande.

Sein Erfolg ist der hervorragenden künstlerischen Begabung als Bildhauer und Grafiker undseinem unermüdlichen Fleiß zuzuschreiben. Amlers Werk hat viele Facetten und Ausformungen und bleibt dabei immer eigenständig. Er kennt den schmalen Grat zwischen dem realistischen Vorbild und der reinen Form. Dass er immer die Balance hält zwischen diesen Polen, macht die Aussagekraft, die interessante Zeitlosigkeit, die künstlerische Spannung und die Symbolkraft seiner Werke aus.

Lit.: Siegbert Amler, Mit Zeichenstift und Skizzenblock in Kenia und Tansania – Der etwas andere Reisebericht, Skizzen und Notizen von Siegbert Amler, Glücksburg 1994. – Siegbert Amler, Tiere – Zeichnungen und Plastiken, Glücksburg 1999. – Wolf Achilles, Die vielen Gesichter des Siegbert Amler, in: Jahrbuch der Landschaft Angeln, 1985. – Idis B. Hartmann, Siegbert Amler: Skulpturen, Plastiken, Objekte 1995-2006, Glücksburg 2006. – Uwe Lempelius, Siegbert Amler – Skulpturen, Künzelsau 1997. – Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen 2006, Verleihung durch den Niedersächsischen Minister für Inneres und Sport am 15. September 2006 in Hirschberg, Hannover 2006, Laudatio: Idis B. Hartmann. – Einführung in die Ausstellung im Gerhart Hauptmann-Haus, Agnetendorf: Idis B. Hartmann. – Dietmar Scholz, Jubiläumsrede zum 50. Geburtstag des Glücksburger Bildhauers und Zeichners, in: Standort (1979). – Dietmar Scholz, Jubiläumsrede zum 60. Geburtstag, in: Gratwanderer (1989). – Uwe-M. Troppenz, Zur Vernissage der Ausstellung Skulpturen und Grafiken des Bildhauers Siegbert Amler in: Gratwanderer (1989). – Uwe-M. Troppenz, Siegbert Amler, Bildmappe (1989). – Axel Michael Sallowski, Siegbert Amler. Skulpturen und Plastiken 1954-1994, Glücksburg 1994. – Konrad Werner, Zwischen Traum und Wirklichkeit, Siegbert Amler zum 70. Geburtstag am 7. November 1999, in: Schlesische Bergwacht Nr. 1l, 1999.

Bild: Privatbesitz Siegbert Amler.

Idis B. Hartmann