Biographie

Andreae, Friedrich

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Historiker
* 12. Oktober 1879 in Magdeburg
† 17. Januar 1939 in Breslau

Friedrich Andreae entstammte einer angesehenen Reeder-Familie, die eine lange Reihe evangelischer Theologen und Kaufleute aufzuweisen hat. Auf dem alten Klostergymnasium in Magdeburg erfuhr er früh für ein ganzes Leben richtungsweisende humanistische Bildüng. Seine historischen Interessen galten von Anfang an dem Ancien régime im weitesten Sinne, sowohl was dessen führende Persönlichkeiten wie auch die kulturellen Leistungen betrifft. Sein Studium der Geschichte im nahen Berlin schloß er 1905 mit einer von Max Lenz und Otto Hintze betreuten Dissertation ab, die nur als Teildruck erschienen ist: „Preußische und russische Politik in Polen von der taurischen Reise Katharinas II. (Januar 1787) bis zur Abwendung Friedrich Wilhelms II. von den Hertzbergischen Plänen (August 1789)“. In Berlin war er auch schon Schüler Theodor Schiemanns, dem er seine Habilitationsschrift („Beiträge zur Geschichte Katharinas II. Die Instruktion vom Jahre 1767 für die Kommission zur Abfassung eines neuen Gesetzbuches“) 1912 zum 65. Geburtstag widmete. Berlin war auch der Ort der Berührung mit dem Stefan George-Kreis.

Seine Habilitation für osteuropäische Geschichte fand 1912 statt, an der Oder-Universität Breslau, die eben ihre 100-Jahrfeier begangen und ein wissenschaftliches Arbeitsfeld zu bieten hatte, dem Andreae zeitlebens sich zu verschreiben bereit war. Dem Gedächtnis Gustav Schmollers war die Untersuchung „China und das 18. Jahrhundert“ (Grundrisse und Bausteine zur Staats- und Geschichtslehre) gewidmet (1908, 1917), welche die Bereitschaft belegt, über das zaristische Rußland hinaus auch den „Fernen Osten“ in den Blick zu nehmen. Ein Festvortrag zur 700-Jahrfeier der Grundsteinlegung des Magdeburger Domes, der die einfühlsame Verknüpfung kirchlicher und kunstgeschichtlicher Aspekte belegt, war eine Art abschließende Würdigung der Vaterstadt, während nun in der Fülle regionaler Vorträge und Veröffentlichungen die Wahlheimat Schlesien zur beherrschenden Thematik wurde. Das Jubiläumsjahr 1913 zeitigte aufschlußreiche Editionen, gefolgt von Veröffentlichungen im Zeichen der neuen Grenzlandsituation von 1919, die Oberschlesien stärker in den Blick rückten, und langfristigen Planungen, welche die 1922 seitens der Historischen Kommission für Schlesien betreuten „Schlesischen Lebensbilder“ betrafen, deren Haupttriebkraft im Zusammenwirken mit gebürtigen Schlesiern Andreae wurde. Vier Bände kamen innerhalb eines Jahrzehntes heraus und wurden beispielgebend für eine Reihe anderer deutscher Landschaftsbiographien. Im Blick auf sie wie auch auf das nur scheinbar provinzielle Anliegen einer Breslauer Universitätsgeschichte entstand eine Personalkartei von über 8000 Namen, deren Auswertung freilich in mehrfacher Hinsicht Opfer der schmerzlichen Zeitläufe werden sollte (Teilerhaltung?). Um die Pressestelle der Universität erwarb sich Andreae an in den zwanziger Jahren allseits anerkannte Verdienste. Als sinniger Rezensent von Neuerscheinungen zur schlesischen Kultur- und Bildungsgeschichte war er ein idealer Mitarbeiter der „Jahresberichte der deutschen Geschichte“, von 1925 an der ihnen folgenden „Jahresberichte für deutsche Geschichte“.

Der beliebte akademische Lehrer, in dessen Vorlesungen, Übungen und Studienfahrten (oft über die deutschen Staatsgrenzen hinaus) Vertreter der verschiedenen Bekenntnisse und weltanschaulichen Richtungen gleichermaßen ihren Platz fanden, ein selbstloser Förderer von Nachwuchskräften auch außerhalb des eigenen Doktorandenkreises, ein begnadeter Plauderer, der an treffsicheren Anekdoten geschichtliche Erkenntnisse zum Aufblitzen brachte, schien als Teilnehmer des Ersten Weltkrieges zunächst gefeit gegen berufliche Folgerungen, die sich nach 1933 auf Grund der Nürnberger Gesetze gegen ihn auszuwirken ankündigten. Als unentbehrlich eingeschätzt für die vom Breslauer Universitätsbund in Gang gebrachte Anthologie zur 125-Jahrfeier der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität, schien ihm nach der Nötigung, seine Lehrtätigkeit einzustellen, wenigstens das Nischendasein als Universitäts-Archivar Versorgung und wissenschaftliche Weiterarbeit zu sichern; die Anthologie „Aus dem Leben der Universität Breslau“ erschien pünktlich 1936, doch ohne Namensnennung ihres Schöpfers, der Anfang 1939 einem Gallenleiden erlag. Seine Witwe konnte noch im Todesjahr des Heimgegangenen nach England emigrieren. Die Beisetzung von Friedrich Andreae erfolgte im Familiengrab in Magdeburg. Hauptteil des wissenschaftlichen Nachlasses befand sich bei Kriegsausbruch im Universitäts-Archiv Breslau und dürfte in der Hauptsache wohl dort ungefährdet erhalten geblieben sein. (Bericht u.a. eines Historikers aus der Bundesrepublik, der anläßlich seiner Einladung der heutigen Breslauer Technischen Hochschule auch im Universitäts-Archiv vorsprechen konnte.)

Übersicht der gedruckten Veröffentlichungen durch R. Samulski in der Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens, Bd. 73, 1939, S. 346–358 (162 Nummern, zusätzlich Sachweiser). Zeitlebens hat Andreae als Mitherausgeber besonderen Wert auf den illustrierten Band „Die Universität zu Breslau, hrsg. zusammen mit August Grisebach, Berlin, Deutscher Kunstverlag 1928″ gelegt.

Lit.: Nachruf in der Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens, Bd. 73, 1939, S. 342–345 durch Kurt Groba. – L. Malten, Das zweite Jahrzehnt des Univ. Bundes Breslau 1931-1941, 1941, S. 26f. – H. Aubin, Die letzte Historikergeneration an der Universität Breslau, Vjschr. Schlesien 1961, S. 133–138, hier S. 134f. – L. Petry, Zur Rolle für Geschichte Schlesiens, Bd. 73, 1939, S der Universität Breslau in der NS-Zeit, in Schles. Forschungen 3, Würzburg.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Andreae

Ludwig Petry